Unterhaltung

"Dirty Dancing" wird 30 "Mein Baby gehört zu mir"

"Dirty Dancing" - ein immerjunger Filmklassiker mit Jennifer Grey und Patrick Swayze.

"Dirty Dancing" - ein immerjunger Filmklassiker mit Jennifer Grey und Patrick Swayze.

(Foto: imago/ZUMA Press)

"Ich habe eine Wassermelone getragen." Es ist einer der größten Fremdschäm-Sätze der Filmgeschichte, aber auch ein Grund, warum "Dirty Dancing" heute als Klassiker gilt. Dabei geht es um mehr als Liebe, Sex und "schmutzigen" Tanz.

Das Urteil des Lexikons des Internationalen Films ist vernichtend: "Dirty Dancing" sei ein inhaltlich und formal gleichermaßen biederer Unterhaltungsfilm. Er kombiniere leichte Anrüchigkeit mit sentimentaler Moral. Der legendäre Filmkritiker Roger Ebert sprach schlicht von einer "idiotischen" Geschichte.

Auf der anderen Seite steht einer der erfolgreichsten Filme der 80er Jahre. Ein Kultfilm, der noch heute Menschen begeistert. Und der sich ins popkulturelle Gedächtnis eingebrannt hat. Nicht zuletzt wegen Sätzen wie "Ich habe eine Wassermelone getragen" und "Mein Baby gehört zu mir" - im Original: "Nobody puts Baby in a corner."

Nun ja, die Sache mit dem Plot ist nicht so weit hergeholt: Die idealistische Frances, genannt "Baby", macht 1963 mit ihrer Familie Urlaub in einem Resort in den Catskills im Staat New York. Dort verliert sie erst ihr Herz, dann ihre Unschuld, steht aber am Ende trotz aller Widerstände mit ihrem rebellischen Johnny auf der großen Bühne. Das klingt tatsächlich nach Klischee. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn hinter "Dirty Dancing" verbirgt sich mehr als ein romantischer Liebesfilm mit mitreißender Musik und heißen Tanzszenen.

Frances' niedlicher Spitzname sollte etwa nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie die starke Figur in diesem Film ist. Anfangs ist sie zwar noch etwas naiv - aber das legt sie angesichts körpernaher Tänze und schwitzender Leiber schnell ab. Doch trotz ihres Reifeprozesses und der Abnabelung von der Familie bewahrt sie sich ihren Idealismus bis zum Happy End - und überzeugt so auch ihren Traummann.

Abtreibung und soziale Unterschiede

Das starke Auftreten der weiblichen Hauptfigur ist wohl der Drehbuchautorin geschuldet. Eleanor Bergstein teilt mit "Baby" nicht nur den Spitznamen, sondern auch die Herkunft aus einer liberalen, jüdischen Arztfamilie. In dem Streifen verarbeitete sie Erlebnisse aus ihrer eigenen Kindheit: Sommerferien in den Catskills. Dort nahm Bergstein selbst an "Dirty Dancing"-Wettbewerben teil.

Doch neben heißen Rhythmen und Liebesplänkelei brachte Bergstein noch ein paar andere Themen unter - teilweise gegen den Widerstand der Produzenten. Denn dass es in einem wichtigen Teil der Geschichte um die illegale Abtreibung eines Kurpfuschers geht, schreckte Investoren ab und kostete den Verleih einen lukrativen Promo-Vertrag. Doch Bergstein hatte das Thema so zentral in der Handlung platziert, dass man es im Nachhinein nicht mehr herausschneiden konnte, ohne den Film gänzlich zu ruinieren.

Auch soziale Unterschiede der 60er werden immer wieder aufgegriffen. Nicht nur zwischen der bürgerlichen Frances und dem schwitzenden Arbeiterkind Johnny - was sich schon im Hell-Dunkel-Kontrast ihrer Kleidung spiegelt. Auch zwischen dem Cha-Cha-Cha der wohlsituierten Urlauber und dem "schmutzigen" Tänzen des Personals liegen Welten - die freilich im großen Finale auf rührende Weise verschwimmen. Nur der snobistische Medizinstudent Robbie, der das libertäre Manifest "The Fountainhead" liest, bleibt außen vor.

