Hörbücher

"Echo" treibt in den Wahnsinn "50 Shades of Grey" trifft Hitchcock und King

Die Alpen-Idylle ist bei Heuvelts "Echo" nur schöner Schein.

Die Alpen-Idylle ist bei Heuvelts "Echo" nur schöner Schein.

(Foto: Aiguille du Midi (3842m) / (Rother / Edition Panorama))

Horror ist Stephen King. Das galt jahrzehntelang. Nun bekommt er ernsthafte Konkurrenz - aus den Niederlanden. Thomas Olde Heuvelt bringt mit "Echo" ein Werk an den Start, das das Zeug hat, Leser und Hörer gleichermaßen in den Wahnsinn zu treiben.

Viele denken bei den Alpen an Abfahrt, Apres Ski und Ischgl. Nick ist da anders: Er denkt bei den Alpen an die Berge, die Gipfel, die steinernen Naturschauspiele, Jahrmillionen alt. Für Nick haben Berge eine Seele. Nicks Hobby ist Bergsteigen. Als er sich diesmal mit seinem deutschen Kletterkumpan Augustin auf Klettertour begibt, ahnen beide nicht, welcher Horror auf sie wartet.

Thomas Olde Hevelt

Thomas Olde Hevelt

(Foto: © David Samwel)

Nick und Augustin sind auf den Maudit gestoßen, einen Alpengipfel, nahezu unbekannt, touristisch nicht erschlossen. Ihre Neugier ist geweckt und wächst noch, als sie auch im Internet kaum etwas über diesen geheimnisvollen Berg finden. Es scheint fast so, als ob ihn die Welt vergessen hat. Vergessen will. Um jeden Preis.

Der Preis, den Nick und Augustin für ihre Neugier zahlen, ist hoch: Nur Nick kehrt lebend zurück. Aber er ist gezeichnet: sein Gesicht - eine einzige klaffende Wunde. Für seine große Liebe Sam ist von der einen auf die andere Sekunde alles anders: Gestern noch schwor Nick ihm die große Liebe, heute weiß Sam nicht, ob er sie noch erwidern kann. Als er sich jedoch für Nick entscheidet, merkt er schnell, dass dieser nicht mehr der Gleiche ist, dass er sich verändert hat, dass etwas von ihm Besitz ergriffen hat. Etwas, das uralt und mindestens genauso böse ist: der Maudit.

Das Böse kommt auf leisen Sohlen

Thomas Olde Heuvelt

Der Autor, geboren 1983 in Nijmegen in den Niederlanden, studierte Englisch und Amerikanistik an der Universität Nijmegen und an der University of Ottawa. Seine Kurzgeschichte "The Day the World turned upside down" wurde mit dem Hugo Award ausgezeichnet. Weitere Kurzgeschichten wurden etwa für den World Fantasy Award nominiert. Sein Horrorroman "Hex" ist ein Bestseller. "Echo" dürfte das auch gelingen. Beide sind bei Heyne erschienen und als Audiobook bei Randomhouse Audio.

Was hier oberflächlich nach billiger Bergsteiger-Romanze mit Gender-Attitüde klingt, ist viel viel mehr: Es ist das beste Horrorbuch der vergangenen Jahre! Der Niederländer Thomas Olde Heuvelt, der bereits seit seinem Debüt "Hex" Kultstatus in der Szene genießt, liefert mit "Echo" den nächsten Bestseller ab. Der Plot ist nicht platt, sondern vielschichtig und tiefgründig.

Da wäre etwa die Beziehung von Sam und Nick. Sam, US-Amerikaner, reich, jung, Party-Boy, steht auf Bondage - der Grund dafür liegt in seiner Kindheit. Lieblingsheld: Prometheus. Nick, Niederländer mit durchtrainierter Modelfigur, Naturbursche, Adrenalinjunkie. Heuvelt lässt beide Figuren immer wieder getrennt zu Wort kommen, ihre eigenen Geschichten erzählen, ihre Charaktere beleuchten. Bei Nick macht das Spaß: Wenn er von der Besteigung des Maudit erzählt, will man als Hörer direkt zu Steigeisen, Goretex-Klamotten, Seil, Karabiner und Eispickel greifen - und rauf auf den Berg.

Bei Sam hat der Hörer so seine Schwierigkeiten. Das liegt zum einen an den immer wieder auftauchenden englischen Sätzen (was etwas verstörend bei einem ins Deutsche übersetzten Hörbuch ist) und an seiner ganzen Art. Bei ihm scheint sich alles nur um Sex zu drehen. Und um Nick. Und um Sex mit Nick. "Sex and the City" und "50 Shades of Grey" lassen grüßen. Der Grat ist dabei schmal: Es dürfte einige Leser und Hörer geben, die aufgrund des immer wieder auftauchenden "Sextalks" das Buch irgendwann genervt aus der Hand legen oder die Wiedergabe stoppen.

Berge des Wahnsinns, teuflische Abgründe

Matthias Lühn

Matthias Lühn, 1970 geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie. Zudem absolvierte er eine Ausbildung zum Schauspieler. Lühn ist darüberhinaus Rundfunk- und Synchronsprecher. Sein Spektrum ist dabei breit gefächert, reicht von Sachbüchern bis zu Horrorromanen. In "Hex" und auch "Echo" ist die Kraft, Unverwechselbarkeit und Variabilität seiner Stimme zu hören.

Andererseits ist Sam die starke Figur des Plots, der Held mit Ecken und Kanten, der für die wahre Liebe in den Abgrund des Wahnsinns blickt. Man kann also seinen Frieden mit ihm machen. Das sollte man als Hörer auch, denn Heuvelts "Echo" ist kein Beziehungsdrama im klassischen Sinn. "Echo" ist ein Horroroman, in dessen Plot der Autor immer wieder an die Großen des Genres erinnert: Stephen King, Edgar Allen Poe, H. P. Lovecraft, Mary Shelley und, und, und. Auch Alfred Hitchcock, Master of Psychothriller, findet sich wieder.

Horror und Psychothriller, was passt da besser als ein Abstecher in die Alpen? Auf den ersten Blick Naturidylle pur. Auf den zweiten Blick dann aber Abgründe, so dunkel und tief wie die menschliche Seele selbst. Gebirgsketten, die wie Haifischzähne in den wolkenverhangenen Himmel ragen. Gefahren, die in den Schatten der Gesteinsbrocken lauern oder in den unsichtbaren Gletscherspalten, wo Kälte und absolute Dunkelheit dich erst in den Wahnsinn und dann in den Tod treiben.

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Wenn du Glück hast, kommen dann die Alpenkrähen, große, schwarze, unheilverkündende Vögel, um dir die Augen noch bei lebendigem Leib rauszupicken - um so deine Seele freizulassen. Zurück bleiben nur zwei tiefschwarze Löcher, die dich in den Wahnsinn treiben, dich in den Abgrund ziehen werden. "Und auch du wirst entdecken, wie es ist zu fallen, und zu fallen, und zu fallen und zu fallen ... Darum hier noch eine Warnung: "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." (Friedrich Nietzsche).

Quelle: ntv.de

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