Scheels "Schlussakkord" Whitney, Michael, Bob, wir vergessen euch nicht


Das Scheinwerferlicht ist gnadenlos. Whitney Houston liebte und hasste es gleichzeitig.
(Foto: dapd)
Ein Buch wie die Titanic - man weiß, wie es endet. Und trotzdem so spannend, denn der Journalist und Musiker Ingo Scheel beschreibt die Protagonisten in seinem Buch mit so viel Kenntnis, Verständnis und auch Gefühl, dass der geneigte Leser auf jeden Fall einige Aha-Erlebnisse haben wird.
Als Whitney Houston starb, war das ganz sicher einer der traurigsten Tage für alle, die ihre Musik liebten und auch für die, die einfach nur wussten, dass sie im Musikbusiness eine der größten Ausnahmeerscheinungen aller Zeiten war. Insgesamt traurig, wenn ein Mensch, eine Mutter, eine schöne Frau, ein Talent, eine Freundin, eine Tochter mit nur 48 Jahren stirbt. Unter nach wie vor recht ominösen Umständen.
Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie Whitney Houston in mein Leben trat: mit der Urgewalt, die man vielleicht nur fühlen kann, wenn man Teenager ist. Wenn die Urgewalt ähnlich alt ist, zum Beispiel. Dieses Plattencover! Eine Göttin! Ihr Kleid! Ein ähnliches (haha, dachte ich) trug ich zu meiner Abifeier. Auf der Rückseite des Albums dann Whitney in einem weißen Badeanzug. Musste man haben damals, sofort.
Sie sang, etwas altklug, von der Liebe, ich wusste bislang nicht wirklich, was sie meinen könnte. Außer, dass ich nicht bereit gewesen wäre, meine ganze Liebe, und das war viel, an einen verheirateten Mann zu verschwenden, wie sie es in "Saving all my Love for you" besang: "'Cause tonight is the night for feeling alright / We'll be making love the whole night through / So I'm saving all my love / Yes, I'm saving all my love for you …"
So f***ing ungerecht
Schön und gut, aber im Morgengrauen dann verpisst sich der Geliebte wieder in Richtung Ehebett und bringt die Kinder brav zur Schule. Unattraktiv. In diesem Punkt waren Whitney und ich gänzlich anders gepolt. Ihre Musik begleitete mich trotzdem, bis sie 2012 starb. Und auch danach. Ihr Verfall schmerzte mich, ich fragte mich, ob sie keine Freunde hatte. Konnte niemand sie retten? Am Tag nach ihrem Tod gingen die Grammys über die Bühne, fast wie immer, außer dass man der "Sister" partiell tränenreich gedachte. Dass ihre Tochter Bobbi Kristina auch bald sterben und der Ex-Ehemann, Vater und Vollidiot Bobby Brown als einziger, mit einer Schar weiterer Kinder, die er in die Welt setzte, übrig bleiben würde, ist so f*** ing ungerecht.
Aber das ist nicht die einzige Ungerechtigkeit, über die Ingo Scheel in seinem Buch "Schlussakkord. Wie Musiklegenden für immer verstummten" schreibt. In seinem Debüt erzählt der Hamburger Journalist, Radiomoderator und Musiker die Geschichten jener Legenden, die die Leben so vieler Menschen verschönert haben. Die meisten dieser Legenden starben zu früh. Hinterließen Lücken.
Aufstieg, Karriere, Absturz
Einige dieser Lücken stopft Scheel nun und erzählt von Beginn, Aufstieg, Karriere, von Verfall oder Absturz: Michael Hutchence, John Lennon, Kurt Cobain, Amy Winehouse, Bob Marley – ich erinnere mich an jeden einzelnen von ihnen, und auch an die Nachricht ihres Todes. So, als wär's gestern gewesen.
Wer sich nicht so gut erinnern kann, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt: Glauben Sie mir, es ist von einem geschrieben, der sich mit Musik auskennt. Ich warte auf die Fortsetzung, denn ich bin gespannt, was Scheel noch für Geschichten zum Tod der Legenden David Bowie, Prince, Michael Jackson oder George Michael erzählen wird.
Ingo Scheel schreibt auch für ntv.de - vor allem TV-Besprechungen von "Polizeiruf" und "Tatort".
Quelle: ntv.de