Comeback beim ESC Loreen macht die Lena
08.05.2023, 20:10 Uhr
Will es noch einmal wissen: Loreen.
(Foto: picture alliance / TT NYHETSBYR?N)
Elf Jahre sind vergangen, seit Loreen den Eurovision Song Contest (ESC) für Schweden gewonnen hat - mit dem Song "Euphoria" und ikonischer Performance. Nun tritt sie erneut an. Mit ntv.de spricht sie über das Leben nach dem großen Erfolg, ihr Comeback mit "Tattoo" und das Gefühl, schon wieder als Favoritin gehandelt zu werden.
ntv.de: Nach deinem ESC-Sieg 2012 in Baku gab es eine Diskussion darum, ob du - ähnlich wie Lena für Deutschland - vielleicht noch ein zweites Mal für Schweden bei dem Contest antreten würdest. Im Interview mit uns hast du das damals ausgeschlossen, weil du eigentlich nicht viel von musikalischen Wettbewerben halten würdest. Jetzt sehen wir dich aber dann doch wieder. Was hat dich umgestimmt?
Loreen: Oh je, was habe ich da nur gesagt? (lacht) Eigentlich waren es die Menschen um mich herum, die mich dazu gebracht haben, meine Meinung zu ändern. Sie haben mir den Song geschickt - und ich habe ihn geliebt. Dann kam regelmäßig die Frage auf: "Könntest du dir vorstellen …?" Und ich antwortete: "Was vorstellen? Habt ihr den Verstand verloren?" (lacht)
Hatten sie wohl nicht …
Ja, ich habe das nur gesagt, weil ich immer verstehen muss, warum ich etwas tue. Ich frage mich nach der Intention und danach, was ich anderen damit geben kann. Wenn ich vor einem so großen Publikum nichts zu geben hätte, würde ich es lassen. Ich war wirklich hin- und hergerissen. Aber immer, wenn ich "Nein" sagte, spürte ich diese kleine, drängende Energie in mir. Das ist sehr subtil. Und dann kamen noch die Leute in meinem Umfeld dazu, denen ich vertraue und die mir sagten: "Wie schade! Es wäre so toll, wenn du es machen würdest."
Sie haben dich also überzeugt …
Ich war zumindest irgendwann bereit, darüber nachzudenken. Und plötzlich waren alle ganz glücklich. (lacht) Ich meine: authentisch glücklich. Dann stürmten sie auch schon mit den nächsten Fragen auf mich ein: "Was würdest du machen? Was würdest du kreieren?" Es erschien mir fast wie ein Fingerzeig: Wenn ich "Ja" sage, verströmt das offenbar ein Gefühl von Glückseligkeit. Da dachte ich mir: "Vielleicht will das Leben einfach, dass ich diesen Weg einschlage." Ja, ich scheue den Wettbewerb tatsächlich. Aber gleichzeitig liebe ich es auch, mit Menschen kreativ in Kontakt zu treten. Das ist meine große Leidenschaft.
An deinen ikonischen Auftritt in Baku und deinen Siegessong "Euphoria" werden sich definitiv noch viele erinnern. Elf Jahre ist das inzwischen her. Wie nah oder fern ist dir selbst das Ganze noch?
Das ist mir schon noch sehr präsent. Nicht alles, aber es gibt bestimmte Gefühle aus jener Zeit, die mir noch immer sehr bewusst sind und die ich auch immer wieder durchlebe. Eines dieser starken und wundervollen Gefühle ist es, vor Freude zu weinen. Das war in dem Moment, als ich tatsächlich gewonnen hatte. Was vielen Menschen nicht wirklich klar war, war, dass ich als Künstlerin zuvor ziemlich zu kämpfen hatte.
