
"Der Botaniker" warnt seine Opfer vor, aber eigentlich ist es da bereits zu spät.
(Foto: dpa)
Ein Serienkiller treibt sein Unwesen. Die Opfer sind moralisch sehr fragwürdige Menschen: Frauenhasser, Rassisten, korrupte Politiker. Die Öffentlichkeit ist zwiegespalten, die Polizei auch. Aber kriegen will sie den "Botaniker" trotzdem.
Als Polizist folgt man einem ganz einfachen Kompass: Das Gesetz gibt die Richtung vor. Egal ob reich oder arm, korrupt oder unbestechlich, linksautonom oder rechtsradikal, weiblich, männlich oder divers - liegt ein Verbrechen zugrunde, muss die Polizei ermitteln. Unparteiisch. So will es die Demokratie. Und auch wenn dieser Grundgedanke in den vergangenen Jahren in Großbritannien arg unter die Räder gekommen ist, gilt er auf der Insel und Detective Sergeant Washington Poe muss sich deshalb mit einem Serienkiller herumschlagen, der es faustdick hinter den Ohren hat.
Poe ist das Aushängeschild der englischen Series Crime Analysis Section, die Einheit der National Crime Agency, die dafür zuständig ist, Serienmörder und Vergewaltiger zur Strecke zu bringen. Er ist ein Kauz, ein Typ mit Ecken und Kanten. Aber die werden von seiner Vorgesetzten, DI Flynn, in Kauf genommen: Der Erfolg gibt Poe recht. Das Team wird zudem kongenial ergänzt von der Analystin Tilly Bradshaw, einer Art Sheldon Cooper in Polizeiuniform: hochintelligent und sozial völlig inkompetent.
Allein das sorgt für so manchen Lacher beim Leser von M. W. Cravens "Der Botaniker". Und die sind gewollt. Sie sind ein Markenzeichen der Poe-Reihe, die nun auch nach Deutschland kommt. Schwarzer britischer Humor trifft dabei auf einen Serienkiller mit Allmachtsfantasien: Er schickt seinen Opfern kurze, teilweise krude Gedichte sowie eine getrocknete Blume, bevor er sie vergiftet.
Zwei Fälle, eine Verbindung?
Für Poe ist schnell klar, dass trotz des Einsatzes von Gift hinter den Morden ein Mann stecken muss. Allerdings scheint dieser über übersinnliche Kräfte zu verfügen, denn er kann scheinbar durch Wände gehen, tötet seine Opfer, obwohl die sich bereits in Polizeischutz befinden. Ein Rätsel, das auch die Öffentlichkeit in ihren Bann zieht. Der "Botaniker", wie ihn die Yellow Press schnell nennt, sucht sich Opfer aus, die es offenbar verdient haben zu sterben: Ein Frauenhasser wird ebenso getötet wie ein absolut korrupter Politiker und eine rassistische Verschwörungstheoretikerin. Dann findet Poes Trupp einen nur auf den ersten Blick unscheinbaren Hinweis. Der Anfang ist gemacht.
Aber Poes Aufmerksamkeit wird von einem anderen Fall ebenso beansprucht: Die Pathologin Estelle Doyle wird verdächtigt, ihren Vater umgebracht zu haben. Doyle ist nicht irgendwer, sie ist Poes wahrscheinlich einzige wirkliche Freundin und so setzt er alle Hebel in Bewegung, ihre Unschuld zu beweisen. Denn dass sie unschuldig ist, ist für ihn absolut klar. Aber kann es sein, dass die beiden Fälle sogar zusammenhängen? Ist der Botaniker Poe immer einen Schritt voraus? Welche Rolle spielt ein vom Serienkiller offenbar verschontes Opfer?
Edgar, die Ziege und Poe
"Der Botaniker" ist der aktuelle Fall der Poe-Reihe von M.W. Craven. Es ist bereits das fünfte Buch über den schrulligen Ermittler und sein schräges Team, aber das erste, das auch in Deutschland erscheint. Weitere Bände der Reihe werden dem Verlag Droemer Knaur zufolge folgen - und dürften auch Bestseller werden. Prämierte zudem: "Der Botaniker" wurde aktuell als "Crime Novel oft he Year" auf der Insel ausgezeichnet. Auch die vorherigen Bücher wurden prämiert, etwa mit dem Ian Fleming Steel Award oder dem Gold Dagger Award.
Als Leser merkt man sehr schnell, dass man mit der Poe-Reihe etwas ganz Besonderes in Händen hält. Das liegt zum einen an den von Craven geschaffenen Figuren, die sofort die Herzen der Leser gewinnen und mit denen man mitfiebert, mitlacht, mitzittert. Das liegt aber auch am Autoren selbst. Craven war erst mehrere Jahre bei der Armee, dann arbeitete er als Bewährungshelfer, ehe er mit seinen Büchern erfolgreich wurde. Cravens Sozialkompetenz ist in "Der Botaniker" spürbar. Feinfühlig auf der einen Seite, Sucker Punch auf der anderen. Gesellschaftskritik wird so in schwarzen Humor verpackt, dass man als Leser gern mal über die aktuelle Lage im Land nachdenkt. Kein erhobener Zeigefinger, aber doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass in Großbritannien (und nicht nur dort) gesellschaftlich einiges vor die Wand gefahren wurde.
Als Leser zieht einen "Der Botaniker" dennoch auf die Insel. Wenn selbst ein Serienkiller, der über sein nächstes Mordopfer im Internet abstimmen lässt, irgendwie sympathisch rüberkommt, bietet das Diskussionsstoff auf vielen Ebenen. Vielschichtig ist der Plot des Buches, sind aber eben auch die Protagonisten - allen voran Washington Poe. Sein Kompass ist aber klar genordet, moralisch einwandfrei. Da - Achtung: Spoiler - können Sie Edgar oder die gebratene Ziege fragen.
Quelle: ntv.de