Ölsand, Knast-Opa und Big Dealer Lesestoff für regnerische Sommertage
06.08.2023, 12:35 Uhr Artikel anhören
Mit dem richtigen Buch vergeht ein Urlaubstag wie im Flug.
(Foto: picture alliance / empics)
Bei den aktuellen Wetterverhältnissen ist es vielleicht am Strand oder Badesee eher ungemütlich. Stattdessen kann man sich mit einem Heißgetränk und ein paar Büchern einrichten. Hier kommen ein paar Leseempfehlungen aus der ntv.de-Redaktion.
Harte Arbeit in den Ölsanden
Wer an Kanada denkt, hat weite Landschaften, unberührte Natur und vielleicht ein paar starke Holzfäller in endlosen Wäldern vor Augen. Das ändert sich gründlich nach der Lektüre von "Ducks. Zwei Jahre in den Ölsanden" von Kate Beaton (Leseprobe), die dafür jüngst zwei der wichtigsten US-Comicpreise erhielt. Die Comiczeichnerin, die mit Webcomics auch in Deutschland bekannt wurde, erzählt darin von ihrer Zeit in Alberta, wo auf riesigen Flächen Ölsand abgebaut wird - eine unfassbare Umweltsünde. Für Beaton jedoch war das kurz nach der Jahrtausendwende eine gute Gelegenheit, ihre Studienschulden abzubauen, weshalb es neben ihr viele andere junge Menschen aus ländlichen Gebieten Kanadas in die abgelegenen Ölsande verschlägt.
Beaton arbeitet in dieser Männerwelt nicht auf den Ölfeldern, sondern bei der Werkzeugausgabe und im Büro. Doch auch hier begegnen ihr Sexismus, frauenfeindliche Sprüche und Gewalt, dazu Einsamkeit, Alkoholismus und unterdrückte Gefühle. Jeder und jede versucht, auf beste Weise die Isolation und harte Arbeit zu kompensieren. Subtil arbeitet Beaton das komplizierte Geflecht aus lebensfeindlicher Umgebung, belastender Tätigkeit und aggressiver Stimmung heraus. Die meist kurzen Episoden ergeben zusammengesetzt ein ehrliches, aber differenziertes Bild, das vorschnelle Verurteilungen vermeidet. Stattdessen webt sie Pointen ein, die die Umstände konterkarieren. Ihre Zeichnungen sind dabei ausgereifter als in den Webstrips, die Grau- und Blautöne betonen die eher düstere Grundstimmung, die Beaton aber immer wieder aufzulockern weiß. In den USA jedenfalls hat ihr Buch für Furore gesorgt und landete auf der Liste der Lieblingsbücher von Ex-Präsident Barack Obama - als erster Comic überhaupt. (mli)
Brandaktueller Stoff
Wenn ein Debütroman direkt in die Bestsellerlisten geht, will das etwas heißen. Gelungen ist das dem Drehbuchautor Benedikt Gollhardt mit seinem Thriller "Westwall". Der spannende und nach wie vor brandaktuelle Stoff um rechte Terroristen und politische Verschwörungen wird als Mini-Serie verfilmt und Gollhardt ausgezeichnet. Nun erscheint mit "Der Pakt" sein nächster Thriller - und auch der hat definitiv das Zeug zum Bestseller.
"Der Pakt ist ein Spin-off, eine Nebengeschichte von 'Westwall', sagt Autor Benedikt Gollhardt ntv.de. "Es ist hochspannend und steht für sich selbst. Heißt: Man muss 'Westwall' vorher nicht gelesen haben. Aber vielleicht liest man es dann danach noch", erklärt er und lacht. Ganz ehrlich: "Der Pakt" legt man als Leser erst wieder aus der Hand, wenn man durch ist! (bad)
Kriminelle Zwischenfälle im Abenteuerpark
Auf die Bestsellerlisten schafft es auch immer wieder Antti Tuomainen. Der finnische Autor ist für Liebhaber schräger, humorvoller Thriller ein Muss. Wer den "Der Kaninchen-Faktor" gelesen hat, kann nicht anders, als auch zum "Elch-Paradoxon" zu greifen. Mit "Die Biber-Methode" erscheint nun der Abschluss von Tuomainens Reihe um den Versicherungsmathematiker Henri Koskinen.
Versicherungsmathematiker klingt nach einem langweiligen Job. Allerdings ist Koskinen nun in erster Linie Betreiber eines Abenteuerparks. Der bietet Attraktionen für Groß und hauptsächlich Klein, ist nicht zu verwechseln mit einem Freizeitpark und immer wieder Ort krimineller "Zwischenfälle". Koskinen hat damit zwar nichts am Hut, wird aber immer wieder in die düsteren Machenschaften finnischer Ganoven verwickelt, muss um sein Leben fürchten und um den Bestand des Parks. Darum geht es auch im Abschluss der Trilogie.
Der vernunftgesteuerte Koskinen wagt privat einen großen Schritt: Er zieht bei seiner Freundin, der erfolgreichen Malerin Laura Helanto, ein. Und schon regiert das Chaos einer bunt zusammengewürfelten Familie. Und dann gibt es ja auch immer noch den Abenteuerpark, in dem es natürlich wieder einmal rund geht. Tuomainen liefert ein grandioses Ende seiner Koskinen-Reihe. Sehr empfehlenswert sind zudem die von Peter Lontzek gelesenen Hörbücher. (bad)
Die Faszination des Bösen
Wo wir schon bei Bestellern sind: Auf die entsprechenden Listen hat es in diesem Jahr zuverlässig auch wieder Michael Köhlmeier mit seinem aktuellen Roman geschafft. In "Frankie" erzählt er von einem Großvater-Enkel-Duo und ihrem gemeinsamen Roadtrip. Das klingt eigentlich nach einem harmonischen, vielleicht sogar nostalgischen Wohlfühl-Buch. Es ist aber eher das Gegenteil.
