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Beobachtungen vom Comic-Salon Comics, Hitze und Söders Lichtschwerter

Ein Cosplayer auf dem Comic-Salon in Erlangen. Wie lange hält er es in der schwarzen Kutte aus?

Ein Cosplayer auf dem Comic-Salon in Erlangen. Wie lange hält er es in der schwarzen Kutte aus?

(Foto: picture alliance/dpa)

Es ist das größte deutsche Comic-Festival: der Comic-Salon in Erlangen. Sogar der Ministerpräsident kommt diesmal. Und eine Doppelausstellung wird vielfach gelobt. Ein ukrainischer Gast kämpft gegen die Tränen. Und die Sonne kennt keine Gnade.

Der Comic-Salon in Erlangen ist eröffnet. Vier Tage lang dreht sich in der fränkischen Stadt alles um die neunte Kunst. 20 Ausstellungen sind zu sehen, es gibt 250 Veranstaltungen, etliche Signierstunden der 400 Künstlerinnen und Künstler. Zu viel, um alles zu sehen. So sind es besondere Momente, die hängen bleiben.

Reden wir übers Wetter - und die Pandemie

"Der Comic-Salon ist wie ein Abi-Treffen, bei dem man alle mag", sagt ein Zeichner über das größte Comic-Festival im deutschsprachigen Raum. Die Stimmung ist meist gelassen, auch wenn sich Massen an Menschen durch die Gänge der Messezelte schieben. Ein kurzer Gruß hier, ein Gespräch da, das sind Bilder, die allgegenwärtig sind in Erlangen. Die deutsche Comic-Szene ist vergleichsweise klein, man kennt sich.

Dass dieser Comic-Salon, der insgesamt 20., erstmals seit vier Jahren wieder in Präsenz stattfindet, befeuert die Freude vor Ort nur noch. Die Frage "Und, wie bist du so durch die Pandemie gekommen?", gehört zum Small-Talk-Repertoire. Und natürlich die Hitze. Die Stadt Erlangen leistet ihren Beitrag, indem sie das Festival statt in die Stadthalle wie schon 2018 ins Zentrum um Schlossplatz und -garten verlegt hat. Die extremen Temperaturen lassen sich auf der Wiese, im Schatten der Bäume, auf einem Lesestuhl einfach besser aushalten. Man muss nur aufpassen, dem Schatten zu folgen. Denn sonst wird es schnell brenzlig. Da fragt man sich, wie es manche Cosplayer in ihren schweren Kostümen aushalten.

Künstler im Krieg

Doch es ist nicht alles Sonnenschein in Erlangen. Beklemmend ist eine Gesprächsrunde mit zwei Künstlerinnen aus der Ukraine. Vor allem die Schilderungen von Romana Ruban sind ergreifend. Die damals in Kiew lebende Zeichnerin wurde am 24. Februar von Krach und Explosionen geweckt - es war der Beginn des russischen Überfalls. Schnell weckte sie ihre Familie, gemeinsam gingen sie in einen nahen Schutzbunker, wo sie stundenlang ausharren mussten. Da es dann aber keinen sicheren Ort in der Ukraine gegeben habe, sei sie mit ihrer Schwester nach Berlin gegangen. Die Eltern blieben zurück. Doch auch in Berlin fühle sie sich nicht komplett sicher, wegen der Russen in der Stadt, sagt Ruban. Man merkt ihr beim Sprechen an, wie sie die Kriegserfahrungen immer noch mitnehmen.

Interessant an dem Gespräch ist aber auch die künstlerische Perspektive: "Ich bin kein Soldat, ich bin kein Arzt, als Künstler weiß man nicht, was man im Krieg tun soll", sagt Anna Sarvira, die bei Kriegsausbruch bereits in Berlin lebte. Sie habe deshalb begonnen, Poster zu gestalten, sammelt so Geld für die Ukraine. Sie versuche auch, Kriegsverbrechen zeichnerisch darzustellen, sagt Sarvira, doch sie veröffentliche nicht alles. Die Zuhörer können sich denken, warum. Schließlich stellt ein Ukrainerin aus dem Publikum eine Frage, sie kämpft gegen die Tränen an: "Werden die Künstlerinnen fähig sein, nach dem Krieg wieder für Kinder zu zeichnen?" Manche Illustratoren würden dies jetzt bereits tun, sagt Ruban. "Es ist gut und wichtig, den Kindern zu helfen, die Wunden des Krieges zu heilen."

Einige Zeichnungen von Ruban und Sarvira sind in Erlangen in einer kleinen Ausstellung zu sehen. Der Comic-Salon entschied sich dazu, auch wenn manche Darstellungen martialisch sind - doch es ist die Perspektive von Künstlerinnen, deren Land unter einer brutalen Invasion leidet. Die beiden Künstlerinnen veröffentlichen ihre Werke auch bei Instagram: hier Romana Ruban, hier Anna Sarvira.

