"Idole von gestern" gecancelt Russisches Opernhaus lädt Netrebko aus
01.04.2022, 07:55 Uhr
Die russische Sopranistin Anna Netrebko steht nun auch in Russland in der Kritik.
(Foto: dpa)
Die Abstrafung lässt nicht lange auf sich warten. Nach ihrer Distanzierung vom Angriff auf die Ukraine sagt ein russisches Opernhaus prompt ein Konzert mit der Sopranistin Netrebko ab. Der indirekte Vorwurf: Verrat des Vaterlandes.
Nach ihrer Kritik an Russlands Krieg in der Ukraine ist die russische Sopranistin Anna Netrebko von einem Opernhaus in ihrem Heimatland ausgeladen worden. Das für den 2. Juni geplante Konzert der 50-Jährigen könne nicht stattfinden, erklärte die Oper im sibirischen Nowosibirsk. Das Opernhaus warf der in Österreich lebenden Sängerin indirekt vor, ihr Heimatland verraten zu haben.
"In Europa zu leben und die Gelegenheit zu haben, in europäischen Konzertsälen aufzutreten, hat sich als wichtiger erwiesen als das Schicksal des Vaterlandes", hieß es in der Mitteilung der Oper mit Blick auf Netrebko. "Wir dürfen keine Angst vor Kulturschaffenden haben, die ihrem Land den Rücken zukehren. Unser Land ist reich an Talenten und die Idole von gestern werden durch andere ersetzt, die eine klare staatsbürgerliche Haltung haben."
Netrebko stand seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Westen in der Kritik, weil sie als Unterstützerin von Kreml-Chef Wladimir Putin galt. Am Mittwoch distanzierte sie sich schließlich ausdrücklich von Putin und seinem Militäreinsatz in der Ukraine. "Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten", erklärte sie dazu. Netrebko versicherte in der Erklärung zugleich, sie liebe ihr Heimatland Russland. Durch ihre Kunst strebe sie "ausschließlich Frieden und Einigkeit an".
Trotz ihrer Distanzierung erklärte daraufhin die Metropolitan Opera in New York, die Zusammenarbeit mit Netrebko zumindest vorerst nicht wieder aufzunehmen. "Nach dem Lesen von Annas Mitteilung sind wir nicht darauf vorbereitet, unsere Position zu ändern", sagte der Direktor der Met, Peter Gelb. "Wenn Anna zeigt, dass sie sich ernsthaft, komplett und langfristig von Putin distanziert hat, dann wäre ich für eine Unterhaltung bereit."
Agentur trennt sich von Netrebko
Anfang März hatte Netrebko eine Auftrittspause angekündigt. Unter anderem die Bayerische Staatsoper hatte davor die Zusammenarbeit mit ihr beendet und dies auch mit einer fehlenden ausreichenden Distanzierung von Russlands Vorgehen gegen die Ukraine begründet. In der vergangenen Woche trennte sich dann Netrebkos Agentur in Deutschland von ihr.
Derzeit sehen sich viele Künstler, Sportler und andere Prominente aus Russland in dem Dilemma, dass der Westen eine Distanzierung von Putin und die Führung in Moskau eine Unterstützung ihres Vorgehens verlangen. Anfang März hatte die Stadt München den Chefdirigenten der Philharmoniker, Waleri Gergijew, wegen fehlender Distanzierung vom Kreml-Chef und dessen Militäreinsatz in der Ukraine entlassen.
Quelle: ntv.de, ghö/AFP