Das änderte sich nun schlagartig …
Ja, denn mit "Euphoria" hatte ich das erste Mal überhaupt etwas erschaffen, das ganz und gar mir gehörte. Es hatte etwas von Wahrhaftigkeit - barfuß, geheimnisvoll und mit all diesen Bewegungen auf der Bühne. Damit, etwas zu tun, an das außer dir niemand anderes wirklich glaubt, kommt aber auch die Angst. Als ich dann da stand und ins Publikum blickte, war das ein unfassbar schöner Moment. Noch während das passierte, hatte ich diese Stimme im Kopf: "Also, Loreen, das ist, was passiert, wenn du deiner Intuition vertraust. Verstehst du es jetzt?" Bis dahin bestand mein Leben aus lauter Kompromissen. Ich versuchte, für alle anderen perfekt zu sein. Jetzt war es zum ersten Mal anders. Das hat sich extrem in mein Gedächtnis gebrannt.
Ich habe Lena schon erwähnt. Sie ist nach wie vor sehr populär in Deutschland, aber es ist ihr nicht wirklich gelungen, aus ihrem ESC-Sieg auch eine internationale Karriere abzuleiten. Dir geht es ganz ähnlich: In Schweden kennt man dich nicht nur als Sängerin, sondern auch aus diversen TV-Shows und inzwischen sogar als Schauspielerin. Ist es so schwer, sich auch international durchzusetzen oder wolltest du das gar nicht?
Ich glaube daran, dass man einfach das bekommt, was man braucht. Und wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich auch nicht, dass meine Zeit dafür gekommen war. Ich bin eine spirituelle Person. Diese elfjährige Reise war sehr wichtig für mich. Sie hat mich vieles gelehrt. Es ging auf und ab, es ging seitwärts, es ging da hin und dann wieder dort … (lacht) Ich kann nach diesen elf Jahren zumindest eines sagen: Ich mag sehr, wer ich jetzt bin. Wenn es dafür die elf Jahre gebraucht hat, ist das gut. Vielleicht hat es das Leben einfach für mich gerichtet.
Jetzt führt dich das Leben mit dem Song "Tattoo" zurück zum ESC. Was kannst du mir über ihn erzählen?
Nun, es ist ein Liebessong. Und ich würde sagen, ein cinematischer Song. Er entfaltet eine ähnliche Dynamik wie "Euphoria". Er beginnt ganz klein und wird immer größer und größer. Es dreht sich alles um Energien. Du kriechst zunächst sanft unter die Haut, dann veränderst du Dynamik und Energien und dann … Pow! (lacht)
Klingt nach einem guten Konzept …
Ja, das ist natürlich alles durchdacht. Aber so muss es ja auch sein. Die Storyline des Songs basiert wiederum auf unserer Sicht auf die Liebe. Deshalb singe ich: "I'll walk through fire and through rain just to get closer to you" ("Ich werde durch Feuer und Regen gehen, nur, um dir näher zu kommen"). Ich glaube, ohne etwas Schmerz und Kampf würde es keine Liebe geben. Und ich glaube, wenn man tiefe, wahre und authentische Liebe erfahren will, muss man sich diesem Schmerz stellen. Wer vor ihm davonrennt, verpasst die Schönheit, die sich dahinter verbirgt.
Bei deinem Auftritt beim schwedischen "Melodienfestival", wo du dich mit "Tattoo" für den ESC qualifiziert hast, schwebte eine gigantische Plattform über deinem Kopf. Es heißt, in Liverpool kannst du sie nicht auf die Bühne bringen - weil sie zu schwer sei. Wie wird deine Show hier also aussehen?
Nun, nun, nun … Es findet sich immer eine Lösung. Etwas zu kreieren, heißt, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Kurzum: Ich glaube, es wird auch diesmal wieder etwas über mir sein … (lacht)
Wie schon damals in Baku wirst du auch diesmal bereits im Vorfeld zu den absoluten Topfavoritinnen und -favoriten beim ESC gerechnet. Belastet dich das oder kannst du dich davon freimachen?

(Foto: picture alliance / dpa)
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Da kommen mir wieder die elf Jahre zugute. In dieser Zeit habe ich Wege und Techniken gefunden, mit denen ich bestimmte Dinge sehr gut ausblenden kann. Für mich ist der kreative Teil und die Verbindung durch ihn das absolut Wichtigste. Wenn es aber echt und authentisch sein soll, muss ich mein Ego außen vor lassen und kann nicht sagen: "Hier bin ich! Ich werde gewinnen! Ich bin ein Superstar!" (lacht) Ich sehe mich als Dienerin der Kreativität und gehe damit sehr diszipliniert um. Das erdet mich.
