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"Mein Gott, Thomas!"Abschied einer einzigartigen TV-Legende

07.12.2025, 01:24 Uhr Verena-Maria-DittrichVon Verena Maria Dittrich
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Thomas Gottschalk und Günther Jauch während der RTL-Show "Denn sie wissen nicht, was passiert". (Foto: picture alliance/dpa/RTL)

Thomas Gottschalk möchte noch ein letztes Mal für sein Publikum da sein. Günther Jauch führt ein letztes, leises Interview mit seinem Freund, jenem Mann der jetzt zum ersten Mal wirklich loslassen will. Über einen Abschied, bei dem einem dann doch plötzlich schwer ums Herz wurde.

"Ich habe die beste Zeit erlebt, die es im Fernsehen gab."
Dieser Satz von Thomas Gottschalk ist einer, der sofort hängen bleibt. Nicht nur, weil er so wahr ist, sondern weil man spürt, dass da jemand mit einer selten gewordenen Dankbarkeit auf ein Leben im Rampenlicht zurückblickt. Gottschalk sagt ihn fast nebenbei, und doch markiert er den denkwürdigen Abschied eines Mannes, der wie kaum ein anderer das deutsche Fernsehen geprägt hat.

Im Studio von "Denn sie wissen nicht, was passiert" läuft zunächst alles nach gewohnter Samstagabend-Choreografie: Späße, witzige Sticheleien und ein paar Spielchen. Gottschalk, von RTL angekündigt als jemand, der an diesem Abend "nicht viel reden" wolle, hält sich tatsächlich zurück. Er wirkt entschleunigt, fast so, als würde er dem ganzen Spektakel um seine Person einen Schritt Abstand gönnen. Man könnte ihn glatt für eine Randfigur halten, wäre da nicht diese stille Gewissheit, dass sich hier gerade eine Ära verabschiedet.

Gottschalk, Günther Jauch und Barbara Schöneberger sind ein erprobtes Team, und das Publikum weiß ohnehin: "Tommy, du bist eine Legende." Das jedenfalls steht auf den Schildern, die zu Beginn in die Höhe schießen. Standing Ovation für einen der ganz Großen.

Neben seinen Kompagnons wird ihm an diesem Abend sein Weggefährte Mike Krüger nicht von der Seite weichen. Seine Frau Karina sitzt im Publikum. Und so schauen wir den Teams rund um Giovanni Zarrella und Jörg Pilawa dabei zu, wie sie in einer Tic-Tac-Toe-Variante auf die Hilfe von jungen Mitspielern angewiesen sind, die mit "James Bond"-Darstellern offenbar wenig anfangen können - und freuen uns, als Gottschalk beiläufig "Roger Moore" einwirft.

"Ich rede da nicht so gerne drüber"

Ja, er sagt nicht viel in diesen ersten Minuten, und man fragt sich: Wie muss sich einer fühlen, der weiß, dass ihm gerade die TV-Nation zuschaut? Einer, der ahnt, wie sehr jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird. Einer, der in den letzten Jahren buchstäblich immer wieder Dresche kassiert hat - vor allem auf Social Media. Einer mit einer ganz anderen Fernsehsozialisation, der selbst angesprochen hat, wie weit sich die Welt inzwischen gedreht hat.

Und so werden zwar ein paar Spiele gespielt, aber der Zuschauer hat in Wahrheit nur Augen für Gottschalk. Geht es ihm gut? Hat er Schmerzen? Ist er vorsichtig? Nach rund anderthalb Stunden werden all diese Fragen, die ohnehin die ganze Zeit im Hintergrund wabern, beantwortet.

Sein guter Kumpel Jauch bittet den 75-Jährigen in einer Ecke des Studios zum persönlichen Gespräch, und was wir dort sehen, ist viel mehr als ein Interview: ein stiller, ehrlicher, fast privater Austausch zweier Männer, die sich seit Jahrzehnten kennen und schätzen. Als Gottschalk sagt: "Mir geht es ausgezeichnet, ich freue mich auf die Rente", ertönt Applaus, der - ohne pathetisch sein zu wollen - so klingt, als wolle er ihn tragen.

Dann wird es ernst. Jauch spricht die Krankheit an. "Es ist etwas sehr Privates, ich rede da nicht so gerne drüber", sagt Gottschalk, macht es dann aber trotzdem. Er beschreibt, dass bei ihm nicht die Prostata - wie bei Männern in seinem Alter so oft - das Problem sei, "sondern der Harnleiter". Dass man ihm im Oberschenkel sogar einen Muskel habe durchtrennen müssen, um an die Stelle zu gelangen. Dass ihn diese Operation bis heute begleitet. "Man kann nur hoffen, dass alles so bleibt", sagt er. "Ich bin ein positiver Mensch" - und daran werden auch "33 Bestrahlungen" nichts ändern.

