Klischee des dummen Blondchens Paris Hilton will mit neuer Doku ihr Image aufpolieren
14.09.2020, 21:50 Uhr
"Ich war so an missbräuchliches Verhalten gewöhnt, dass ich es für normal hielt", sagt Paris Hilton.
(Foto: imago images/ZUMA Press)
Seit Wochen schockiert Paris Hilton die Öffentlichkeit mit Horror-Storys aus ihrer Vergangenheit. Nun erscheint die Youtube-Doku über die Schattenseiten ihres It-Girl-Lebens. Es scheint, als ob die Filmemacher der als blöd stigmatisierten Blondine zu einem positiven Image verhelfen wollen.
Wochenlang wurde er mit kurzen Clips in sozialen Medien angeteasert - nun ist der Dokumentarfilm über Hotelerbin Paris Hilton auf Youtube erschienen. "This Is Paris" verspricht einen Einblick in den Alltag der 39-Jährigen und eine ungefilterte und ehrliche Perspektive auf das einstige It-Girl. Ein Jahr lang folgte ihr ein Kamerateam um die ganze Welt, um Momente festzuhalten, Interviews zu führen und nie zuvor gehörte Geschichten über die Vergangenheit der Hotelerbin zu erzählen. Aber auch nach knapp zwei Stunden ist der Sinn und Zweck dieses "Werks" noch immer nicht klar.
Das wohl Schockierendste, womit sich die Doku befasst, ist Hiltons Trauma, das sie nach eigenen Angaben mit 17 Jahren an der Provo Canyon School (PCS) erlitten hat und von dem sie innerlich noch immer wie "besessen" ist. Während die Schule behauptet, sich auf die geistige und Verhaltensentwicklung der Schüler zu konzentrieren, behauptet Paris, in der Einrichtung im US-Bundesstaat Utah verbalen, physischen und emotionalen Misshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein. Das Personal habe sie unter Drogen gesetzt, geschlagen und gewürgt - sie habe sogar 20 Stunden nackt in Einzelhaft verbringen müssen.
Hilton, die in einem strengen und konservativen Elternhaus aufwuchs, berichtet von einer "abgeschirmten" Kindheit. "Ich durfte nicht auf Dates, nicht zum Schultanz und kein Make-up tragen." Als Jugendliche rebellierte sie nach eigenen Angaben so sehr, dass sie eines Nachts von Angestellten der PCS aus ihrem Bett gerissen und in das Internat gebracht wurde. "Ich dachte, ich würde entführt", erinnert sie sich im Film. "Ich fing an, nach meiner Mutter und meinem Vater zu schreien", aber niemand sei gekommen. Diese Erfahrung sei so traumatisch, dass sie nach mehr als 20 Jahren noch immer Albträume davon hätte und Angst habe, "abends ins Bett zu gehen".
"Genf, Schweiz und Kopenhagen"
Diese schlimme Zeit in ihrem Leben prägt Hilton heute noch. So gibt sie mehrmals zu, dass das, was die Öffentlichkeit sieht, nur eine sorgfältig ausgearbeitete Rolle sei, die sie seit ihrer Reality-Sendung mit Nicole Richie, "The Simple Life", spiele. In der Show gaben sich die beiden damals 19-Jährigen Anfang der 2000er-Jahre als stinkreiche, verzogene Gören, die keine Ahnung vom Leben haben und alleine nicht fähig sind, einfachste Dinge wie das Fußbodenwischen zu meistern. Als Zuschauer fällt es trotzdem immer noch schwer, die "echte" Paris von dieser Rolle zu trennen - auch, weil sie ihre aufgesetzte, nasale Klein-Mädchen-Stimme noch immer nicht abgesetzt hat, die sie so herzzerreißend beschränkt klingen lässt.
Doch um zu bestärken, dass Paris Hilton eigentlich "total normal" und geradezu "jungenhaft" ist, kommen ihre Mutter und Schwester mehrmals zu Wort, um sie wohlwollend als "Mädchen, das gerne zu Hause ist, ein Sammelalbum macht und Reste isst" und als "eine der intelligentesten Personen, die du jemals kennenlernen wirst" beschreiben. Szenen, in denen sie das Packen eines Koffers aber maßlos überfordert, obwohl sie eine Handvoll Assistenten um sich herum hat, oder in denen sie fragwürdige Geografie-Kenntnisse von sich gibt, wenn sie erzählt, welche Länder sie als Nächstes bereisen wird ("Genf, Schweiz und Kopenhagen"), untermauern das Klischee des dummen Blondchens jedoch immer wieder aufs Neue.
Häufig erwähnt Hilton auch, dass ihr Ziel im Leben letztendlich darin besteht, eine Milliarde Dollar zu verdienen - eine Fixierung, die ihrer Meinung nach durch das Bedürfnis nach Kontrolle beeinflusst wird, das sie nach dem elfmonatigen Internatsaufenthalt entwickelt hat. Dafür nimmt sie in Kauf, mehr als 250 Tage im Jahr auf Achse zu sein, kein Privatleben zu haben und ständig gestresst und übermüdet zu sein. "Ich bereise die ganze Welt und sehe trotzdem nichts als Hotelzimmer, Clubs und Läden", bemitleidet sich die Hotelerbin in einer Tour.
"Ich wollte nur Paris sein"
Und obwohl die meisten Zuschauer in ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen sind als Paris Hilton, können sich vielleicht viele auf die eine oder andere Art und Weise mit ihr identifizieren. So beschreibt die 39-Jährige, wie ihre Eltern - die in der Doku nicht unbedingt gut wegkommen - ihr immer beigebracht haben, "immer so zu tun, als ob alles perfekt sei". "Meine Mutter wollte immer, dass ich eine Hilton bin. Aber ich wollte nur Paris sein", heißt es etwa. Schwester Nicky findet ebenso deutliche Worte: Rick und Kathy Hilton seien "der König und die Königin" darin, "alles unter den Tisch zu kehren".
Hilton sieht auch einen direkten Zusammenhang zwischen ihrer traumatischen Kindheit und den gewalttätigen Beziehungen, in die sie in ihrem späteren Leben immer wieder geriet. Von mindestens vier Ex-Partnern sei sie psychisch und physisch misshandelt worden. "Ich war so an missbräuchliches Verhalten gewöhnt, dass ich es für normal hielt." Und so ist es nicht verwunderlich, dass man bei Paris Hiltons Erzählungen unweigerlich an das Schicksal von Stars wie Britney Spears, Lindsay Lohan oder Macaulay Culkin denken muss, die von außen betrachtet das perfekte Luxusleben zu führen schienen, aber emotional noch auf dem Stand von Teenagern und seit langer Zeit unglücklich, kaputt und verbraucht sein dürften.
An vielen Stellen scheint "This Is Paris" in Hiltons Elend zu schwelgen. Es wirkt, als ob die Macher ihr endlich zu einem positiven Image verhelfen wollen. Untermauert wird das auch durch animierte Nachstellungen ihrer Albträume und schlimmen Kindheitserinnerungen. Auch sie selbst sagt, ihr Trauma sei "ein großer Grund" für die Doku gewesen - allerdings mit dem Zusatz: "Wenn ich nicht darüber spreche, wird dies auch anderen Kindern passieren." Allerdings erweckt der Film nicht den Anschein, als ob das Wohl der Kinder oder die elterliche Beratung für die Influencerin im Vordergrund stünden. Vielmehr scheint die millionenschwere Hotelerbin mit so vielen Youtube-Aufrufen wie möglich ihrem Ziel näherkommen zu wollen: eines Tages Milliardärin zu sein.
Quelle: ntv.de