Bücher

Marina Buzunashvilli, die Bossin "Ich habe nie gedacht, dass ich stolz sein kann"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Die Marina ist die Bossin - und basta.

Die Marina ist die Bossin - und basta.

(Foto: Marina Buzunashvilli)

Sie ist "Die Bossin" - Marina Buzunashvilli. Herrlicher Titel. Mit ntv.de spricht Buzunashvilli über ihr Buch und erzählt, wie es dazu kam.

Klein, zart und ungeschminkt kommt sie in ein Café in der Potsdamer Straße, sie hatte Termine außerhalb, deswegen zieht sie einen riesigen Rollkoffer hinter sich her, der mehr mit ihr unterwegs zu sein scheint als sie mit ihm. Aber sie ist nicht nur klein und zart, sie ist auch sehr stark. "Ich bekomme so tolle Nachrichten. Von Menschen, die sich auch wie Underdogs fühlen, die ebenfalls aus schwierigen Familienverhältnissen kommen und Träume haben", erzählt sie lächelnd. Dass andere ihr Buch lesen und ihr schreiben, das ist krass für sie: "Sie teilen ihre Geschichten mit mir, wahrscheinlich, weil ich so brutal ehrlich bin."

Besser hätte sie es sich gar nicht wünschen können, sagt sie: "Ich habe eher damit gerechnet, dass die Leute meine Geschichte gar nicht hören wollen. Es war nicht so, dass ich irgendwann aufgewacht bin und dachte, ich muss jetzt dringend ein Buch schreiben. Ich habe einen Anruf bekommen, vom Verlag. Mein Verleger kannte mich schon. Er hat mich gefragt, ob ich nicht ein Buch über meine Regeln schreiben will. Ganz ehrlich, wenn man so sein Ding macht, dann denkt man nicht täglich darüber nach, ob man 20 Regeln hat, die man eventuell weitergeben könnte. Sondern man macht einfach."

Sie hat 20 Rules - und die funktionieren.

Sie hat 20 Rules - und die funktionieren.

(Foto: Marina Buzunashvilli)

Einfach machen - das ist ihr Motto. Und jetzt hat Marina Buzunashvilli nicht nur ihre 20 Rules aufgeschrieben, sondern auch ihren Schmerz in Worte gepackt. All die schlechten Zeiten, aber auch die guten. Buzunashvilli gilt als eine der einflussreichsten Größen im deutschen Musikbusiness, ihr Weg an die Spitze aber war alles andere als leicht. Aufgewachsen in Kreuzberg mit aserbaidschanischen Wurzeln, war ihr Umfeld geprägt von Gewalt und Verbrechen. Einzig ihre Liebe zur Musik ermöglichte ihr den Aufstieg gegen alle Widerstände. Marina war unter anderem Director of PR bei Sony Music Germany, maßgeblich daran beteiligt, den Deutschrap von Kool Savas, Xatar oder Haftbefehl großzumachen und arbeitet mit Künstlern wie Robbie Williams und Adele zusammen, inzwischen wieder selbstständig. Ihr Buch führt den Leser hinter die Kulissen des Musikgeschäfts, aber auch in ihr Innerstes. Außerdem ist "Die Bossin" ein Leitfaden für alle, die ein erfolgreiches, selbstbestimmtes Leben führen wollen, egal, was andere davon halten! Mit ihren 20 Rules wurde Marina nicht geboren, sie hat sie sich hart erarbeitet.

The Boss 2.0

Sie hätte nie gedacht, dass das für andere interessant sein könnte, erzählt sie ntv.de. Ist es aber. Wie die meisten Künstler und Kreativen hat auch Buzunashvilli nicht gedacht, dass ihre Biografie für andere wichtig sein könnte. Aber Künstler zweifeln ja oft an sich. Die echten Geschichten sind jedoch die besten, die meisten kann man sich so gut gar nicht ausdenken. Oberflächlich betrachtet lief ja auch alles rund im Leben der Managerin: Schon ewig im Musikbusiness, verschiedene Stationen, mal angestellt bei großen Labels, mal selbstständig, aber immer auf den besten Events, mit den angesagtesten Musikern oder Sängerinnen unterwegs - läuft. Doch ganz so glänzend war es dann eben nicht.

Deswegen jetzt ihre eigene Version: "Ich habe mich immer so stark für die Persönlichkeiten von Menschen interessiert, ihre Geschichten. Ich habe 20 Jahre nichts anderes gemacht, als mir die Geschichten - ob jetzt als Song oder als Story - von anderen anzugucken oder anzuhören, und die dann nach außen zu tragen." Mit ihren Künstlern hat sie sich immer verbunden gefühlt, "aber es war ja nie meine Geschichte. Ich war nie im Vordergrund". Sie war - und ist, die Stimme für andere. Doch jetzt, mit "Die Bossin", eben auch endlich mal für sich selbst. Diesen Prozess zu sagen, es ist okay, ich habe auch das Recht, meine Geschichten zu erzählen, fand sie schwierig. "Das habe ich mir verwehrt. Und damit kämpfe ich immer noch ein wenig." Vor allem dann, wenn andere über sie schreiben. Sie lacht: "Ich zucke dann immer zusammen, weil ich mich ja gar nicht so sehe!"

