"Star Trek: Picard" Eine Legende feiert ihr Comeback
24.01.2020, 17:16 Uhr
Er ist zurück: Jean-Luc Picard (Patrick Stewart).
(Foto: Amazon Prime Video)
Jean-Luc Picard ist zurück - ohne Enterprise, ohne Uniform, ohne "Machen Sie es so". Das Comeback von Patrick Stewart in seiner Paraderolle bricht mit vielen Konventionen der einstigen Erfolgsserie "Das nächste Jahrhundert". Dennoch oder gerade deshalb hat auch "Star Trek: Picard" Kult-Potenzial.
Die Frage ist, ob "Star Trek: Picard" auch neue Zuschauergruppen ansprechen kann. Werden heute 20-Jährige, die mit "Star Trek" noch nie etwas am Hut hatten, die Serie suchten, so wie sie heute "Game of Thrones", "Stranger Things" oder "The Witcher" verschlingen? Wohl eher nicht. Zielgruppe können eigentlich nur die sein, die sich schon in den 90er-Jahren mit der Crew der Enterprise in unendliche Weiten aufgemacht haben. Und die, die vielleicht dank ihrer Eltern das Gucken von "Das nächste Jahrhundert" irgendwann mal nachgeholt haben sollten.
Macht aber auch nichts. Denn die Schar der Trekkies, die sich nostalgisch und wehmütig an den ikonischen Captain Jean-Luc Picard zurückerinnern, dürfte noch immer beträchtlich sein. Klar, ähnlich bahnbrechend wie "Das nächste Jahrhundert" in der damals noch überschaubaren TV-Landschaft wird der Start von "Star Trek: Picard", das hierzulande bei Amazon Prime Video abrufbar sein wird, nicht sein. Dennoch hat die Serie das Potenzial, den Hype um "Star Trek" noch einmal zu entfachen und sich ihren eigenen Kultstatus in dem Science-Fiction-Franchise zu erarbeiten.
Ende einer langen Durststrecke
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen mussten die Trekkies lange darben. Nach "Das nächste Jahrhundert", "Deep Space Nine" und "Raumschiff Voyager" war die Reihe "Enterprise" vielleicht besser als ihr Ruf. Dennoch besiegelte sie 2005 nach 18 durchgängigen "Star Trek"-Jahren das vorläufige Ende der Science-Fiction-Saga in Serie. Zwölf mindestens so unendlich wie der Weltraum anmutende Jahre vergingen danach, in denen lediglich ein paar Kinofilme die Erinnerung an den Sternenflotten-Kosmos wachhielten. Erst 2017 wurden die Fans mit "Discovery" bei Netflix erlöst. Oder auch nicht, denn auch diese Serie stieß nicht bei allen auf Gegenliebe.
Zum anderen feiert mit dem von "Sir" Patrick Stewart verkörperten Picard ja nicht irgendein "Star Trek"-Charakter Comeback. Natürlich gibt es die Puristen, die stets die Originalserie um Captain Kirk als unerreicht (v)erklären werden. Doch mal ehrlich: Mit der Tiefe der späteren Geschichten - auch und gerade wegen Stewarts Picard-Inkarnation - können Kirk & Co nicht mal im Ansatz mithalten.
Von Data bis Seven of Nine
Drittens nimmt Patrick Stewart die Bürde des Comebacks nicht allein auf sich. In "Star Trek: Picard" werden auch diverse andere beliebte Charaktere aus dem Franchise eine mehr oder weniger große Rolle einnehmen. Einstige Mitstreiter Picards wie Data (Brent Spiner) und William T. Riker (Jonathan Frakes) sind mit von der Partie. Aber auch Seven of Nine (Jeri Ryan), ursprünglich Teil der "Raumschiff Voyager"-Reihe, kehrt zurück.
