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80 Jahre "Die Feuerzangenbowle" Hitler fragte nur, ob der Film zum Lachen ist

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"Die Feuerzangenbowle" wird zu Heinz Rühmanns wohl berühmtesten Film.

"Die Feuerzangenbowle" wird zu Heinz Rühmanns wohl berühmtesten Film.

(Foto: picture alliance/United Archives)

"Die Feuerzangenbowle" ist der Inbegriff eines deutschen Filmklassikers. Dabei entsteht der Streifen mit Heinz Rühmann mitten im Zweiten Weltkrieg. Und der Hauptdarsteller spricht im Führerhauptquartier vor, um den Film gegen Widerstände ins Kino zu bekommen.

"Ein heiterer Film" - so steht es im Vorspann von "Die Feuerzangenbowle". Doch die Umstände, unter denen der Film entsteht und vor genau 80 Jahren uraufgeführt wird, sind alles andere als lustig. Ganz im Gegenteil: Seit Jahren tobt der Zweite Weltkrieg, in dem Millionen Zivilisten und Soldaten sterben, Millionen Juden und andere Minderheiten und Andersdenkende deportiert und in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet werden. Ganze Landstriche werden völlig verwüstet.

Autorität ja, aber Scherze sind erlaubt: Pfeiffer mit Direktor Knauer, genannt "Zeus".

Autorität ja, aber Scherze sind erlaubt: Pfeiffer mit Direktor Knauer, genannt "Zeus".

(Foto: imago stock&people)

Zur Zeit der Dreharbeiten zwischen März und Juni 1943 sterben mehr als 40.000 Menschen während des Aufstands im Warschauer Ghetto. Gleichzeitig zeichnet sich die deutsche Niederlage bereits ab: Anfang 1943 kapituliert die 6. deutsche Armee in Stalingrad, die Wehrmacht zieht sich aus dem Kaukasus und Nordafrika zurück. Im September 1943 landen die Alliierten in Italien und eröffnen damit eine weitere Front. Und die Bombenangriffe auf deutsche Städte nehmen zu: Am Tag vor der Premiere der "Feuerzangenbowle" am 28. Januar 1944 in Berlin greift die Royal Air Force mit fast 400 Flugzeugen die deutsche Hauptstadt an.

"Jeder nur einen winzigen Schlock"

Was für ein Gegensatz ist diese Realität zu jenem beschaulichen Städtchen Babenberg, in dem der Film um die Wende zum 20. Jahrhundert spielt. Hierhin verschlägt es den erfolgreichen Berliner Schriftsteller Johann Pfeiffer, dargestellt von Heinz Rühmann. Äußerlich verjüngt will er die Schulzeit nachholen, die ihm als Jugendlicher wegen eines Privatlehrers verwehrt war. Er will all die Streiche erleben, die skurrilen Lehrer und die sonderbaren Rituale, von denen seine Freunde ihm bei mehreren Gläsern Feuerzangenbowle erzählt haben.

Das Originalplakat zu "Die Feuerzangenbowle".

Das Originalplakat zu "Die Feuerzangenbowle".

(Foto: picture alliance / akg-images)

Viele der aus dieser Idee entstehenden Szenen und Figuren kennt jeder Filmfan: die Vorstellung als Pfeiffer mit drei "f" - eins vor und zwei hinter dem "ei". Die Begegnung mit den Lehrern Crey, Bömmel und Brett (Erich Ponto, Paul Henckels, Lutz Götz), dem "Zeus" genannten Direktor Knauer (Hans Leibelt) samt seiner liebreizenden Tochter Eva (Karin Himboldt, die schon in "Quax, der Bruchpilot" an Rühmanns Seite spielte). Das am Schultor angebrachte Schild, dass die Schule wegen Bauarbeiten geschlossen sei. Das gespielte Besäufnis mit Heidelbeerwein - "Jeder nur einen winzigen Schlock." Und schließlich das große Finale, in dem sich Pfeiffer als Crey verkleidet und am Ende offenbart, dass all die Abenteuer nur eine Ausgeburt der Fantasie und der Feuerzangenbowle waren. Die Realität ist eine andere.

Für die Zuschauer der Premiere hat diese Rückkehr in die Realität einen bitteren Nachgeschmack, schließlich tobt dort der Krieg. Zu schön muss ihnen die Darstellung der guten, alten und vor allem friedlichen Schulzeit vorkommen. "Mal ein richtiger Junge sein, albern und ohne Sorgen", sagt Pfeiffer ganz am Anfang des Films. Das wünschen sich wohl viele in dieser Zeit. "Die Feuerzangenbowle" ist einer jener Filme, die produziert werden, um die Bevölkerung vom Schrecken des Krieges abzulenken. Er ist im Grunde Propaganda, der die nationalsozialistische Ideologie gut versteckt.

Besuch im Karzer: Rühmann als Pfeiffer - mit drei "f".