Ohne Maske. Nie wieder!

Ohne Maske. Nie wieder!

(Foto: Marina Buzunashvilli)


Deshalb kennt man mich

Aber sie ist nunmal die Bossin. Und "die Marina". Ein bunter Hund in der Branche, jeder kennt sie. Das wirkt schon sehr selbstbewusst. Im Gegensatz zu dem, was zwischen manchen Zeilen geschrieben steht. "Die Marina, die muss so sein. Das war ja eine Art Überlebensinstinkt. Die war in dieser Szene jemand", erzählt sie und lacht. "Die Marina" - die musste ihren Nachnamen nicht einmal nennen. "Aber nicht, weil sie so cool war oder so toll oder so beliebt, sondern weil ihre Taten und ihre harte Arbeit dafür gesprochen haben." Und so sehr sie auch ihre Zweifel hatte - und hat - sie hat sich alles hart erarbeitet und wusste, es ist okay. "Deshalb kennt man mich."

Dennoch war es eine Art Doppelleben: "Den ganzen Tag bist du stark, und dann gehst du nach Hause und weinst." Sie konnte sich nicht richtig über ihre Erfolge freuen, weil sie es sich einfach nicht erlaubt hat. Und sie war viel zu hart zu sich selbst. Aber am nächsten Tag geht es weiter, Maske aufsetzen und los. "Und irgendwann habe ich diese Maske nicht mehr tragen können, weil ich einfach zerbrochen bin daran. Ich wollte auch, offen gestanden, gar nicht mehr so gesehen werden, weil ich dachte: Was bin ich für ein Vorbild? Wenn Menschen, die genauso struggeln wie ich, denken, dass man eine eiserne Panzerhaut braucht, um erfolgreich zu sein, dann lüge ich die ja an. Und dann gehe ich nach Hause und habe den ganzen Tag gelogen."

Passion und Pitbull

Dabei ist Schwäche zuzulassen doch eine große Stärke. Perfekte Menschen gibt es nicht, und wenn einem eine oder einer das vorgaukeln will, dann ist das schade. Und langweilig. Niemand ist perfekt, niemand geht ohne Probleme durchs Leben. Aber natürlich will man auch nicht konstant denken, dass man selbst unzulänglich ist. Marina Buzunashvilli arbeitet meist mit jungen Teams zusammen, und die Vorstellung, denen immerzu vorzugaukeln, alles sei easy, alles sei kein Problem, obwohl die Struggle haben, "da spüren die einen vollkommen überflüssigen Druck. Die haben auch Ängste, und die müssen erst recht lernen. Die müssen lernen, sich über ihre eigenen Erfolge zu freuen, sich zu pushen." Und sie fügt hinzu: " Weißt du, wir werden alle nicht reich in der Branche, in der wir arbeiten. Da geht es wirklich um Passion und Leidenschaft. Und wenn man dann was vorgaukelt, dann fühlt man sich wie ein Loser. Ich kenne das Gefühl. Immer wirken andere so viel glücklicher und zufriedener als man selbst, haben alles, wissen alles, können alles. Ich war noch nie neidisch auf materielle Dinge. Aber neidisch auf das Selbstbewusstsein der anderen."

"Über mich hat man immer gesagt: Der Pitbull, die Krasse, die Starke. Und ich habe das früher gefeiert. Aber mir ist lieber, die Leute wissen, dass ich auch mal heule und ängstlich bin. Und dafür sind die Menschen in meiner Umgebung dann auch ehrlich zu mir." Früher hat sich Marina Buzunashvilli gefragt, wer denn mit mir befreundet sein oder wirklich mit mir zusammenarbeiten will, wenn man ihre Schwächen kennt. "Wer hält mich dann für stark und traut mir was zu?"

"Ich war ein Arschloch"

Sie hatte Angst davor, beiseite gepackt zu werden. Aber in der heutigen Gesellschaft haben viele Menschen mentale Probleme, mentale Erkrankungen. "Ich will einfach nicht, dass die Leute denken, dass sie Aliens sind. MusikerInnen sind übrigens diejenigen, die sich über ihre Schwächen und Fehler durch ihre Musik äußern. Die aus dem, was sie sind und erlebt haben, ihre Kreativität ziehen und verkaufen."

Ein so offenes und ehrliches Buch zu schreiben, das ist natürlich nicht jedermanns Sache. Niemand muss so schonungslos sein wie die Autorin. "Aber wenn die merken, dass jemand anders offen ist, dann hilft es vielleicht. Denn genauso haben KünstlerInnen mir geholfen." Etwas preisgeben und auch mal die Hosen runterlassen und sagen: "Ey, ich war auch mal ein Arschloch. So wie Sido", sagt sie lachend, " der ja bei seinem letzten Album ganz klar Kante gezeigt hat. Das spricht mir so aus der Seele."