Und schließlich begehen die Macher von "Star Trek: Picard" nicht den Fehler, den einstigen Erfolg von "Das nächste Jahrhundert" einfach nur aufwärmen zu wollen. Das wiederum geht wesentlich auf Stewart zurück, wie er vor dem Start der neuen Serie in diversen Interviews sowie bei der umjubelten Premiere in Berlin vor einer Woche ausplauderte. Seit er 2002 im Kinofilm "Nemesis" das bis dato letzte Mal in seine Paraderolle schlüpfte, sei eine mögliche Neuauflage unzählige Male an ihn herangetragen worden. Seine Haltung sei jedoch stets gewesen: "Ich bin durch. 'Star Trek' war wundervoll und es hat mein Leben und meine Karriere verändert, aber ich habe alles gesagt und es gibt nichts mehr zu sagen."
Comeback unter Bedingungen
Überzeugt habe ihn erst jetzt das Konzept von "Star Trek: Picard", das seine Bedingungen - unter anderem "keine Enterprise, keine Uniform, kein 'Machen Sie es so'" - eins zu eins erfüllt habe. Und tatsächlich werden sich die Trekkies erst einmal daran gewöhnen müssen, ihren souveränen Weltraum-Helden aus früheren Tagen unter ganz neuen Umständen anzutreffen. Das liegt nicht nur am Alter des Protagonisten, denn natürlich ist weder an dem inzwischen 79-jährigen Schauspieler Stewart noch an seiner Figur die verstrichene Zeit spurlos vorübergegangen. Picard hat seine glorreiche Sternenflotten-Karriere auch schon seit ein paar Jährchen hinter sich und lebt als zurückgezogener Privatier auf seinem Weingut in Frankreich. Nur eins ist gleich geblieben: Er hat immer noch eine "Nummer 1". Das jedoch ist nicht sein Ex-Commander Riker, sondern seine geliebte Bulldogge.
Alles könnte nach all den aufregenden Jahren an Bord der Enterprise also ruhig und beschaulich für Picard zugehen. Wären da nicht diese seltsamen Träume, in denen Data vorkommt. Und stünde da nicht auf einmal die junge Dahj (Isa Briones) vor der Tür, zu der es eine mysteriöse Verbindung zu geben scheint. Ehe sich Picard versieht, holt ihn die Vergangenheit wieder ein und er steckt mittendrin in einem neuen Abenteuer, für das er dann doch noch einmal ein Raumschiff besteigen muss ...
Der moralische Impetus
"Star Trek: Picard" lässt sich viel Zeit, um der Geschichte den Boden zu bereiten, die neu eingeführten Charaktere zu zeichnen und den alten Figuren ihren veränderten Raum zuzuweisen. Das ist gut, um Verständnis für die Welt, die so gar nichts mehr mit den Missionen der Enterprise zu tun hat, zu schaffen, verlangt den Zuschauern aber ein wenig Geduld ab. Technisch ist die Serie auf neuestem Stand - der Pappmaché-Charme, der insbesondere noch die ersten Folgen von "Das nächste Jahrhundert" prägte, ist selbstredend passé. Gemäß der heutigen Serien-Kultur wird zudem eine durchgängige Geschichte erzählt - anders als früher, als die Episoden zumeist in sich abgeschlossen waren.
Doch bei allen Veränderungen soll es auch Konstanten in der Serie geben. Der moralische Impetus, für den "Star Trek" insgesamt stets stand, werde auch bei "Picard" nicht vergessen, versprachen die Produzenten bei der Berliner Premiere. Stewart, der sich auf der Veranstaltung zugleich als Brexit-Gegner outete und zum Kampf gegen den Klimawandel aufrief, bekannte, er habe auch als Privatperson viel von seiner Figur gelernt. Picard habe aus ihm einen besseren Menschen gemacht. Vielleicht kommt die Serie auch unter diesem Gesichtspunkt genau zur richtigen Zeit. Schließlich könnten sich von dem fiktiven (Ex)-Captain auch so einige ganz reale Führungspersonen eine dicke Scheibe abschneiden.
Ab sofort erscheint bei Amazon Prime Video wöchentlich eine neue Folge von "Star Trek: Picard".
Quelle: ntv.de