Hörbücher für graue Tage Achtsamkeit, ein Kater und eine einsame Insel


Man muss nur wissen, wie man es sich mit einer Geschichte gemütlich macht.
(Foto: IMAGO/Westend61)
Die Tage werden nicht richtig hell, kalt ist es auch. Man mag kaum das Haus verlassen und würde sich gern in andere Gefilde entführen lassen. Glücklicherweise gibt es Hörbücher, die einem das leicht machen.
Mehr fasten, weniger morden
Seit Björn Diemel nur wegen eines fehlenden Kindergartenplatzes seinen Anwaltsberuf mit der Leitung einer Verbrecherorganisation kombinieren musste, hat er einiges über Achtsamkeit gelernt. Inzwischen ist er glücklich geschieden und teilt sich mit Ex-Frau Katharina die Betreuung von Tochter Emily, die natürlich längst ein Schulkind ist. Die Termine bei seinem Achtsamkeitscoach Joschka Breitner sind seltener geworden.
Doch dann kommt Diemel wieder einmal die Realität beunruhigend nahe und schon ist es wieder vorbei mit dem ausgeglichenen Leben. Unbekannte versuchen, seine Tochter zu entführen, und Diemel muss erkennen, dass er es einfach nur viel Glück zu verdanken hat, dass das nicht gelingt. Denn seit er in sich selbst ruht, fehlt ihm Bewegung. Dafür hat er nun Körperfülle.
Glücklicherweise ist sein Achtsamkeitscoach Breitner auch Ernährungsberater und macht ihn mit den Grundsätzen gesunder Ernährung vertraut. Also heilfastet Diemel, inklusive Darmreinigung. Doch wie schon bei den Vorgänger-Büchern, die inzwischen eine Bestseller-Reihe bilden, reicht der gute Wille leider nicht immer aus und Diemel gerät wieder einmal in die Notsituation, rohe Gewalt anzuwenden. Dusses "Achtsam Morden"-Geschichten waren noch nie reine Krimis, "Achtsam Morden durch bewusste Ernährung" bildet da keine Ausnahme. Dusse liest seine Abhandlungen über Kohlehydrate, Fette und Proteine mit der gleichen trockenen Art wie die Betrachtungen zu modernen Lehrmethoden in der Corona-Zeit. Manchmal ein bisschen langatmig, dennoch durchaus vergnüglich.
Ein Kater und die ganz großen Lebensfragen
Kater Frankie ist ein dürrer Streuner und spricht Menschich. Seit die ältere Dame, die ihn versorgte, in einem Wagen mit "blinkenden Lichtern" verschwand, muss er sehen, wie er klarkommt. Und eigentlich kommt er gut klar, bis er eines Tages feststellt, dass ein als verlassenes Haus bekanntes Haus gar nicht verlassen ist. Der Mensch darin, Richard Gold, spielt mit einem "Faden", meint Frankie. Tatsächlich trägt sich Richard nach dem Tod seiner Frau, von Depressionen geplagt, mit Suizidabsichten. Aber das ist für den lebensfrohen Kater gar nicht vorstellbar.
Sehr gut vorstellen kann er sich hingegen, bei Richard zu leben und natürlich von ihm gefüttert zu werden, zumal es ein "extremst" weiches Bett gibt. Nachdem Frankie Richard aus dem Konzept gebracht hat, werden die beiden Freunde und diskutieren die ganz großen philosophischen und religiösen Lebensthemen. Frankies größte Qualität in diesen Gesprächen: Er wertet nicht. Schlafen, fressen und spielen - das reicht ihm als Lebenssinn. Er hat kein Mitleid, ist nicht rücksichtsvoll, er ist einfach.
Die beiden Journalisten Jochen Gutsch und Maxim Leo sind längst als überzeugendes Autorenduo bekannt. Mit "Frankie" packen sie das Riesenthema Depression an, aber auf eine freundliche, sogar witzige Weise, ohne ihm die Tiefe zu nehmen. Matthias Matschke liest die gut vier Stunden mal unterhaltsam, mal nachdenklich, ohne Frankie oder Richard zu Karikaturen verkommen zu lassen. Danach würde man gern mit seiner Katze sprechen.
Unter Frostfratten
Natürlich kennen Sie Hildegunst von Mythenmetz, jene literarische Legende des Kontinents Zamonien aus der Feder von Walter Moers. In "Die Insel der Tausend Leuchttürme" schickt Moers ihn auf die Insel Eydernorn zur Kur. Schon die Überfahrt wird ihm fast zum Verhängnis, denn die Flora und Fauna der Insel ist nicht nur bunt und hochinteressant, sondern auch gefährlich. Zwar wird seine Bücherstauballergie besser und nachts strahlen und funkeln die 111 Leuchttürme der Insel als wären es Tausend, doch in seinem Zimmer nisten sich Hummdudeln ein, ihm begegnen hungrige Belphegatoren, aufdringliche Strandlöper und monströse Frostfratten.
Moers, der sich nie öffentlich zeigt, gab für diesen Roman zu Protokoll, dass die Inspiration dazu ein dreimonatiger Kuraufenhalt war, der ihn als Fünfjährigen nach Norderney brachte. Er habe ein ganzes Leben gebraucht - und einen Roman möchte man hinzufügen -, um sich davon zu erholen. Jedenfalls schreibt Hildegunst von Mythenmetz an seinen Freund Hachmed, auch wenn die Briefe nicht abgeholt und verschickt werden können. Die Leuchttürme, ihre Architektur und Symbolik, ziehen sich durch den ganzen Roman, ebenso wie die bedrohte Vergänglichkeit der Insel.
Andreas Fröhlich liest Moers mit Knarren und Knarzen in der Stimme, eine literarische Legende darf auch gern etwas belehrend und besserwisserisch klingen. Aus 656 Seiten werden so 21 Stunden und 22 Minuten voll der Sprachmagie von Moers, gespickt mit Andeutungen und Querverweisen, die die Kenner erfreuen und Neulinge nicht verwirren dürften. Leider muss man beim Hören auf Moers' grandiose Zeichnungen verzichten. Aber kommt Hildegunst wieder heil von der Insel? Hören Sie selbst.
Quelle: ntv.de