Enges Mietshaus, weites Land

Zum heimlichen Höhepunkt des diesjährigen Comic-Salons hat sich eine Doppelausstellung des Kunstmuseums Erlangen gemausert. Es zeigt einerseits etliche Originale aus der langen Schaffenszeit von Comic-Altmeister Will Eisner, einem der einflussreichsten Comiczeichner überhaupt, der zunächst mit dem Superhelden "The Spirit" die Möglichkeiten des Comics erweiterte und später bahnbrechende Graphic Novels schuf. Andererseits sind Werke der Französin Catherine Meurisse zu sehen. Die Illustratorin arbeitete lange bei "Charlie Hebdo". Nachdem sie den Anschlag auf die Satirezeitschrift nur durch Zufall überlebt hat, wandte sie sich längeren Comic-Erzählungen zu, in denen sie den Verlust von Kollegen und Freunden verarbeitet, aber auch über ihre Kindheit und Reisen nach Japan berichtet.

Blick in die Ausstellung von Catherine Meurisse im Kunstmuseum Erlangen.

Blick in die Ausstellung von Catherine Meurisse im Kunstmuseum Erlangen.

(Foto: Markus Lippold)

Beide Werke sind sehr unterschiedlich: Da der meisterliche Strich Eisners, mit dichten Schraffuren und exzellenten Charakterstudien - und den wohl besten Regendarstellungen in der Comicgeschichte -, hier der lockere Schwung, der leichte, an Karikaturen geschulte Stil der Französin. Da die Darstellung enger New Yorker Mietskasernen und ihrer Menschen, hier die weite Landschaft aus Meurisses Kindheit, die Vielfalt der Natur, in der sie sich oft selbst darstellt. Doch zusammen ergibt das eine exzellente Schau. Fast hätte man sich gewünscht, die Bilder beider Künstler würden nebeneinanderhängen, um ihr Wechselspiel noch zu betonen.

Mit "Fix und Foxi" fing es an

Viele Comicstars von allen Kontinenten sind bereits nach Erlangen gekommen. Einen bayerischen Ministerpräsidenten gab es hier jedoch noch nicht. Der Besuch von Amtsinhaber Markus Söder ging dann am Freitagnachmittag aber auch schnell über die Bühne. In einem kurzen Gespräch mit Steffen Volkmer vom Panini-Verlag erzählte der CSU-Chef von seiner Vorliebe für das Genre. Sein erster Comic sei "Fix und Foxi" gewesen, sagte Söder. Allerdings habe seine Mutter die Leidenschaft für Comics "nicht sehr unterstützt". Zu seinen Lieblingscomics zählt er auch die Marvel-Serien "Die Fantastischen Vier", "Spider-Man" und "Die Rächer" (der damalige deutsche Titel der "Avengers").

Einen politischen Seitenhieb kann er sich dabei nicht verkneifen: "Den Destructivus treffe ich jeden Tag im Parlament", sagt Söder in Anspielung auf eine hinterlistige Figur aus dem Asterix-Band "Streit um Asterix". Und er bemängelt, dass manch ein Politiker zwar sage, "Aus großer Kraft erwächst große Verantwortung", dabei aber gar nicht wisse, woher das Zitat stamme. Söder weiß es: von Onkel Ben aus "Spider-Man". Und dann erzählt Söder noch, der immer wieder auch bei öffentlichen Auftritten mit seiner Comic-Leidenschaft kokettiert, dass er bereits 50 Lichtschwerter, die Waffe aus den "Star Wars"-Filmen, geschenkt bekommen habe. Dabei seien ihm doch Geschenke mit Comic-Bezug viel lieber.

Preise, Preise, Preise

Comic-Salon bedeutet auch Max-und-Moritz-Preis. Traditionell wird in Erlangen der wohl wichtigste deutsche Comic-Preis verliehen. Preise gibt es in neun Kategorien - und fast alle werden von Frauen gewonnen. Als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin wird Birgit Weyhe ausgezeichnet, als bester deutschsprachiger Comic "Work-Life-Balance" von Aisha Franz. Den Preis für den besten internationalen Comic bekommt die Transfrau Steven Appleby für die Superheldengeschichte "Dragman". Zum besten Sachcomic kürt die Jury "Im Spiegelsaal" der schwedischen Künstlerin Liv Strömquist, als bester Comic für Kinder wird "Trip mit Tropf" von Josephine Mark geehrt.

Der neu geschaffene Preis für das beste deutschsprachige Comic-Debüt geht gleich an drei Werke: "Melek + ich" von Lina Ehrentraut, "Pfostenloch" von Daniela Heller und "Who's the Scatman?" von Jeff Chi. Der Spezialpreis der Jury geht an den Autor und Kurator Alexander Braun, der auch die Will-Eisner-Schau gestaltet hat. Den Publikumspreis erhält "Lisa und Lio" von Daniela Schreiter. Schon zuvor bekannt geworden war, dass der Japaner Naoki Urasawa den Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk erhält. Er übersandte per Videobotschaft seinen Dank und sprach über sein weltweit gefeiertes Werk.

Quelle: ntv.de

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