
Superheldinnen sind zu Vorbildern vieler jungen Frauen geworden. Feministische Comics sind ein Schwerpunkt auf dem Comic-Salon.
(Foto: Helena Janečić)
Nach pandemiebedingter Pause findet in Erlangen wieder der Comic-Salon statt. Neben Manga, Superhelden und Comicstrips wendet er sich neuen Inhalten zu: feministischen Comics. Doch es gibt noch weit mehr als das. ntv.de stellt die Highlights vor.
Comicfans können es kaum erwarten. Nach vier langen Jahren öffnen sich wieder die Türen des Internationalen Comic-Salons in Erlangen. Das ohnehin nur alle zwei Jahre stattfindende Branchentreffen, das größte seiner Art im deutschsprachigen Raum, konnte 2020 wegen der Corona-Pandemie nur sehr verschlankt und online stattfinden. Nun gibt es ein Wiedersehen in Franken - und nach den Worten des Veranstalters, des Kulturamts der Stadt Erlangen, ist es "vielfältig wie nie zuvor".

Mehr als 25.000 Besucherinnen und Besucher werden an vier Tagen zum Comic-Salon erwartet.
(Foto: Internationaler Comic-Salon Erlangen)
Weiblich, divers und interkulturell - so präsentiert sich der Salon von Donnerstag bis Sonntag. Wie schon vor vier Jahren gruppieren sich die meisten Veranstaltungsorte um den zentralen Schlossplatz und den Schlossgarten - ein wunderbares Festival im Grünen, das für jeden etwas bietet: vom Disney-Zeichenkurs über den Cosplay-Wettbewerb bis zum Vortrag über "Selbstverkörperung als gendersensibilisierendes Reflexionstool in Comicanalyse und Comicproduktion".
Das Herzstück sind jedoch die 20 Ausstellungen im gesamten Stadtgebiet, die den Takt vorgeben und die Themen setzen. Vertieft werden diese in mehr als 200 Podiumsdiskussionen und Vorträgen, Workshops und Filmen, Lesungen und Signierstunden mit etwa 400 Künstlerinnen und Künstlern. Auf der Messe stellen sich derweil die Verlage vor, ebenso Zeichner*innen-Kollektive und grafische Studiengänge von Universitäten. Das gesamte Programm finden Sie hier.
Wo aber liegen die Schwerpunkte, welche Zeichnerinnen und Zeichner treten auf, was ist besonders beachtenswert? ntv.de stellt ein paar Highlights vor.
Weibliche und queere Comickunst
Die deutsche Comic-Szene ist ohne ihre Künstlerinnen nicht denkbar. Barbara Yelin oder Anna Haifisch, Birgit Weyhe oder Aisha Franz, Sarah Burrini oder Daniela Schreiter haben in den vergangenen Jahren die deutsche Comic-Kunst mitgestaltet und geprägt. Auch wenn Zeichnerinnen deshalb auf vergangenen Comic-Salons immer präsent waren, wird dieser Schwerpunkt in diesem Jahr besonders hervorgehoben. Etwa durch die umfangreiche Ausstellung "Vorbilder*innen - Feminismus in Comic und Illustration", in der sich 30 Künstler*innen dem titelgebenden Thema nähern.