Besuch im Karzer: Rühmann als Pfeiffer - mit drei "f".

(Foto: imago stock&people)

Trotz dieses Hintergrunds entwickelt sich der Film nach dem Zweiten Weltkrieg zum Klassiker. Auch wenn es bis zur Fernsehausstrahlung 20 Jahre (DDR) beziehungsweise 25 Jahre (BRD) dauert. Immerhin sehen damals 20 Millionen Menschen den Film im ZDF. Aber das Thema hat da gerade Konjunktur: Seit 1967 laufen die sogenannten Lümmel-Filme mit Hansi Kraus und Theo Lingen im Kino. Auch sie beleben jenen Traum, den auch "Die Feuerzangenbowle" zum Thema hat: die Möglichkeit, noch einmal die vermeintlich schönste Zeit des Lebens auferstehen zu lassen, mit dem Wissen und der Erfahrung eines Erwachsenen. Diese zeitlose Idee dürfte viel zum Charme des Films beitragen.

Aber natürlich gibt es da auch noch den überaus beliebten Hauptdarsteller, für den die Figur des pfiffigen Schülers zur wohl berühmtesten Rolle wird. Rühmann ist zwar bei den Dreharbeiten bereits 41 Jahre alt, doch mit seiner jugendlichen Gestalt und dem verschmitzten, bübischen Lächeln überzeugt er auch als nicht mal halb so alter Oberprimaner.

Hitler fragt nur: "Ist dieser Film zum Lachen?"

Die Scherze der Schüler erweisen sich allerdings als überaus harmlos: ein versteckter Schuh hier, ein auf den Rücken geklebter Zettel da. Und treiben sie es mit den Lehrern doch einmal zu weit, folgen Entschuldigung und Versöhnung. Hier geht es nicht darum, Chaos zu stiften, Autoritäten nachhaltig in Frage zu stellen. Der Film bedient vielmehr die Sehnsucht nach Frieden und Harmonie. So bleiben auch die Lehrer bei aller Strenge sympathisch - ganz im Gegensatz zu den debilen Figuren in den Paukerfilmen der 1960er-Jahre.

Zu guter Letzt findet Pfeiffer sogar noch eine neue Liebe.

Zu guter Letzt findet Pfeiffer sogar noch eine neue Liebe.

(Foto: imago stock&people)

Bei allem Schabernack versteht sich der Film nach der gleichnamigen Romanvorlage von Heinrich Spoerl gar nicht als Kritik an der Schule. Vielmehr heißt es im Vorspann: "Dieser Film ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt." Nein, sie merkt es wirklich nicht. Der damalige Erziehungsminister Bernhard Rust sieht durch den Streifen die Autorität der Schule und der Lehrerschaft in Gefahr und versucht, den Kinostart des Films zu verhindern.

Rühmann, der auch als Produzent des Films fungiert, lässt daraufhin seine Beziehungen spielen. Immerhin hat er in Propagandaminister Joseph Goebbels einen Fan, der ihn in seinen Tagebüchern als "ganz großen Schauspieler" bezeichnet. Ohne Frage profitiert Rühmann von dieser Berühmtheit, etwa als er eine Sondergenehmigung für die Ehe mit der "Vierteljüdin" Hertha Feiler braucht. Andererseits spielt er auch in Filmen mit, die dem Regime dienen. So kann der Erfolgsfilm "Quax, der Bruchpilot" von 1941 - den sich auch Hitler mehr als einmal anschaut - durchaus als Werbung für die Luftwaffe gesehen werden.

Schüler Pfeiffer hat so einige Tricks auf Lager.

Schüler Pfeiffer hat so einige Tricks auf Lager.

(Foto: imago stock&people)

Diese schon beruflich bedingte Nähe zum Nationalsozialismus bringt Rühmann, der 1940 zum Staatsschauspieler ernannt wird, später Kritik ein, schadet aber nicht seiner Beliebtheit, die bis zum Tod 1994 im Alter von 92 Jahren anhält. Seine Stellung ermöglicht es ihm auch, die "Feuerzangenbowle" doch noch ins Kino zu bringen. Persönlich reist der Star nach Ostpreußen zum Führerhauptquartier. Dort übergibt er eine Kopie des Films an Hermann Göring, der ihn sich mit einigen Offizieren ansieht und danach Adolf Hitler das Problem vorträgt. Der soll nur gefragt haben, ob der Film zum Lachen sei. Als Göring dies bejaht, ergeht Hitlers Befehl: "Dann ist dieser Film sofort für das deutsche Volk freizugeben."

Gesagt, getan: Kurz darauf, am 28. Januar feiert der Streifen seine Premiere. Einige der jungen Schauspieler erleben dies allerdings nicht mehr. Sie werden nach Ende der Dreharbeiten eingezogen. Einige fallen an der Front. Es ist ein beklemmendes Gefühl, sie 80 Jahre später in einem "heiteren Film" zu sehen.

Quelle: ntv.de

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