Filme in Zeiten der Apokalypse So wird die Berlinale
08.02.2017, 12:16 Uhr Artikel anhören
Patricia Clarkson und Bruno Ganz in "The Party" - was haben wir uns amüsiert.
(Foto: dpa)
Die Berlinale startet, endlich wieder Glamour in der Hauptstadt. In diesem Jahr allerdings haben Botschaften Vorrang vor Stars. Dabei geht es nicht zuletzt um die "alltägliche Apokalypse" - und wie man ihr entkommen kann.
Der Weltuntergang kann durchaus Witz haben - zumindest bei der 67. Berlinale, die am Donnerstag eröffnet wird. Viele Filmemacher beschrieben "die alltägliche Apokalypse", dies jedoch mit Humor "und nicht ohne Ausweg", kündigte Direktor Dieter Kosslick an - und versprach ein Programm mit Mut und Zuversicht.
Eine Art cineastischen Widerstandskampf also. Das sieht im Wettbewerb zum Beispiel so aus: Alex de la Iglesia zeigt mit "El Bar" Menschen in Terrorangst - verpackt als schwarze Komödie. Der Japaner Sabu mixt seinen Gangsterfilm "Mr. Long" mit Slapstick, das harte Überleben im Süden Chinas wird mit "Have a Nice Day" als Animationsfilm präsentiert. Und der österreichische Kabarettist und Schauspieler Josef Hader schickt in seinem Regiedebüt "Wilde Maus" einen gefeuerten Musikjournalisten auf einen skurrilen Rachefeldzug.
Außerdem im Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären, um die 18 von 24 Filmen konkurrieren, sind auch Themen wie die Wirtschaftskrise in Portugal ("Colo"), Trostlosigkeit in Kinshasa ("Felicité"), Grausamkeit in der polnischen Provinz ("Pokot"), Unterdrückung im Brasilien des 18. Jahrhunderts ("Joaquim"), ein syrischer Flüchtling in Helsinki ("Die andere Seite der Hoffnung" von Aki Kaurismäki).
Mit einigen Ausnahmen - etwa "The Dinner" mit Richard Gere und Laura Linney oder Sally Potters "The Party" mit Patricia Clarkson - macht Prominenz Platz für Politisches, Soziales, Gesellschaftskritisches.
Der Actionfilm "Logan" mit Hugh Jackman läuft außer Konkurrenz, ebenso Danny Boyles "T2 Trainspotting", "Ein Kuss von Béatrice" mit Catherine Deneuve oder "Final Portrait" über den Künstler Alberto Giacometti mit Oscar-Preisträger Geoffrey Rush. "The Queen of Spain" mit Penelope Cruz, Sally Hawkins' "Maudie" mit Ethan Hawke, Raoul Pecks "Der junge Karl Marx" mit August Diehl oder das Amazonas-Abenteuer "Die versunkene Stadt Z" mit Sienna Miller und Robert Pattinson sind im Berlinale Special zu finden.
Dass der Glamour-Faktor in diesem Jahr Luft nach oben hat, zeigt schon der Eröffnungsfilm: "Django" ist das Debüt von Étienne Comar und erzählt von dem Sinti-Gitarristen Django Reinhardt und dessen Flucht vor den Nazis. Spannende Figur, spannende Geschichte - aber kurz zur Erinnerung: 2016 posierten die Coen-Brüder mit der Hollywoodkomödie "Hail, Caesar!" und George Clooney und Channing Tatum zum Auftakt vor dem Berlinale-Palast.
Deutsche Filmindustrie kann sich feiern
Zwar werden auf dem roten Teppich unter anderem Penelope Cruz, Catherine Deneuve, Geoffrey Rush, Tilda Swinton, Richard Gere, Laura Linney, Danny Boyle, Sam Riley, Kristin Scott Thomas, Sienna Miller und Robert Pattinson erwartet. Das Kreischen um den "Twilight"-Darsteller dürfte inzwischen jedoch deutlich leiser ausfallen, Stammgäste wie Swinton sieht der Berlinale-Fan jedes Jahr - und eine Jury-Präsidentin wie Meryl Streep im Vorjahr ist kaum zu übertreffen.
Dem wichtigsten Gremium sitzt in diesem Jahr der niederländische Filmemacher Paul Verhoeven ("Robocop"“, "Elle") vor. An seiner Seite: die Schauspieler Maggy Gyllenhaal, Diego Luna und Julia Jentsch, der chinesische Regisseur Wang Quan'an, die tunesische Produzentin Dora Bouchoucha Fourati und der isländische Künstler Olafur Eliasson - der bei der Berlinale auch ein Kochbuch mit Gerichten aus der Küche seines Studios vorstellen wird.
Die hiesige Filmindustrie kann sich auf die Schulter klopfen: Drei deutsche Filme schafften es in den Wettbewerb - Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff zeigt das Drama "Rückkehr nach Montauk" mit Nina Hoss und Stellan Skarsgard, Andres Veiel den Dokumentarfilm "Beuys" und Thomas Arslan "Helle Nächte" über einen Vater-Sohn-Trip nach Norwegen. Im Berlinale Special ist Moritz Bleibtreu in "Es war einmal in Deutschland …" als Holocaust-Überlebender zu sehen. Matti Geschonneck stellt dort die DDR-Familienchronik "In Zeiten des abnehmenden Lichts" vor. Im Panorama läuft der Horrorthriller "Berlin Syndrome", in dem Max Riemelt einen Lehrer spielt, der eine australische Touristin gefangen hält.
Das Bären-Rennen könnte unterdessen deutlich spannender werden als in den vergangenen Jahren. 2016 war vorhersehbar, dass die goldene Trophäe an die Lampedusa-Flüchtlingsdoku "Seefeuer" gehen würde. Fast ebenso klar war 2015, dass "Taxi Teheran" des mit einem Berufsverbot sanktionierten Iraners Jafar Panahi als Gewinnerfilm vorgemerkt war. Der diesjährige Wettbewerb dagegen könnte bis zur Preisgala am 18. Februar mal wieder voller Überraschungen stecken. Und auch abseits des Wettbewerbsspektakels gibt es Interessantes zu entdecken: In der Sektion Berlinale Shorts ist mit "Everything" von David O’Reilly beispielsweise erstmals in der Geschichte des Festivals ein Computerspiel vertreten.
Quelle: ntv.de