Liv Strömquist ist eine der bekanntesten feministischen Comic-Künstlerinnen.
(Foto: Liv Strömquist / avant-verlag)
Hinzu kommen Einzelausstellungen zu Liv Strömquist, einem Star des feministischen Comics, Catherine Meurisse, die 2005 den Anschlag auf die Zeitschrift "Charlie Hebdo" nur durch Zufall überlebte, und den deutschen Künstlerinnen Birgit Weyhe, Anna Haifisch und Daniela Schreiter - Letztere thematisiert in ihren erfolgreichen Comicstrips ihren Autismus.
Zu den Höhepunkten dürften zudem das Künstlergespräch mit Strömquist zählen sowie eine Diskussion mit der preisgekrönten österreichischen Zeichnerin Uli Lust und der lateinamerikanischen Künstlerin Powerpaola. Ein besonderes Projekt hat sich eine Arbeitsgruppe vorgenommen: Sie will auf drei Treffen während des Comic-Salons Wikipedia-Einträge zu Zeichnerinnen erstellen und sie damit sichtbarer machen. Daneben weitet der Salon aber auch den Blick auf die Darstellung queerer Menschen in Comics. So gibt es ein Künstlergespräch mit Steven Appleby (in englischer Sprache), dessen Comic "Dragman" von einem Mann handelt, der Superkräfte erhält, wenn er Frauenkleider trägt.
Holocaust, Antisemitismus - und Will Eisner
Es mag kein explizierter Schwerpunkt sein, doch wie ein roter Faden zieht sich die Auseinandersetzung mit dem Holocaust und Antisemitismus durch das Programm. Dazu gehört die Ausstellung "Aber ich lebe. Den Holocaust erinnern" im Erlanger Stadtmuseum (läuft bis Ende August). Im dazugehörigen Buch, das im Juli bei Beck erscheint, zeichnen drei Künstler*innen das Leben von Menschen nach, die als Kinder den Holocaust überlebt haben. Einer von ihnen ist David Schaffer, dessen Familie 1941 nach Transnistrien deportiert wurde. Die Künstlerin Miriam Libicki hat sein Leben künstlerisch verarbeitet, beide stellen am Samstag das Projekt vor.

Meisterzeichner Will Eisner ist nicht nur für seine Darstellung von Regen bekannt.
(Foto: 2022 Will Eisner Studio Inc.)
Für jugendliche Leser*innen lohnt sich die Vorstellung des Comics "Völlig meschugge?!" (Carlsen) von Melanie Garanin und Andreas Steinhöfel, die auf einer erfolgreichen KIKA-Serie basiert. Darin geht es um drei Schüler, deren Freundschaft auf die Probe gestellt wird, als einer von ihnen von seinem Großvater einen David-Stern geschenkt bekommt, seine jüdischen Wurzeln entdeckt und fortan Hass und Hetze ausgesetzt ist. Doch wie wird sein aus Syrien geflüchteter Freund Hamid reagieren?
Ein Vortrag beleuchtet zudem, wie jüdische Künstler die Comic-Geschichte beeinflussten. Und es sind nicht wenige: die Erfinder von Superman zum Beispiel, Marvel-Genie Stan Lee oder "Asterix"-Autor René Goscinny. Und Will Eisner: Dem Wegbereiter ganzer Zeichner-Generationen ist im Kunstmuseum eine ausführliche Retrospektive mit zahlreichen Originalen gewidmet, die seinen Weg vom Superhelden "The Spirit" bis zu seinen Graphic Novels wie "Ein Vertrag mit Gott" nachzeichnet. Eine wirklich lohnenswerte Schau. Der Katalog zur Ausstellung ist bei Avant erschienen, Carlsen hat zudem Eisners letztes Buch "Das Komplott - Die wahre Geschichte der Protokolle der Weisen von Zion" neu aufgelegt.
Comics aus dem Kongo
Wie auf jedem Comic-Salon ist auch diesmal ein Land Thema eines Schwerpunkts: In der multimedialen Ausstellung "Populäre Bilder" präsentieren sich zehn Künstler*innen aus der Demokratischen Republik Kongo. Sie treten zudem auf mehreren Diskussionsrunden auf. Das Institut français präsentiert daneben die Ausstellung "Kubuni. Comics aus Afrika".
Comics für Kinder
Ein Extra-Festival ist unter dem Namen "Kinder lieben Comics!" den Kindercomics gewidmet; es läuft über die Dauer des Comic-Salons. Etliche Bücher richten sich mittlerweile an die junge Zielgruppe, Verlage wie Reprodukt, Kibitz, Egmont Bäng! oder Loewe Graphix haben entsprechende Programme entwickelt.

