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"Tatort" im Zweiten Weltkrieg Hatte Hitler wirklich nur ein Ei?

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Hagen von Strelow (Ludwig Simon) und Kommissar Rother (Ulrich Tukur). Im Hintergrund: Didi, Gefreiter der Feldgendarmerie (Torsten Scholze).

Hagen von Strelow (Ludwig Simon) und Kommissar Rother (Ulrich Tukur). Im Hintergrund: Didi, Gefreiter der Feldgendarmerie (Torsten Scholze).

(Foto: HR/Bettina Mueller)

Kurzzeitig meinte man beim "Tatort", in einem Showcase von Ulrich Tukur und seinen Rhythm Boys gelandet zu sein, dabei war man doch im "1000-jährigen Reich". Das Lied, das da erklang, ein ganz spezielles. Im Fokus: der Führer.

Was wurde nicht schon alles im "Tatort" gesungen, am regelmäßigsten wohl vom seligen Manfred Krug und seiner besseren Hälfte, Charles Brauer. Aber das, was am Vorabend geträllert wurde, war ein ganz anderes Kaliber. Das Geschehen noch einmal in kompakt: Murots Alter Ego im Zweiten Weltkrieg, Sonderermittler Friedrich Rother (Ulrich Tukur), und dessen Adjutant von Strehlow (Ludwig Simon), mussten in einem kleinen Dorf den Mord an einem britischen Piloten aufklären.

Während von Strehlow auf Linie seines Dienstherren, des Führers, agierte, war Rother längst auf die andere Seite gewechselt. Als er sich im Gasthof des Dorfes ans Klavier setzt, stimmt er den "Colonel Bogey March" an, der Text, den er dazu singt, hat jedoch einen etwas anderen Sound:

"Hitler has only got one ball,

Göring has two but very small,

Himmler is rather sim’lar,"

But poor old Goebbels has no balls at all."

Ein Lied gegen den Führer, ein Licht in dunkler Nacht, eine kabarettistische Handgranate in Zeiten, da eigentlich kein Kabarett möglich ist - zumindest nicht öffentlich. Hinter verschlossenen Türen wurde schon gesungen, der Angriff auf des Führers Testikel - und die seiner Mörderbande - eine vergleichsweise alberne, gleichsam befreiende Attacke.

Bei Kommissar Rother (Ulrich Tukur, li.) ist Musik drin.

Bei Kommissar Rother (Ulrich Tukur, li.) ist Musik drin.

(Foto: HR/Bettina Mueller,)

Die Melodie des Marsches, später oft gepfiffen, stammt von F.J. Ricketts (1881-1945), das Lied von Hitlers Hoden schmetterten britische Soldaten bereits zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Auf der Kinoleinwand kam die Melodie erstmals in Hitchcocks "Eine Dame verschwindet" (1938) zu Ehren, Schauspieler Michael Redgrave summt sie vor sich hin. Den musikalischen "Counter March" - im Marschieren selbst das Drehen der Kolonne um 180 Grad, während der Anführer vorn bleibt - komponierte der Engländer Malcolm Arnold im Jahre 1957. Auch sein "River Kwai Marsch" kam zu cineastischen Ehren, die Version im Film "Die Brücke am Kwai" brachte ihm einen jener insgesamt sieben Oscars ein, die der Filmklassiker gewann.

Darauf einen Kräuterschnaps!

Aber zurück zu Hitlers Eier-Marsch. Professor Mervyn Cook von der Uni Nottingham bezeichnete das Lied als bestes Beispiel dafür, wie "die humoristische Stimmung den Stolz auf die Widerstandsfähigkeit des Außenseiters, des 'Underdogs', widerspiegelt." Von "Underdog" ist man fast schon bei "Underberg". Auch der legendäre Kräuterschnaps vertraute einst auf die ins Ohr gehende Melodie. In einer TV-Kampagne sah man eine Gruppe von Menschen, allesamt wohl potentielle Kräuterschnaps-Fans, einen Hügel hinauf flanieren, dazu ertönte besagte Melodei mit der schönen Zeile: "Komm’ doch, mit auf den Underberg!"

Die Melodie zieht sich durch bis in die zeitgenössische Entertainment-Kultur. In Japan diente das Stück als Titelmelodie einer Gameshow, in der TV-Serie "The Man In The High Castle" kommt es ebenso zum Einsatz wie im Neo-Noir-Sechsteiler "Monsieur Spade".

Ein besonders interessantes Fundstück ergibt die Suche nach einer deutschen Version jenes Textes, der ja vom realen Gerücht befeuert wurde, der Führer hätte tatsächlich nur eine Murmel im Beutel. Kein Lied, aber ein sehr witziger Einspieler aus der "Harald Schmidt Show". Und was sagt Spotify dazu? Selbst dort findet man das Stück, u.a. in der Version eines weniger bekannten Sängers namens John Jones.

Amtsarzt bestätigt Hoden-Gerücht

Bleibt die Frage, ob es denn stimmt, was da gesungen wird. Ein Dokument des Amtsarztes Dr. Josef Brinsteiner, der Hitler bei seiner Einlieferung nach Landsberg untersuchte, als der damals 34-Jährige nach einem gescheiterten Putschversuch im November 1923 verhaftet wurde, bestätigt es. Brinsteiner diagnostizierte einen "rechtsseitigen Kryptorchismus". Hitlers rechter Hoden war während seiner Kindheit nie richtig in den Hodensack gewandert und blieb somit verborgen (griechisch "kryptos").

Mal schauen, ob auch im nächsten "Tatort" gesungen wird, Grund dazu gäbe es jedenfalls: Am 27. Oktober feiert Lena Odenthal mit der Folge "Dein gutes Recht" ihren 80. Fall.

Quelle: ntv.de, Von Ingo Scheel

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