Nie wieder eine Maske

Wenn man Marinas Geschichte liest, denkt man sich an manchen Stellen schon "Holla, jetzt ist aber mal gut, was kommt denn jetzt noch alles?" Denn es ist hart, es ist immer wieder hart. Das ist kein leichter Ritt. Auf der anderen Seite aber dann das Wissen, dass gerade diese Dinge sie zu der gemacht haben, die sie nun ist. Und sie ist glücklich, so wie sie ist. Sie hat eine Wahlfamilie, einen tollen Mann, sie liebt ihren Job, sie liebt ihre Stadt, sie geht auf Preisverleihungen, erfährt Anerkennung, sie lebt von dem, was sie tut. Das macht doch alles zufrieden, oder?

"Ich fühle mich freier, auf jeden Fall. Einfach, weil ich das Gefühl habe, ich muss nie wieder eine Maske tragen. Ich muss nie wieder lügen. Ich schäme mich nie wieder. Ich will mich auch nicht schämen, nicht wegen meiner Familiengeschichte oder irgendetwas anderem. Weißt du, ich hab' schon öfter zu meinem Mann gesagt: 'Manchmal denke ich, wenn ich das lesen würde, würde ich das überhaupt glauben?' Aber es ist meine Geschichte. Was habe ich mich früher dafür geschämt, und all diese negativen Gedanken mitgetragen. Ich habe das Gefühl, jetzt, wo alle alles wissen, die es lesen, brauche ich das nie wieder zu fühlen."

Das innere Kind in ihr hat oft gedacht: Warum ich? "Aber jetzt zu wissen, hey, nein, ich bin nicht alleine. Ich bin eine Erfolgsgeschichte. Diesen Überlebensinstinkt, den viele Menschen haben, den teilen wir miteinander." Was sagen andere, die in dem Buch vorkommen und sich erkennen? Marina lacht: "Also, ich habe es mir witzigerweise leichter vorgestellt. Ich dachte, das ist gar kein Problem. Ich habe aber am Anfang schon gesagt, wenn ich es mache, bin ich brutal ehrlich. Also entweder ganz oder gar nicht. Weil so eine verschachtelte Geschichte über Erfolg und wie toll alles ist, das mache ich nicht. Mitten in dem Prozess war es schon sehr kompliziert, weil ich gemerkt habe, dass ich noch sehr viele Traumata habe." Ihre Mit-Autorin Nina Sternburg hat sie sich auch deshalb ausgesucht, weil sie wusste, "das ist keine Person, die Mitleid mit mir haben wird. Das wird auf Augenhöhe passieren. Aber ich habe trotzdem in ihren Augen manchmal gesehen, dass sie gedacht hat: 'Oh mein Gott. Oh mein Gott, warum?' Weil da so viel Schmerz hochgekommen ist. Oft habe ich gedacht, das kann ich gar nicht aufschreiben, weil ich es mir selbst nicht glauben würde. Aber es ist total wahr. Es ist wirklich genau so passiert. Ich habe viel geweint."

ANZEIGE
Die Bossin: Von der Hood an die Spitze des Musikbusiness - Mein Weg zum Erfolg in 20 Rules
18
18,00 €
Zum Angebot bei amazon.de

Sie hat ihren Mann gefragt, wann "das" endlich vorbei ist. Was genau? "Wann es vorbei ist, dass ich Angst habe, dass es mir gut gehen könnte." Er nimmt sie dann in den Arm. "Und Nina hat mich sehr gut aufgefangen, muss ich sagen. Es war sehr, sehr einfach mit ihr. "

Immer auf ihr rumgehackt

Wer ein richtig authentisches Marina-Feeling haben will, der nimmt das Hörbuch, das hat sie selbst eingesprochen. "Das war noch mal eine absolute Hölle, weil ich so wütend war: Wütend mit meinen Eltern, wütend auf die erwachsene Marina, die gar nichts dafür kann. Wütend, weil ich das Gefühl hatte, ich habe mich nie bei mir selbst entschuldigt, nie gedacht, dass ich stolz sein kann. Im Gegenteil - ich habe immer auf dieser Marina rumgehackt."

"Die Bossin" ist eine absolute Empfehlung für alle, denen es ähnlich geht oder gegangen ist, die sich fragen, warum sie so sind wie sie sind, die mit ihren Eltern nicht klarkamen oder umgekehrt. Es geht ums Verzeihen, sich und anderen. Und jetzt ist Weihnachten. Das ist die beste Zeit, sich zu verzeihen und anderen ein tiefgehendes Buch zu schenken, ohne dass es ein üblicher Ratgeber ist. Das Gespräch mit Marina war lang, leider unmöglich, in Gänze hier abzubilden. Denn jeder Satz, den sie sagt, wäre es wert, gedruckt zu werden.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen