Kinderfasching? Oder Puff? Kylie Minogue poppt im Berghain
21.03.2018, 10:31 Uhr
Ein Herz für Kylie - wer hat das nicht?
(Foto: Mircius Aecrim / Warner Music)
Der Berliner Club Berghain hat sich seinen Ruf als Sodom-und-Gomorra-Partyhölle hart erarbeitet. Und Kylie Minogue den ihren als Pop-Prinzessin auch. Und auf einmal geht beides zusammen. Oder?
Electro, Drogen, Darkroom und Spontan-Pimpern auf dem Klo - es hat einen Grund, weshalb sich regelmäßig ach so abgedrehte Party-People über Stunden brav in Reih und Glied vor dem Berghain anstellen. Doch der Kultclub der Berliner Szene will mehr. Und das nicht erst seit gestern. Deshalb öffnet er seine Pforten immer wieder für Events der interhippen Art.
Ja, zum Beispiel auch Lady Gaga gastierte hier schon vor fünf Jahren zur Präsentation ihres damals neuen Albums "Artpop". Doch während die Lady mit der Wirrnis im Namen am Ende wie die Faust aufs Auge in den legendären Feiertempel zu passen schien, mutet der Weg dorthin für eine andere Pop-Pflanze von Down Under noch ein ganzes Stück weiter an. Einst Singpüppchen des Larifari-Produzenten-Trios Stock-Aitken-Waterman, dann Muse von Indie-Papst Nick Cave, Schwulen-Ikone und schließlich Konsens-Mainstream-Chanteuse - Kylie Minogue hat es weit gebracht.
Kein "Du kommst hier nicht rein"
Nun also sogar bis ins Berghain. Vor dem Club sieht es am Dienstagabend aus wie an jedem stinknormalen Wochenende auch: Eine lange Schlange von Menschen wartet darauf, endlich in die heiligen Hallen eingelassen zu werden. Doch verglichen mit der sonstigen Routine, bei der man sich schon mal ein paar Stunden die Beine in den Bauch stehen kann, geht es zügig voran. Und noch etwas ist anders: Die Worte "Du kommst hier nicht rein" sind nicht zu hören. An den Türsteher-Schränken schafft es diesmal wirklich jeder vorbei - wenn er ein Ticket hat.
Ein solches haben jedoch summa summarum nicht viele. Zum einen, weil im Berghain bedeutend weniger Platz ist als in den Arenen, in denen eine Kylie Minogue sonst zu Hause ist. Zum anderen, weil das Konzert natürlich von Vornherein als exklusive Werbeveranstaltung für das kommende Album "Golden" der Sängerin konzipiert ist. Die paar Hundert Zuschauer, die eine Karte ergattert haben, dürften sich also entsprechend darum gebalgt haben. Dass es sich vornehmlich um Hardcore-Fans handelt, hört und sieht man an diesem Abend. Sei es, weil sie textsicher mitgrölen, weil sie spontane "Kylie"-Sprechgesänge anstimmen oder weil sie einen rosa Kylie-Hut vom Merchandising-Stand auf dem Kopf tragen.
Fotografieren verboten
Oder weil sie sich von Minogue artig wie beim Kinderfasching zum Mitmachen animieren lassen. Und das nicht nur, wenn es darum geht, mitzuklatschen oder die Arme im Rhythmus der Musik hin und her zu schwenken. Spontaner Applaus brandet auch auf, als die Sängerin darüber jubelt, dass es im Berghain strikt verboten ist, das Handy für irgendwelche Fotos oder Videos zu zücken. Fragt sich nur: Wenn sie davon so begeistert sind, warum lassen die Leute dann auch sonst bei Konzerten die Dinger nicht einfach in der Tasche?
Weniger infantil mutet dagegen die Dekoration der Bühne an, die der Star des Abends um Punkt 21 Uhr betritt. Vor einem roten Vorhang prangt ein Herz aus Leuchtkörpern, in seiner Mitte ein großes "K". Minogue freut sich in ihren Ansagen unter anderem über die spacige Industrie-Architektur des Berghains, scheint sich ansonsten aber nicht wirklich bewusst zu sein, wo sie sich gerade befindet. Trotzdem hat sie einen Hauch Puff-Atmosphäre hierher mitgebracht. Vielleicht ein wenig zu kitschig für das restliche Ambiente, aber alles in allem siehe da: Es passt also doch.
"Daddy's Girl"
Musikalisch legt die ganz im Jeans-Look gekleidete Australierin den Schwerpunkt auf Songs aus ihrem neuen Album. Das wiederum passt zum Anlass der Veranstaltung und verleiht dem Konzert einen kräftigen Country-Anstrich. Schließlich nahm Minogue ihr mittlerweile 14. Studioalbum in der US-amerikanischen Square-Dance-Metropole Nashville auf. "Zum ersten Mal klingt ein Album von mir nach dem Ort, an dem es entstanden ist", sagt Minogue selbst über "Golden". Aber natürlich darf bei diversen Songs wie der ersten Single-Auskopplung "Dancing" der typische Kylie-Party-Einschlag auch nicht fehlen.
Mit "Dancing" verabschiedet sich Minogue nach knapp eineinhalb Stunden, einer Zugabe und insgesamt 17 Songs auch von ihren Fans im Berghain. Ihren Megahit "Can't Get You Out Of My Head" hat sie dabei ausgespart. Dafür bringt sie in ihrem Set noch ein paar andere Songs aus ihrer mittlerweile 30-jährigen Karriere unter - von "Hand On Your Heart" aus ihrem zweiten Album von 1989 über "Breathe" aus dem Jahr 1997 bis hin zu "All The Lovers" von 2010.
Zweimal bittet Minogue zudem zum Duett. Mit ihrem Gitarristen covert sie "Islands In The Stream" von Kenny Rogers und Dolly Parton. Und für das Lied "Music's Too Sad Without You", das sich auf "Golden" befindet, holt sie sich den vor allem in England erfolgreichen Singer-Songwriter Jack Savoretti mit auf die Bühne.
Auch persönlich gibt sich Minogue bei ihrem Auftritt keine Blöße. "Manchmal können die Dinge im Leben, in der Liebe, ein wenig falsch laufen", räumt die von diversen Beziehungspleiten gebeutelte Sängerin mit einem Lächeln ein. Das Publikum dankt es ihr mit einer hörbaren Runde Mitleid. Aber auch mit ihrem Alter weiß Minogue zu kokettieren. Sie sei immer noch "Daddy's Girl", auch wenn sie inzwischen 49 sei, erklärt sie, während sie an diesem Abend den ultimativen Beweis angetreten hat: Man ist nie zu alt, um im Berghain zu poppen. Irgendwie jedenfalls.
Das Album "Golden" von Kylie Minogue ist ab dem 6. April 2018 erhältlich.
Quelle: ntv.de