"Dann rede ich blödes Zeug"


Auch die Debatten um Gottschalks Auftritte bei der "Bambi"- und "Romy"-Verleihung kommen zur Sprache. Gottschalk, der bereits erklärte, sich durch die Medikamente manchmal so zu fühlen, als stecke er "mit dem Kopf in einer Waschmaschine", spricht offen von "Brain Fog" (Gehirnnebel). "Dann rede ich blödes Zeug."

Es ist, wie man das von ihm kennt, entwaffnend ehrlich und nimmt dem Thema fast die Schwere, weil dieser grenzenlose Optimismus immer noch durchscheint. Nur, dass er "durch die Röhre" müsse, sei jetzt eine "ständige Unsicherheit", mit der er leben müsse. Dass die "Mehrheit des Publikums" aber hinter ihm stehe, helfe ihm sehr.

Jauch erinnert an alte Zeiten, an die Abende, an denen er nach "Wetten, dass..?" im Studio warten musste, weil Gottschalk wieder überzogen hatte - einmal sogar satte "73 Minuten". "Wie der Depp stand ich da", scherzt Günther. Gottschalk lacht und sagt: "Es musste gesagt werden, was ich zu sagen hatte." Da ist er wieder: der souverän Unangepasste.

Auf die Frage, ob es etwas gebe, das er bereue, antwortet die TV-Legende: "Gelohnt hat sich alles, ich habe jeden Mist mitgemacht." Und als Jauch wissen will, was ihn am glücklichsten gemacht hat, kommt die Antwort ohne jede Pose: "Ich habe alles, was ich gemacht habe, für die Leute getan."

Dazu passt auch eine private Anekdote, die Jauch zum Besten gibt. Vor vielen Jahren seien die beiden mal gemeinsam im Auto unterwegs gewesen, als Gottschalk aus dem Augenwinkel ein weinendes Mädchen bemerkte. Er hielt an, stieg aus, fragte, was los sei. Sie hatte Liebeskummer, und Gottschalk tröstete sie so lange, bis sie nicht mehr weinte. Kein Kameramoment, kein PR-Stück. Einfach ein Mensch, der anhielt, weil jemand weinte - oder wie Jauch sagt: "Er hat Millionen Menschen zum Lachen gebracht."

"Mein Gott, Thomas!"

Mike Krüger nennt seinen Freund Tommy "den Letzten, der es geschafft hat, die Familie am TV-Lagerfeuer zu versammeln". Sein Feuerzeug war seine Leichtigkeit. Eine Zeit, in der Unterhaltung vollkommen anders war als heute. In der man keine Angst haben musste, am nächsten Tag einen Shitstorm zu ernten. In der man auf der Showbühne einfach machen, improvisieren und freche Sprüche aus dem Ärmel schütteln konnte. Eine Zeit, in der Thomas Gottschalk in Millionen Wohnzimmern gleichzeitig und für alle da war. Er hat es immer geliebt, die Menschen zu unterhalten. Und diese Dankbarkeit spürt man. Auf beiden Seiten. Keine Kommentarspalte der Welt wird daran etwas ändern.

Als Mike Krüger für ihn seinen Kult-Song "Mein Gott, Walter!" in "Mein Gott, Thomas!" neu interpretiert, muss man mehr als einmal schlucken. Und dann, völlig unvermittelt, steht Thomas auf. Es ist 22.13 Uhr. "Rocking All Over the World" von Status Quo setzt ein, goldenes Konfetti fällt, der Entertainer steht kurz neben seiner Frau Karina - und geht. Keine letzte Abmoderation, keine einzige Minute überzogen. Es muss nichts mehr gesagt werden. Da ist nur noch ein Mann, der sich umdreht, lächelt und winkt.

Es ist ein Abend, der das Publikum nicht kalt lässt. Jörg Pilawa kämpft mit den Tränen und wischt sie sich aus dem Gesicht. Gottschalk hat wie kein anderer TV-Momente geschrieben. Das ist sein Vermächtnis. Er ist einer, der nun von der Showbühne gegangen sein mag - bleiben wird er trotzdem.

Falls Sie die Sendung im TV verpasst haben, können Sie sie auf RTL+ abrufen.

Quelle: ntv.de

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