Rapper feiert runden GeburtstagFür Haftbefehl fängt das Leben jetzt neu an

Im vergangenen Oktober erscheint eine Doku über Haftbefehl, in der er an einigen Stellen dem Tod näher zu sein scheint als dem Leben. Doch nun ist der Rapper offenbar über den Berg und feiert seinen 40. Geburtstag voller Zuversicht.
Ein Haftbefehl machte Aykut Anhan berühmt - erst vor Gericht, dann in den Charts. Der Offenbacher mit türkisch-kurdischen Wurzeln hat sich Anfang der 2010er-Jahre aus dem Kleinkriminellen-Milieu an die Spitze der Popkultur gerappt. Am 16. Dezember 2025 feiert er seinen 40. Geburtstag.
Während viele Gangster-Rapper auf harte Pose machen, legt Haftbefehl in seiner Kunst alles offen. Zwischen Machtdemonstrationen, Statusgetue und Sexismus zeigt er auch die Brüche, die Ängste, die Zerrissenheit. Themen, die ihn seit frühesten Tagen verfolgen. Anhans Leben war im Gegensatz zu dem vieler wohlbehüteter "Gangster-Rapper" tatsächlich nie unbeschwert, sondern geprägt von familiären Tragödien, jahrzehntelanger Drogensucht und Kriminalität.
Mit 13 Jahren hält er seinen Vater vom Suizid ab, mit 14 kommt er zu spät. In dieser Zeit beginnt er, Kokain zu konsumieren. Mit 15 schmeißt er die Schule. Halt findet er weder im Glauben noch im System. Stattdessen in schnellen Geschäften: Drogenhandel, Betrug. 2006 folgt, was später sein Künstlername wird: ein Haftbefehl. Er flieht, erst nach Istanbul, dann nach Amsterdam und Arnheim in den Niederlanden. In der Fremde schreibt er zum ersten Mal ernsthaft Texte. Zurück in Offenbach eröffnet er ein Wettbüro, schmeißt eine Ausbildung zum Automechaniker hin und beginnt, sich eine ernsthafte Karriere als Rapper aufzubauen.
Eine Sprache wie die Straße
2010 erscheint sein Debüt "Azzlack Stereotyp", im selben Jahr lernt er seine spätere Frau Nina kennen, mit der er heute zwei Kinder hat. Es folgen Charterfolge wie "Blockplatin", "Russisch Roulette" oder "Das weiße Album". Haftbefehl rappt nicht über die Straße, er rappt wie die Straße - in einem Mix aus Türkisch, Kurdisch, Arabisch, Hessisch und gebrochenem Deutsch. Aus den Zeilen spricht der Alltag des Frankfurter Bahnhofsviertels, ungeschönt, dreckig und brutal. Mit seiner Sprachinnovation bringt er sogar das Feuilleton zum Jubeln.
Mit "Chabos wissen, wer der Babo ist" sorgt er 2013 schließlich für Pop-Soziologie im Klassenzimmer. Auf einmal reden auch Teenager aus gutbürgerlichen Gegenden so, wie man es sonst aus den Blocks rund um Frankfurt kennt - "Babo" wird sogar Jugendwort des Jahres. Wer damals dachte, das Ganze sei nur Provokation mit Hobbykriminellen-Flair, hat nicht verstanden, dass es um Sichtbarkeit geht. Mittlerweile kämpfen Offenbacher Schüler dafür, Haftbefehl neben Goethe im Lehrplan zu verankern. Weil "Hafti" zeigt, dass jemand aus ihrer Ecke nicht nur scheitern kann, sondern auch erzählen darf.
Kunst ohne Filter
Und das tut er ohne Filter: In "Mann im Spiegel" begegnet der gealterte Babo seinem Spiegelbild und einer traurigen Vergangenheit. "Erst die Straße, dann ein Star, dann der Fall / Wie bei deinem Vater, dem damals keiner half", rappt er darin zum reduzierten Piano. Besonders intensiv auch die fortlaufende "1999"-Songreihe, in der er seine Jugend, familiäre Traumata und den Wendepunkt seines Lebens um das Jahr 1999 herum nach dem Tod seines Vaters verarbeitet.
Dass Haftbefehls Musik nicht nur Kunst, sondern Überlebensstrategie ist, zeigt 2025 auch die Netflix-Doku "Babo: Die Haftbefehl Story". Sie präsentiert kompromisslos das volle Elend seiner Suchterkrankung, inklusive Zusammenbrüche, Überdosis, Wahnvorstellungen, zerstörter Nasenscheidewand, Selbsthass. Und weil er darauf besteht, diese Abgründe nicht herauszuschneiden, erreicht der Hype um den Rapper daraufhin einen neuen Höhepunkt.
Neuanfang mit alten Themen
Die Doku endet - und das ist auch der aktuelle Stand der Dinge - damit, dass Anhans kleiner Bruder ihn mit einer List zum Entzug zwingt. Seitdem zeigt sich der Rapper nur auf kurzen, kleinen Clubkonzerten und mit Maske. Zuletzt hatte er verkündet, clean zu sein und seinen Fans dasselbe geraten. Auch musikalisch geht Hafti neue Wege: Mit "Dünya Garip" hat er im November seinen ersten auf Türkisch gesungenen Song veröffentlicht. Das Thema allerdings ist sein altes: "Die Herzen sind arm und dunkel, welche sind rein?"
Anlässlich seines Geburtstags postet er nun ein Foto, das ihn mit Ehefrau Nina zeigt. Dazu schreibt er zuversichtlich: "Danke für all die Glückwünsche. Ein turbulentes Jahr geht zu Ende. Wie sagt man so schön: Mit 40 Jahren fängt das Leben erst richtig an."