Franken-"Tatort" im Schnellcheck Raaaaaache!
05.10.2024, 15:26 Uhr Artikel anhören
Ihr letzter gemeinsamer Fall: die Kommissare Ringelhahn und Voss.
(Foto: BR/Hager Moss Film GmbH/Bernd Sc)
Im letzten Fall von Paula Ringelhahn wird thematisch ein großes Fass aufgemacht - ein Selbstmord als Auslöser einer apokalyptischen Familienaufstellung. "Trotzdem" ist kein einfacher Stoff, begeistert aber in seiner Konsequenz. Und gesungen wird auch.
Was passiert?
Alle mochten ihn, die meisten glaubten an seine Unschuld. Es nützt nichts. Lenni (Neil Körger) musste für den Mord an einer jungen Frau in den Knast. Und jetzt ist er tot. Hat sich umgebracht. Erst erreicht die Nachricht seine Schwestern Maria (Anne Haug) und Lisa (Mercedes Müller), die in Nürnberg Reizwäsche verkaufen, schließlich auch den Clan der Dellmanns, die irgendwie in die Sache verstrickt sind. Karl Dellmann (Fritz Karl), das Familienoberhaupt, gilt als Vorzeigefall in Sachen Resozialisierung. Jahrzehnte zuvor hatte er selbst ein Verbrechen begangen, sich anschließend im Gefängnis zum Guten gewandelt, zurück in Freiheit war er zum erfolgreichen Unternehmer aufgestiegen. Mit seiner Frau Katja (Ursina Lardi) lebt er in einem brutalistischen Designbau, drei Söhne gehören zur Familie, Ben (Ben Münchow), Tim (Julius Grüner) und Stephan (Justus Johansson). Doch bald ist einer von ihnen tot, eines gewaltsamen Todes gestorben. Spätestens jetzt ist die Spirale der Gewalt, so langsam sie sich auch zunächst drehen mag, nicht mehr zu stoppen. Und für Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) steht der Fall unter einem besonderen Stern, denn am Ende heißt es Abschied nehmen.
Worum geht's wirklich?
Da ist natürlich der bevorstehende Ausstieg von Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), von dem Kollege Voss schrägerweise lange nichts ahnt. Viel mehr noch dreht es sich jedoch um "den Wahnsinn in der Welt", wie es Polizeichef Dr. Kaiser (Stefan Merki) am Ende von "Trotzdem" formuliert. Vordergründig ein familiäres Rachedrama, ist die Geschichte von Stefan Betz und Max Färberböck, der auch Regie führt, vielmehr eine Metapher für das, was überall auf dem Globus passiert - Verwerfungen, Verletzungen, Verrat und vor allem: Rache, in all ihren Ausgestaltungen, jene Sinnlosigkeit von "Auge um Auge" und "Zahn um Zahn", die am Ende nur Verlierer und Verliererinnen kennt.
Wegzapp-Moment?
Wenn es einem tatsächlich irgendwann zu viel wird, ist es fast schon zu spät, um noch wegzuschalten. Jetzt will man auch wissen, ob und wie und wer hier in den Abgrund gerissen wird. Die Erzählstruktur ist zuweilen zäh, pendelt zwischen dem oft übertrieben freundlichen Gestus von Ringelhahn und Voss und dem zerstörerischen Vibe im Kreis der Verdächtigen. Zum Wegzappen reicht es dennoch nicht. Besser ist es.
Wow-Faktor?
Ausgesprochen hoch, auch wenn die Inszenierung schon mal am Absurden schrammt. Die Figuren wirken zuweilen wie von der Probebühne eines Off-Theaters aufs Filmset und vor die Kamera geschoben. Das Geschehen wirkt wie von der Realität abgekoppelt, dadurch besonders intensiv. Zudem sind die Songs dieser Episode, Barry McGuires leider so unverändert aktuelles "Eve Of Destruction", Dylans "It's All Over Now, Baby Blue" in der Version von Marianne Faithfull und "The Sound Of Silence", ganz wunderbar in Szene gesetzt.
Wie war's?
8 von 10 Punkten - eine eigenwillige Krimi-Allegorie, noch dazu mit einer singenden Kommissarin, inhaltlich wie so oft Geschmackssache, optisch ein Genuss.
Quelle: ntv.de