Wie schon vor vier Jahren schlägt das Herz des Comic-Salons im Schlossgarten.
(Foto: Internationaler Comic-Salon Erlangen / Erich Malter, 2018)
Im Erlanger ZAM - Zentrum für Austausch und Machen - gibt es nun etwa 50 Einzelveranstaltungen zum Entdecken und Mitmachen (und mit kostenlosem Eintritt). So präsentieren Künstler*innen ihre Comics, gleichzeitig sind die Kinder jedoch eingeladen, sich selbst auszuprobieren. Inspiriert von den Comics über den Geisterjäger Alan C. Wilder gibt es zudem ein Escape-Room-Abenteuer. An ältere Kinder und Jugendliche richten sich Lesungen etwa der Comic-Adaption von "Die drei ???".
Und sonst so?
Neben diesen Schwerpunkten gibt es viele Veranstaltungen und Buchveröffentlichungen, die einen Blick lohnen.
Traditionell wird auf dem Comic-Salon am Freitagabend im Markgrafentheater der Max-und-Moritz-Preis verliehen, der wichtigste Comicpreis im deutschsprachigen Raum. Es gibt 8 Kategorien und 28 nominierte Bücher, aber nur ein Gewinner steht schon fest: Der japanische Mangaka Naoki Urasawa wird mit dem Preis für ein herausragendes Lebenswerk geehrt. Ein Wermutstropfen: Er wird nicht in Erlangen sein. Sein Werk ist bei Carlsen erhältlich, zuletzt begann dort seine neue Serie "Asadora".
Neben etlichen deutschsprachigen Zeichner*innen kommen auch Stars aus dem Ausland: Émile Bravo präsentiert den Abschlussband seiner äußerst gelungenen Spirou-Reihe "Spirou oder: die Hoffnung", die die deutsche Besatzung Belgiens und den Holocaust thematisiert. Der Japaner Eldo Yoshimizu stellt sein Werk in einem Künstlergespräch vor.
Eine stärkere Auseinandersetzung auf dem Salon mit dem Krieg in der Ukraine wäre gut gewesen. Doch dafür war die Vorbereitungszeit wohl zu kurz. In Erlangen spricht allerdings die derzeit in Deutschland lebende ukrainische Illustratorin Anna Sarvira über den Krieg und ihr Exil (in englischer Sprache).
Leben im Exil - das kennt auch der bekannte türkische Journalist Can Dündar. Zusammen mit dem Künstler Mohamed Anwar zeichnet er in "Erdoğan - Eine Graphic Novel" (Verlag Correctiv) die Karriere des amtierenden Präsidenten nach, der die Türkei immer stärker in ein autoritär-islamistisches Land verwandelt. In Erlangen stellen beide das Buch vor.
Lucky Luke ist ein Dauerbrenner auf dem Comic-Salon. Mittlerweile haben sogar zwei deutsche Zeichner den Cowboy zum Leben erweckt: Mawil und Ralf König. Gemeinsam präsentieren sie am Donnerstag ihre Bücher in Erlangen. Der Verlag Egmont stellt zudem "Das große Lucky-Luke-Lexikon" vor.

Ski-ba-bop-ba-dop-bop - damit wurde Scatman John berühmt. Jeff Chi hat sein Leben zwischen Drogensucht und Erfolg nachgezeichnet.
(Foto: Jeff Chi / Zwerchfell 2022)
Und wo wir schon beim Zeichner-Nachwuchs sind: Besuchen Sie die Messehalle C, wo der Künstler*innen-Verbund Comic Solidarity viele Veranstaltungen präsentiert. Zum Beispiel liest Jeff Chi am Freitag aus seiner kürzlich bei Zwerchfell erschienenen lesenswerten Biografie "Who's the Scatman?" über Scatman John.
Schauen Sie außerdem Sonntag um 11 Uhr im Schlossgarten vorbei. Dann tritt das Orchestre Miniature in the Park auf - die Musiker spielen ihre sonnigen Popsongs auf Kinderinstrumenten. Gute Laune ist da garantiert.
Quelle: ntv.de