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Bunte Idylle oder pures Chaos? Wie Patchworkfamilien glücklich werden

So idyllisch ist Familienleben selten.

So idyllisch ist Familienleben selten.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn eine Beziehung mit Kindern scheitert, ist das nicht das Ende der Welt. Mütter und Väter können neue Partner finden, bekommen vielleicht weitere Kinder. Doch wer Patchwork lebt, muss viele Klippen meistern.

Ihren Namen haben sie von den bunten Decken, die sich aus zahlreichen verschiedenfarbigen Stoffflicken zusammensetzen: Genauso ist es auch bei den Patchworkfamilien. Eine Mama mit ihren Kindern aus einer vorherigen Beziehung tut sich mit einem Papa und seinen Kindern zusammen, vielleicht bekommen sie sogar noch gemeinsamen Nachwuchs. Es ist der zweite oder vielleicht dritte Anlauf zur Familiengründung und eine große Herausforderung, die allen Beteiligten viel abverlangt. Sonst wird am Ende statt einer warmen Familiendecke nur ein mehr recht als schlecht genähtes Flickwerk daraus.

Claudia Starke und Thomas Hess beraten seit Jahren Patchworkfamilien. Zu den erfahrenen Familientherapeuten kommen verzweifelte Stiefmütter, die plötzlich merken, dass zwischen ihnen und ihren Stiefkindern Hassgefühle entstanden sind oder Stiefväter, die im Bemühen um die Stiefkinder die geliebte Frau zu verlieren drohen. Die beiden Therapeuten beobachten, dass viele Eltern in die gleichen Fallen tappen. Starke beschreibt das so: "Man möchte ja wieder eine Familie haben und deshalb tut man so, als ob man Kernfamilie wäre und neigt dabei zur Gleichmacherei." Denn was gut gemeint ist, geht gar nicht. Die Liebe zu den eigenen Kindern ist eine andere als die zu den Stiefkindern.

Ausgrenzung funktioniert nicht

Das Buch der beiden Familientherapeuten ist bei Beltz erschienen und kostet 16,95 Euro.

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Wer behauptet, die Patchworkeltern seien jetzt eben die Eltern, schließt die leibliche Mutter oder den leiblichen Vater seiner Kinder aus. Und diese Ausgrenzung bekommt dem neuen Familienkonstrukt gar nicht gut. Ganz im Gegenteil: Die besten Chancen auf einen erfolgreichen zweiten Anlauf haben die Menschen, die "mit ihren vorherigen Partnerschaften auf eine gute Art und Weise abgeschlossen haben", sagt Hess. Dazu gehört, dass niemand mehr der Schuldige am Scheitern der vorherigen Beziehung sein muss und sich die früheren Partner auf Augenhöhe begegnen können. Nur dann haben die Kinder das Gefühl, die Eltern können über alle wichtigen Kinderfragen kommunizieren.

Und zu bereden gibt es viel in Patchworkfamilien: Wer ist wann wo? Wann sind wir alle zusammen? Welche Regeln gelten bei wem? Wie werden die außen lebenden Elternteile mit einbezogen? Wer hat welche Bedürfnisse und wie können sie erfüllt werden? Schon in Kernfamilien sind die Kalender voll, in Patchworkfamilien wird die Logistik beinahe zur Mammutaufgabe.

Das erfordert gute Absprachen, aber auch Flexibilität und Kompromissbereitschaft. Gut gehen kann das nur, "wenn alle das Gefühl haben, sie werden gesehen und ihre Bedürfnisse werden wahrgenommen. Auch wenn diese dann nicht immer ganz erfüllt werden, so kann es doch einen Ausgleich dafür geben", meint Starke.

Nicht zu schnell zusammenziehen

Je weniger feste Vorstellungen und Druck alle haben, umso entspannter kann das neue Familiengeflecht wachsen. Darum raten die Familientherapeuten auch davon ab, allzuschnell zusammenzuziehen. Zur Vorbereitung könnte man zunächst miteinander Urlaub machen oder auf Probe zusammen wohnen und die eine Wohnung für einige Zeit untervermieten, um im Notfall wieder zur Liebe in zwei Wohnungen zurückkehren zu können.

Vor allem am Beginn des gemeinsamen Lebens kann es helfen, die Patchworkfamilie als Wohngemeinschaft zu sehen, in der die anderen nun einfach mit leben. Dabei gibt es keinen Grund, an sich zu zweifeln, wenn man die Kinder des neuen Partners nicht spontan ins Herz schließt. "Eine Voraussetzung ist, dass man respektiert, dass die Stiefkinder zuerst fremde Kinder sind. Aber daraus kann sich ja eine gute Beziehung oder eine mehr oder weniger intensive entwickeln", sagt Starke.

Besondere Herausforderungen für Mütter und Väter

Noch immer kämpfen vor allem Stiefmütter gegen das Bild der bösen Stiefmutter an. "Sie stehen immer unter Beobachtung der Gesellschaft oder eben auch von dem neuen Partner, der ihr seine eigenen Kinder anvertraut" so Starke. Umso wichtiger findet sie es, dass sich die Frauen nicht auch noch selbst Druck machen. Die Stiefmutterbeziehung dürfe durchaus etwas anderes sein als die Mutterliebe.

Wirklich leicht haben es aber auch Stiefväter nicht, auch wenn sie etwas mehr Anerkennung für ihre Rolle bekommen. Sie haben oft im Alltag weniger Zeit und Möglichkeiten, die Stiefkinder kennenzulernen. Außerdem brauchen sie noch Zeit, um ihre eigenen Kinder zu sehen. "Beruf, die neue Partnerschaft, zwei Sorten Kinder, dann vielleicht dazu noch ein kleines gemeinsames Patchworkkind: das bedeutet Druck und ist ein Riesenspagat, den Stiefväter leisten müssen", meint Starke.

Drei Viertel aller Familien, die sich an die Familientherapeuten wenden, sind Patchworkfamilien. In ihrem Patchwork-Buch haben Starke und Hess Erklärungen für häufige Konflikte genauso zusammengetragen wie mögliche Lösungswege. Denn bei aller Arbeit und Herausforderung, die in einer Patchworkfamilie stecken, enthält diese Familienform auch mehr Möglichkeiten. Hess fasst das so zusammen: "Die Auswahl an Menschen wird größer und mit ihnen kommen mehr Unterschiedlichkeit und Möglichkeiten ins Leben aller Beteiligten. Das Leben wird reicher." Die Suche nach Konfliktlösungen macht Eltern und Kinder sozial kompetenter. Wenn sich dann noch alle um einen liebevollen und toleranten Umgang miteinander bemühen, hat man vielleicht nicht die "ideale Familie", aber ein spannendes und abwechslungsreiches Familienleben - eine bunte Decke mit vielleicht etwas krummen Nähten eben.

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Quelle: ntv.de

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