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"Barbie" heißt jetzt Chantal "Fack ju Göhte" zieht ins Märchenland

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Sissi? Nein, Chantal (Jella Haase, r.) und Zeynep (Gizem Emre) im Märchenland.

Sissi? Nein, Chantal (Jella Haase, r.) und Zeynep (Gizem Emre) im Märchenland.

(Foto: picture alliance/dpa/Constantin Film)

Hefte auf, die Füller gezückt, fertig zum Diktat! Es heißt: "Chantal im Märchenland". Und nicht etwa: "Schantall ihm Merschenland" oder so. Der Film rund um die charmanteste Proll-Göre der Klasse 10b ist zwar ein Spin-off der "Fack ju Göhte"-Reihe. Aber nicht nur das.

Wir schreiben das Jahr 2013. Im tristen November-Grau kommt ein Film in die Kinos, der auf den ersten Blick nichts Gutes verheißt: nach Til-Schweiger- und Matthias-Schweighöfer-Schenkelklopfern der Marke "Keinohrhasen" und "What a Man" mal wieder eine deutsche Komödie, mit dem bis dahin noch eher unterbelichteten Bushido-Darsteller Elyas M'Barek in der Hauptrolle und dem Schwachsinnstitel "Fack ju Göhte". Doch dann geschieht ein Wunder.

Der Streifen unter der Regie von "Türkisch für Anfänger"-Macher Bora Dagtekin wird über Nacht zum ultimativen Überraschungserfolg. Binnen 17 Tagen strömen bereits drei Millionen Besucherinnen und Besucher seinetwegen in die Kinos. Mehr als vier Millionen werden es ihnen in den kommenden Wochen und Monaten noch gleichtun. "Fack ju Göhte" katapultiert sich in die Top Ten der erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten. Und manch einer, der über den Streifen ungesehen die Nase rümpfte, gab danach wohl zu, bei dem Gag-Feuerwerk letztlich dann doch ein ums andere Mal ins Schmunzeln geraten zu sein.

M'Barek wird durch seine Verkörperung des coolen Pseudo-Lehrers Zeki Müller in dem Film, der auch mit Granden wie Katja Riemann, Uschi Glas und Karoline Herfurth aufwartet und bis 2017 noch zwei Fortsetzungen erhält, zum Überflieger. Schon bald ein ganz und gar nicht mehr heimlicher Star der Reihe ist aber auch die größte und charmanteste Proll-Göre der Klasse 10b. Ihr Name: Chantal. Ihre Darstellerin: Jella Haase, die seither ebenfalls einen enormen Karriereschub bis hin zum Deutschen Film- (für das Drama "Lieber Thomas") und Fernsehpreis (für die Netflix-Serie "Kleo") erlebt hat.

"Heul leise", mag sie Zeki Müller angepflaumt haben. Das Publikum dagegen wünschte sich: "Heul laut." Und vor allem: "Heul weiter." Und weil der Wunsch der Zuschauerinnen und Zuschauer ja schon beinahe so etwas wie ein Befehl ist, wurde er von Bora Daktekin, Jella Haase und dem "Fack ju Göhte"-Produktionsstab schließlich erhört. Mit "Chantal im Märchenland" erhält die Kreuzbergerin jetzt ihr eigenes Spin-off.

Mit Zeynep und "Danger" im Märchenland

Ganz so wie die inzwischen 31-jährige Haase im echten Leben ist Chantal in den elf Jahren seit ihrem Premierenauftritt zwar nicht gealtert. Doch die Schule hat sie inzwischen hinter sich. Nicht gerade erpicht darauf, sich nun einen Job zu suchen, hofft sie stattdessen natürlich darauf, als Influencerin durchzustarten. Doch ihr irdisches Verlangen nach Fame wird durchkreuzt, als sie und ihre BFF Zeynep (Gizem Emre) durch Zufall von einem Zauberspiegel verschluckt und in einer Märchenwelt wieder ausgespuckt werden. Plötzlich ist Chantal Prinzessin - mit gewissen Defiziten in den Benimmregeln, versteht sich.

So wirklich verzaubert ist Chantal von ihrer neuen Prinzessinnenrolle nicht.

So wirklich verzaubert ist Chantal von ihrer neuen Prinzessinnenrolle nicht.

(Foto: picture alliance/dpa/Constantin Film)

Aber nicht nur die höfische Etikette bereitet ihr Schwierigkeiten. Auch sonst kommt die althergebrachte Märchenwelt komplett wie aus der Zeit gefallen daher - so ganz ohne Smartphones, dafür aber mit reaktionärer Sexualmoral und patriarchalen Strukturen, in denen ausschließlich Männer wie der verrückte Kinderkönig Wilderich (Cooper Dillon) oder Ritter-Macho Artolf (Frederick Lau) das Sagen haben, während Frauen wie Sansara (Nora Tschirner) natürlich lediglich die Rolle der Hexe bleibt.

Oder eben die Rolle der Prinzessin, die nur darauf wartet, dass sie ein holder Jüngling endlich wachküsst - am besten natürlich einer wie "Danger" (Max von der Groeben) aus der 10b, der im Märchen zu Prinz Bosco mutiert. Aber Chantal wäre eben nicht Chantal, würde sie da so einfach mitspielen. Entscheidet sie sich für Prinz Bosco oder dann doch für den armen Schlucker Aladin (Mido Kotaini)? Gelingt es ihr, im Märchenland ein Influencerinnen-Video zu drehen, das ihr Leben verändern wird? Und überhaupt: Kommen sie und Zeynep eigentlich jemals wieder nach Hause, nachdem der Zauberspiegel als einziges Portal zurück zerbrochen ist?

Ein bisschen von allem

"Chantal im Märchenland" ist ein bisschen von allem: Social-Media-Persiflage, Plädoyer für sexuelle Selbstbestimmung, migrantisches Identifikationstableau und vor allem ein lauter Ruf nach weiblicher Gleichberechtigung. Und natürlich ist er eine nimmermüde Aneinanderreihung mal mehr und mal weniger flacher Gags. Ein wenig mutet der Film wie eine deutsche Komödien-Antwort auf "Barbie" an - mit weniger Tiefgang, weniger Brillanz, weniger Star-Appeal, wenngleich Jella Haase das Klischee des Klischees des Klischees des Gossen-Girls vom Kottbusser Tor nun wirklich perfektioniert hat. Und wenngleich der Film mit Darstellerinnen und Darstellern wie Nora Tschirner, Frederick Lau oder auch Elyas M'Barek mit einem Mini-Auftritt nicht gerade mit B-Prominenz ins Rennen geht.

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Keine Frage: "Chantal im Märchenland" ist üppig ausstaffiert. Um dem Film seinen märchenhaften Anstrich zu verleihen, wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Zudem geht der Streifen mit seinem bunten Botschaften-Mix dann doch weit darüber hinaus, nur ein ausgelagerter Weiterdreh der "Fack ju Göhte"-Blödelei zu sein. Allerdings hätte man sich gewünscht, Dagtekin hätte dann doch öfter mal den feinen Zauberstab anstatt des groben Holzhammers herausgeholt, um seine Messages beim Publikum zu platzieren. Der Vorteil: So verstehen sicher auch Chantals, was der Film uns sagen will. Der Nachteil: Bei Zuschauerinnen und Zuschauern, die wenigstens einigermaßen durchschnittlich zeitgemäß unterwegs sind, bleibt am Ende leider ein Gefühl der Unterforderung.

Der Film läuft ab 28. März in den deutschen Kinos

Quelle: ntv.de

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