Der fast 14 Jahre alte Frank Thaler liebt es, für seine Mutter, Schneiderin an der Wiener Volksoper, zu kochen. Und er hasst es, Frankie genannt zu werden. Seinen Großvater schert das allerdings wenig. Gerade ist er nach 18 Jahren vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden und mischt sich nun immer mehr in das Leben von Frank ein. Und der fühlt sich von seinem dämonischen Opa gleichzeitig abgestoßen und angezogen. Als sie in einem geklauten Auto und einer geladenen Pistole auf einem Parkplatz landen, kommt es zum Showdown.
Kann sich der Enkel dem Einfluss des Opas entziehen? "Es ist die alte Geschichte von der Schönen und dem Biest, von der Unschuld und der Verführung", erklärt der Autor in einem Interview mit dem Hanser-Verlag. Ausgehend von der Frage nach der Faszination des Bösen hat Köhlmeier so etwas wie ein 200-seitiges Duell mit virtuos gezeichneten Figuren geschrieben - und überrascht seine Leserschaft immer wieder mit unvorhergesehenen Wendungen. Auch hier ist übrigens das Hörbuch ein echter Tipp, es liest der Autor selbst. (kse)
Frauen können gesetzlos
Strahlende Helden, finstere Schurken, Frauen als Beiwerk - das ist der klassische Western. Doch Bücher und Filme hinterfragen längst die Klischees dieses uramerikanischen Genres. So auch "Die Gesetzlose" von Anna North, erschienen bei Eichborn. Die Autorin entwirft in dem Roman eine alternative Geschichte der USA: Durch eine Grippewelle in den 1890ern wurde die Bevölkerung massiv reduziert. In der Folge werden Frauen vor allem nach ihrer Gebärfähigkeit bewertet. Wer keine Kinder zur Welt bringen kann, wird verstoßen - oder gehängt.
So ergeht es Ada, die eigentlich ihrer Mutter als Hebamme nachfolgen will. Doch ihre Ehe bleibt kinderlos, der Mann verjagt sie, schließlich wird ihr vorgeworfen, eine andere Frau verhext zu haben. Ada flieht und landet bei der "Hole in the Wall Gang". Die gab es wirklich, ihre berühmtesten Mitglieder waren Butch Cassidy und The Sundance Kid. Bei North aber ist die Gang eine Gruppe verstoßener Frauen, die sich an der Gesellschaft rächt, indem sie als Männer verkleidet Vieh stiehlt oder Kutschen ausraubt.
Auf den Kopf gestellte Geschlechterrollen bestimmen dieses Buch, das von einer anfangs unsicheren, aber stets charmanten Protagonistin getragen wird. North erzählt in schnörkellosen Sätzen, doch immer detailreich und mit viel Empathie für die Gangmitglieder. Auf den feministischen Zeigefinger verzichtet sie, allerdings wirkt die Geschichte mitunter etwas naiv. Es hätte den Kniff der Alternativwelt gar nicht gebraucht, um von starken Frauen im Wilden Westen zu erzählen. Das Buch ist dort am stärksten, wo sich die Frauen nicht wie Männer verhalten müssen, sondern die Härten ihrer Umgebung mit Mut und Gelassenheit begegnen. (mli)
Die Polizei und der "Big Dealer"
Ein Buch, was man als Leser nicht wieder aus der Hand legen will, ist "Corruption" von Don Winslow. Ein atemloser Cop-Thriller um Drogen, Waffen, Macht, politische Ränkespiele, Familie, Freundschaft - und eben Korruption. Malone ist NYPD-Detective bei der "Force", einer Spezialeinheit, die alles darf. Das Gesetz scheint für sie nicht zu gelten. Das macht Malone und seine Buddys aber nicht unsympathisch. Im Gegenteil: Nimmt man einen Big Dealer fest, holt er sich die besten Anwälte und ist schneller wieder auf freiem Fuß, als man "Crack" sagen kann. Und dann geht das Dealen und Sterben weiter. Malone erschießt den "Big Dealer", richtet ihn. Er muss damit leben, er kann damit leben.
Aber irgendwann sind seine 15 Minuten Ruhm vorbei. Der "Hero Cop" wird an den Pranger gestellt. Er muss sich entscheiden: Verrät er seine Kollegen und wird zur Ratte? Schützt er damit seine Familie? Gibt er den Feigling und begeht Selbstmord? "Corruption" ist voller Tempo und Spannung und erinnert an Martin Scorseses Meisterwerk "Departed" genauso wie an Mario Puzos "Paten"-Reihe - nur dass die Polizei diesmal die Mafia gibt. (bad)
Auf Herz und Beine hören
Dan Martin ist einer der letzten Romantiker des Radsports. Von 2008 bis 2021 fuhr der Ire die Tour de France und zahllose Klassikerrennen. Er ist im Peloton und bei den Fans gleichermaßen beliebt. Er gilt als sympathischer Kletterer, der auf Wattzahlen und berechnendes Kalkül pfeift. Stattdessen hört er auf sein Herz und seine Beine. Kette rechts. Ein Instinktfahrer, einer der letzten.
"Von Pandabären verfolgt" ist nicht die x-beliebige Geschichte eines Radsportlers, der seine Karriere beendet hat. Es ist vielmehr Martins persönliche Story, die Geschichte eines Menschen, der den Radsport zwar liebt, auch das Leben, Frau und Familie. Es geht um Ecken und Kanten, Highlights und Tiefpunkte - und um eine obsessive Beziehung zu einem mysteriösen Pandabären. (bad)
Quelle: ntv.de