Der letzte Tanz - und die Herzen schmelzen.

Der letzte Tanz - und die Herzen schmelzen.

(Foto: imago/ZUMA Press)

Womit wir bei Tanz und Musik wären, der Seele des Films. "Wer sich bei dieser Musik nicht verliebt, der hat kein Herz", heißt es schon zu Beginn von "Dirty Dancing". Tatsächlich hatten die Songs einen großen Anteil am Erfolg. Der an Ohrwürmern reiche Soundtrack, eines der meistverkauften Alben aller Zeiten, schob ein regelrechtes Oldies-Revival an. Der Hit "(I've Had) The Time Of My Life" erhielt Oscar und Golden Globe. Und die schwingenden Beine und kreisenden Hüften lösten einen Run auf Tanzstudios aus.

Frostige Stimmung am Set

Nicht zuletzt brachte der Film auch noch zwei Stars hervor: Patrick Swayze, der danach an den großen Erfolg anknüpfen konnte, und Jennifer Grey, der dies nicht gelang. Beide kannten sich schon von den Dreharbeiten zu "Die rote Flut" - wo sie sich nicht sehr gut verstanden hatten. Auch auf dem Set von "Dirty Dancing" war die Stimmung zwischen beiden - man mag es kaum glauben - eher frostig. Erst als man ihnen alte Probeaufnahmen vorspielte, bei denen sie perfekt harmoniert hatten, rissen sie sich zusammen.

Interessanterweise gibt es aber mehrere Szenen mit den beiden, in denen die Funken nur so sprühen, obwohl sie gar nicht so geplant waren. Die Szene etwa, in der sie zum Song "Lover Boy" rumalbern, war eigentlich nur zum Aufwärmen gedacht. Doch Regisseur Emile Ardolino ermutigte seine Hauptdarsteller zur Improvisation und ließ die Kamera mitlaufen. So entstand auch eine der bekanntesten Szenen, in der Johnny hinter Baby steht und seine Hand an ihrem Arm herunterfährt. Der Take, der eigentlich ernst geplant war, musste vielfach wiederholt werden, weil Grey immer wieder anfing zu kichern. Doch das ist ebenso wenig gespielt wie der zunehmend frustrierte Blick von Swayze - und wurde in den Film aufgenommen.

Vielleicht gab es diese Freiheiten nur, weil "Dirty Dancing" ein Low-Budget-Film war. Er kostete für Hollywood-Verhältnisse läppische 6 Millionen Dollar. Man verzichtete auf etablierte Stars, setzte dafür auf Newcomer und aufstrebende Darsteller. Zudem war es der erste Spielfilm des produzierenden Studios. Und das wurde vom Erfolg völlig überrumpelt - ein Produzent hatte ob der zweifelhaften Qualität noch vorgeschlagen, das Negativ zu verbrennen und die Versicherung zu kassieren. Doch es kam anders, der Film spielte 214 Millionen Dollar ein.

Das war auch der Mundpropaganda zu verdanken, die "Dirty Dancing" zum Dauerbrenner machte - und Kinogängern, die sich den Film zwei- oder dreimal ansahen. Nicht zuletzt war der Film im Ostblock äußerst beliebt, darunter in der DDR. Schließlich wurde es der erste Film, der mehr als eine Million Videokassetten absetzte. Und selbst die x-te Wiederholung im Fernsehen garantiert heute noch Quotenerfolge, selbst bei jenem Publikum, das beim Kinostart noch nicht geboren war.

"Dirty Dancing" zeigt, dass auch ein B-Film zum Superhit werden kann. Wenn er einen Nerv trifft. Wenn er mehr zu erzählen hat als eine simple Liebesgeschichte. Oder wie es der 2009 gestorbene Swayze sagte: "Er hat so viel Herz." Und er fügte an: "Es geht nicht um die Sinnlichkeit, tatsächlich geht es um Menschen, die versuchen, sich selbst zu finden." Und das ist ja immer ein aktuelles Thema.

Quelle: ntv.de

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