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"Da bist du ja" Salman Rushdie nähert sich seinem Attentäter

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1989 verlangt Irans Regime die Tötung von Salman Rushdie, sein Buch "Satanische Verse" missfällt den Mullahs. Über 30 Jahre später will ein 24-Jähriger der Aufforderung Folge leisten, greift Rushdie mit einem Messer an und verletzt ihn schwer. Rushdie versucht herauszufinden, was den Mann antrieb.

"Als ich nun die mordlüsterne Gestalt auf mich zustürzen sah, war mein erster Gedanke: Da bist du ja. Du bist es also." - Auszug aus "Knife"

Im August 2022, mehr als 30 Jahre, nachdem Ajatollah Ruholla Chomeini über ihn wegen der "Satanischen Verse" eine Fatwa ausgesprochen hat, wird Salman Rushdie während einer Lesung mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Der Attentäter hatte zuvor kaum zwei Seiten aus den Büchern von Rushdie gelesen. Ein paar YouTube-Filme reichten ihm, um zu beschließen, dass der Mann, den er dort sah, unredlich sei und es nicht verdiene, zu leben. Kein überzeugendes Motiv, keines, das Rushdies Leser dem Autor bei einer fiktiven Figur abgenommen hätten. Also beschließt Rushdie ein Buch zu schreiben, das ihm helfen soll, zu verstehen, worum es eigentlich ging.

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In "Knife" beschreibt der Bestsellerautor seine lange und mühsame Genesung nach dem Mordversuch in allen Details, auch den verstörenden. Dass er in Interviews immer wieder gefragt wird, ob er gestärkt aus dem Vorfall hervorgegangen sei, wirkt da noch absurder. Ein 75 Jahre alter Mann, der auf einem Auge erblindet ist, die volle Funktionsfähigkeit der linken Hand verloren und noch etliche andere Einschränkungen den vielen, wenn auch nicht tödlichen Messerstichen zu verdanken hat: "Wie könnte ich gestärkt sein?" Weil reale Gespräche nicht möglich sind, versucht Rushdie sich in fiktiven Dialogen seinem Attentäter zu nähern. Aber was, wenn es nichts zu verstehen gibt?

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Neben den physischen Schmerzen leidet Rushdie auch darunter, dass er zwar mehr als 20 erfolgreiche Bücher nach den "Satanischen Versen" geschrieben hat, sein Name nun aber wieder vor allem mit dem Roman von damals, dem Todesurteil des iranischen Regimes und den vielen Jahren, die er deswegen versteckt leben musste, in Verbindung gebracht wird. Ein Anachronismus, ein mörderischer Geist aus der Vergangenheit, hat ihn heimgesucht.

Der Rushdie - und der Salman

Rushdie muss wieder Security in Anspruch nehmen, auch weil Paparazzi seiner Familie auflauern. Hinzu kommen die hohen Kosten seiner Krankenhausbehandlung. Immer wieder kehren seine Gedanken daher zurück zum Vorabend des Attentats - als der Autor einfach ein glücklicher, verliebter Mann war, der gerade seinen jüngsten Roman fertiggestellt hatte und sich nur in Chautauqua im Südwesten des Bundesstaats New York, aufhielt, weil er an einer Veranstaltung zur Gründung sicherer Orte in Amerika für Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus fremden Ländern teilnehmen wollte. Ausgerechnet.

Mit seiner Frau, der Poetin Rachel Eliza Griffiths, und Schauspieler Ulrich Matthes im Deutschen Theater bei der Vorstellung seines Buches am 16. Mai.

Mit seiner Frau, der Poetin Rachel Eliza Griffiths, und Schauspieler Ulrich Matthes im Deutschen Theater bei der Vorstellung seines Buches am 16. Mai.

(Foto: REUTERS)

Rushdie erzählt die grausamen Geschehnisse fantasiereich, assoziativ, mit unzähligen Verweisen auf Literatur, Film, Kunst und Religion. Und natürlich die Liebe. Immer wieder die Liebe zu seiner jungen Ehefrau Rachel Eliza Griffiths, die Poetin, Fotografin, Künstlerin, die er erst 2021 geheiratet hat. Ja, es ist eine gehörige Prise Kitsch, die Rushdie da über seine Gedanken zum Mordversuch streuselt. Oder eine Atempause, bevor der Gedanke sackt, dass sich in der heutigen Welt keiner mehr erlauben kann, sich alleine auf das private Glück zu konzentrieren.

"Es gibt den erfundenen Rushdie, den Dämon, (...) von dem A. glaubte, ihn wolle er töten. Dann ist da noch der Partylöwe Rushdie. Und seit dem 12. August gibt es noch den "guten Rushdie", (...) den Beinahe-Märtyrer, eine Ikone der freien Meinungsäußerung. Alle verbindet nur wenig mit dem Salman, der zu Hause hockt, (...) der sich bemüht, mit dem klarzukommen, was ihm passiert ist. Falls das Schicksal mich in eine Art tugendsame, freiheitsliebende Barbiepuppe verwandelt hat, in einen Rushdie der Meinungsfreiheit, dann will ich dieses Schicksal annehmen." - Auszug aus "Knife"

Quelle: ntv.de

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