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Papst Benedikt XVI. wird 85 "Dieser Papst wird zurücktreten"

"Wir sind Papst": Benedikt XVI. ist seit sieben Jahren im Amt.

"Wir sind Papst": Benedikt XVI. ist seit sieben Jahren im Amt.

(Foto: dpa)

Papst Benedikt XVI. wird 85 Jahre alt. Sieben Jahre ist er nun im Amt, es ist viel geschehen in der katholischen Kirche – viel bewegt hat sich aber nicht. Der Papst-Biograf Andreas Englisch spricht mit n-tv.de über das Verhältnis des bayrischen Papstes zu seiner Kirche, seine Probleme und darüber, wie Päpste eigentlich Geburtstag feiern.

n-tv.de: Herr Englisch, Papst Benedikt XVI. wird 85. Wie feiert ein Papst seinen Geburtstag?

Andreas Englisch: Päpste feiern ihre Geburtstage ausgesprochen bescheiden. Es gibt morgens ein bisschen Geburtstagstorte, dann singen seine Mitarbeiterinnen für ihn, die in seinem Haus den Haushalt führen. Dann bekommt er von seinen beiden Sekretären noch ein kleines Geschenk, das meistens irgendetwas mit seinen Studien zu tun hat. Und dann ist auch schon Schluss.

Es war anfangs eine Horrorvorstellung für Joseph Kardinal Ratzinger, den stillen, nachdenklichen Theologen, Papst zu werden. Ist er es inzwischen gern?

Ja, das hat sich deutlich geändert. Das Hauptproblem für Joseph Ratzinger war von Anfang an, dass er unglaublich schüchtern ist. Er stand nie gerne im Mittelpunkt – für einen Papst ist das natürlich denkbar schlecht. Und das musste er überwinden. Er musste klarkommen mit dieser permanenten Anwesenheit von Medien und mit dem pausenlosen Auftreten. Und er musste lernen, auf Menschen zuzugehen; das war für ihn alles sehr schwierig. Da hat er sich deutlich geändert, das kann man gar nicht anders sagen. Es ist jetzt ein liebevoller, alter, aber wirklich guter "Hirte" geworden.

Es war auch ein schweres Erbe, das Papst Benedikt der XVI. nach dem Pontifikat Johannes Paul II. antrat, den Sie als "Jahrtausendpapst" bezeichnen. Wie schlägt sich der Deutsche?

Es war eigentlich unmöglich, neben dem Jahrtausendpapst eine halbwegs ordentliche Figur zu machen. Die katholische Kirche hatte in den letzten tausend Jahren kaum einen so großen Erfolg wie unter Karol Woityla: den Fall der Berliner Mauer. Selbst seine schlimmsten Gegner haben ihm zugestanden, dabei eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Michail Gorbatschow hat zum Beispiel immer betont: Ohne diesen Papst wäre die Mauer nie gefallen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Benedikt XVI. hat ein ganz anderes Problem als Karol Woityla, denn die Berliner Mauer steht nicht mehr. Und es gibt auch keine Verfolgung der Christen und Katholiken in Osteuropa mehr. Was ihm aufgebürdet wurde, war der Missbrauchsskandal. Und damit wird er auch in die Geschichte eingehen, denn das hat er wirklich gut gelöst.

Da gibt es auch durchaus andere Stimmen. Können Sie das begründen?

Es hat ja ganz eklatante Fälle gegeben, wie zum Beispiel bei dem Wiener Kardinal Hans Hermann Groer – ihm wurde zweifellos Missbrauch nachgewiesen. Konsequenzen gab es damals keine. Der wichtigste Schritt von Benedikt XVI. war, mit dieser Bemäntelei aufzuhören. Man kann nicht so tun, als sei nichts passiert. Ein weiterer Schritt war dann das extrem harte Vorgehen innerhalb der ganzen Kirche weltweit, dass also schon bei einem Verdachtsmoment Priester suspendiert werden und aufgeklärt werden muss. Dann kommt hinzu, dass er sich mit dem Opfern getroffen hat. Er hat darauf bestanden, den Leuten in die Augen zu sehen, deren Leben die katholische Kirche zerstört hat. Und aus meiner Sicht ist auch wichtig, dass er die Sprachregelung verändert hat. Man hat früher immer von "Opfern" gesprochen, Benedikt XVI. hat  immer von "Überlebenden" geredet, weil die Selbstmordrate bei sexuell missbrauchten Kindern und Jugendlichen bei fast 30 Prozent liegt.

Sie schreiben in Ihrem Buch über Benedikt XVI., dass es anfangs niemanden gab, der sich traute, Benedikt gegenüberzutreten und ihn auf Fehler hinzuweisen. Wie hat sich das Verhältnis zum Papst im Vatikan selbst gewandelt?

Das hat sich nicht sehr verändert. Der Kreis um Benedikt XVI. ist immer noch winzig. Und das Zweite ist: Er hat ein völlig anderes Verständnis vom Amt des Papstes als Karol Woityla. Woityla war der Boss, er hat alles entschieden. Benedikt XVI. hat unheimlich viel Macht an andere abgegeben. Und er ist keiner, der auf den Tisch haut. Er ist jemand, der die Kirche mit sehr viel Zurückhaltung regiert. Und deshalb tanzen ihm viele auf der Nase herum.

Papst-Biograf Andreas Englisch.

Papst-Biograf Andreas Englisch.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Experten haben von Anfang an gesagt, dass sich unter Benedikt XVI. nicht viel ändern wird, er gilt als sehr konservativ. Was hat sich verändert in der katholischen Kirche unter Papst Benedikt XVI.?

Es hat einen deutlichen Ruck ins Konservative gegeben. Er hat ganz klare Zeichen gegeben. Einige Beispiele wären die Mundkommunion, die unglückliche Rehabilitierung der Piusbruderschaft und die Erlaubnis der alten, lateinischen Messe. All das wäre unter Johannes Paul II. nicht möglich gewesen und ist ein klarer Schritt zurück.

Was war sein größter Fehltritt?

Das größte Problem ist, dass er viel zu wenig Macht ausübt. Er lässt die Leute um sich herum viel zu viel machen. Und dann passieren solche Pannen. Der Papst hatte zum Beispiel keine Schuld an der Rehabilitierung der Piusbrüder - da hat man ihm die Akten hingelegt und gesagt, er könne Richard Williamson rehabilitieren. Diejenigen, die damit betraut waren, haben aber noch nicht mal ins Internet geschaut, um zu sehen, wer dieser Typ überhaupt ist. Gegen den lag ein Haftbefehl aus Kanada vor. Und das Zweite ist dann, dass die Leute, die dafür verantwortlich waren, auch noch feige waren. Sie haben sich nie hingestellt und gesagt, dass sie die Schuld trifft und nicht den Papst. Da hätte Karol Woityla ohne jeden Zweifel auf den Putz gehauen, da wären auch Köpfe gerollt. Aber das passiert bei Benedikt nicht.

Was ist seine größte Errungenschaft?

Die Bewältigung des Missbrauchsskandals. Das ist auch psychologisch schwer gewesen. Jemand, der sein Leben lang gesagt und als Professor geschrieben hat, dass die Katholische Kirche das Schönste, Größte und Glorreichste ist, muss am Ende seines Lebens als Papst hingehen und sagen: Bei uns gibt es unheimlich viele Verbrecher und die haben Menschen ein Elend angetan, das ist überhaupt nicht wiedergutzumachen. Das war schon ein hartes Stück Arbeit. Zudem hat er die Rolle der Frau im Vatikan sehr gestärkt. Es gibt unter Benedikt XVI.  zum ersten Mal Chefinnen in entscheidenden Posten. Also Frauen, die nicht nur irgendwo den Kaffee bringen dürfen, sondern die Entscheidungen treffen und Chefinnen in päpstlichen Räten sind.

Benedikt XVI. ist seit sieben Jahren im Amt, er ist jetzt 85. Jahre alt. Was ist noch zu erwarten vom deutschen Papst? 

Ich glaube, dass es noch ein ganz großes Ereignis geben wird. Und das wird ein Ereignis sein, das die Kirche meiner Ansicht nach noch mehrere Jahrtausende beschäftigen wird. Ich glaube, dass dieser Papst als zweiter Papst in der Geschichte zurücktreten wird.

Das hört sich nach einer gewagten Prognose an. Warum sollte der Papst zurücktreten?

Es hat während der langen Krankheit von Johannes Paul II. innerhalb der Kirche eine große Diskussion darüber gegeben, ob ein Mann, der so krank ist, noch die Kirche leiten sollte oder nicht. Und Joseph Ratzinger hat damals immer gesagt: nein. Die Kirche braucht jemanden, der im Vollbesitz seiner Kräfte ist, sowohl geistig als auch körperlich. Jemand, der geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage ist, den kann man auch eine Kirche nicht mehr leiten lassen. Sollte der Tag kommen, an dem man Benedikt XVI. sagt, dass er damit rechnen muss, geistig oder körperlich so stark abzubauen wie das im Fall von Karol Woityla war, wird er zurücktreten. Auch wenn das für die katholische Kirche ein riesiges Problem wird, weil sie mit dieser Situation überhaupt keine Erfahrung hat.

Das gäbe aber unter Umständen enorme Probleme für die Kirche.

Ja, es ist sehr schwer, damit umzugehen. Die katholische Kirche hat in der Renaissance und auch im Mittelalter mit Gegenpäpsten, also mit mehreren Päpsten nebeneinander, extrem schlechte Erfahrungen gemacht, obwohl der Paragraf 22 des Kirchenrechtes den Rücktritt eines Papstes ausdrücklich vorsieht. Das Problem, das sich stellt, ist einfach: Nehmen wir an, ein Papst tritt zurück. Dann wird ein Nachfolger gewählt, und der entscheidet irgendetwas, was dem zurückgetretenen Papst nicht passt. Dann könnte der theoretisch sagen: Ich überleg‘s mir anders: ich bin der Papst! Und dann haben wir ein riesiges Problem.

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Mit Andreas Englisch sprach Fabian Maysenhölder

Quelle: ntv.de

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