Auch vielen deiner Mitbewerberinnen und Mitbewerber in Liverpool geht es sicher um die Kreativität. Du hast sie dir bestimmt schon mal angesehen. Hast du persönliche Favoritinnen oder Favoriten?
Ja, aber ich glaube, sie sind meine Favoriten, weil ich sie auch als Menschen mag. Ich mag zum Beispiel Käärijä (Teilnehmer aus Finnland, Anm. d. Red.) wirklich sehr. Er ist wild und verrückt auf der Bühne. Ich liebe das, weil es eine sehr interessante Energie ist. Wenn du dann aber mit ihm zusammensitzt, denkst du: "Wow, was für ein bescheidener und schöner Mensch!" Das macht ihn dann sogar noch interessanter. Ähnlich geht es mir mit Blanca Paloma aus Spanien. Ihr altertümlicher Gesang geht wirklich tief rein. Wenn man sie dann aber trifft, ist das eine temperamentvolle und starke junge Frau. Und noch ein Beispiel: Alessandra aus Norwegen. Sie erinnert mich sehr an mich und "Euphoria".
Deutschland schickt dieses Jahr die Metal-Band Lord of the Lost zum ESC. Kannst du damit etwas anfangen?
Ja, absolut. Wir haben zwar noch nicht zu einem Gespräch zusammengesessen, aber ich habe sie mir angesehen. Ich konnte verstehen, was ihre Intention mit Blick auf die Energie, die sie aussenden, ist. Wenn man sich ihre Outfits im Kontrast zu ihrem Song ansieht, bringen sie das Maskuline und Feminine zusammen und sagen so: "Wir machen, was auch immer wir wollen." Das ist für mich Freiheit. Und das liebe ich.
In Baku damals hast du zu den wenigen Künstlerinnen und Künstlern gezählt, die öffentlich Kritik an der politischen Situation in Aserbaidschan geäußert haben. Im vergangenen Jahr wiederum hast du an einer Benefizgala zugunsten der Ukraine teilgenommen. Wie verhältst du dich zu dem Krieg, findest du es zum Beispiel richtig, dass Russland vom ESC ausgeschlossen ist?
Lass es mich so sagen: Die, um die es mir leidtut, sind die Menschen. Ich bin immer bei den Menschen. Die Politiker stellen nur eine kleine Minderheit dar, treffen aber Entscheidungen, die sich weitreichend auf die Menschen auswirken. Viele dieser Menschen wiederum sind komplett unschuldig und geraten in diese Situation nur, weil eine Minderheit das so will. Das ist, was mich traurig macht. Ich bin in Russland aufgetreten, in der Ukraine, war auf der Krim …
Ich nehme an, das war vor dem Krieg …
Ja. Und überall habe ich wundervolle Menschen getroffen, die gut koexistiert haben. Deshalb macht mich das, was da passiert, nicht nur traurig, es ist für mich auch total surreal. Das geht ja selbst den Ukrainern so. Jamala (ukrainische ESC-Gewinnerin von 2016, Anm. d. Red.) steht mir sehr nahe. Wir haben darüber gesprochen und sie war genauso fassungslos: "Das sind unsere Nachbarn!"
Dein erstes Album "Heal" hast du seinerzeit unter anderem "allen Menschen, die ihr Leben für Menschenrechte riskiert haben", gewidmet. Wem würdest du jetzt ein Album widmen?
Ich glaube, allen konstruktiven Menschen, die ohne Aggression nach Lösungen suchen. Ich halte nichts von Aggression. Sie geht mit Liebe nicht zusammen.
Dein bislang letztes und überhaupt erst zweites Album ist bereits vor sechs Jahren erschienen. Deshalb stellt sich natürlich noch die Frage: Können wir irgendwann mal wieder mit einem neuen Album von dir rechnen?
Ja, damit kannst du rechnen. Ich hoffe, ich bekomme es vielleicht bis zum Frühling 2024 hin. Aber schon in diesem Jahr wird eine Menge neue Musik von mir erscheinen. Schauen wir einfach mal wieder, wo mich das Leben so hinträgt.
Mit Loreen sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de