"Irrer Einsatz der Beteiligten" Heizungsbauer stellt Beatmungsgeräte her?
12.05.2020, 18:58 Uhr
Viessmann führt umfassende Testläufe mit dem eigenen Beatmungsgerät durch.
(Foto: Viessmann)
Was der Heizungsbauer Viessmann in der Corona-Krise schafft, ist spektakulär: Erst produziert er Gesichtsmasken, dann Beatmungsgeräte. "Keine Besonderheit", sagt Co-Chef Maximilian Viessmann, der das Familienunternehmen durch seine erste große Krise steuert.
Diese Nachricht lässt Ende April aufhorchen: Der Heizungsbauer Viessmann steigt in die Produktion von Beatmungsgeräten ein. Das Traditionsunternehmen in Familienhand nutzt dabei die Fertigungslinien für Gaswandheizgeräte. Heizungsbauer und Beatmungsgeräte? Geht das? Ja, das ist möglich! Der spontane Einstieg in die Medizintechnik gestaltet sich sogar rückblickend weniger kompliziert und aufwändig, als es sich zunächst anhört.

Seit 2017 leitet Max Viessmann gemeinsam mit seinem Vater Martin das Familienunternehmen.
(Foto: Viessmann Werke)
"Das sind Routinen, die in der Viessmann-Familie so tief verankert sind, dass es für uns keine wirkliche Besonderheit gewesen ist", sagt der Co-Chef Max Viessmann im Podcast "Die Stunde Null". Eine Besonderheit sei es allerdings gewesen, "sich in die Medizintechnik zu wagen und dort nicht arrogant zu wirken". Ansonsten treffe so ein Vorhaben auf ein "bestehendes Betriebssystem, angereichert mit Leidenschaft". "Am Ende des Tages ist auch das nur Unternehmenskultur: Ich erkenne ein Problem und finde einen Lösungsweg dafür", sagt Viessmann.
Den ersten Prototypen legen die Produktentwickler nach drei Tagen vor. Drei Wochen später ist das Gerät entwickelt. Das Ganze sei "total bemerkenswert und ein irrer Einsatz aller Beteiligten gewesen", berichtet Viessmann in seinem ersten großen Interview seit dem Shutdown. Vor den Beatmungsgeräten hat das Familienunternehmen bei der Fertigung von mobilen Versorgungsstationen, Gesichtsmasken und Desinfektionsmitteln Erfahrungen gesammelt. Beim Schnellverfahren bekommt der Heizanlagenbauer unter anderem Rat von der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen.
Viessmann habe die Krise dank seiner Unternehmenskultur sehr gut gemeistert. "Die Kultur ist der größte Wettbewerbsvorteil, auf dem man jetzt aufbauen kann", sagt Viessmann, der 2017 im Alter von nur 29 Jahren an die Spitze des Allendorfer Familienunternehmens gerückt war, das 12.300 Mitarbeiter in 74 Ländern beschäftigt. Die Krise sei eine Chance, genau das stecke in der DNA des Unternehmens.
Im vergangenen Geschäftsjahr steigerte Viessmann den Umsatz um 6,4 Prozent auf 2,65 Milliarden Euro. Eine Prognose für dieses Jahr will das Unternehmen nicht abgeben, die Erholung der Gesamtwirtschaft werde seine Zeit brauchen, sagt Max Viessmann. "Ich glaube, die Prognosen, dass wir in 2022 wieder auf Vorkrisenniveau sein werden, sind makroökonomisch durchaus nachvollziehbar." Profitieren würden in der Krise vor allem Unternehmen mit einem langen Atem und klaren Werten: "Die müssen nicht lange erklären, warum sie das eigentlich tun. Es geht ihnen nicht nur ums Überleben."
Als Beispiel für langfristiges Denken nennt Max Viessmann den Klimawandel. Der werde durch Corona an Relevanz und Bedeutung noch "gewinnen" - auch wenn das derzeit nicht für alle erkennbar sei. Viessmann verweist in dem Zusammenhang auf Todesraten und Luftqualität sowie Emissionen, insbesondere in den USA. "Das ist ein Grund mehr, warum wir dort nicht lockerlassen dürfen, nicht nur wegen der Verantwortung für nachkommende Generationen."
Als zweites Beispiel nennt Max Viessmann die Digitalisierung, die er selbst in seinem 103 Jahre alten Traditionsunternehmen forciert hat. Daran will er festhalten, genauso wie an dem "Maschinenraum", einer Plattform für Mittelständler, die das Unternehmen in Berlin aufbaut. Er findet es falsch, jetzt Budgets zu kürzen. Auch die Politik müsse dieses Thema weiter vorantreiben.
Das gesamte Interview hören Sie in der neuen Folge von "Die Stunde Null - Deutschlands Weg aus der Krise". Der Corona-Schock hat Deutschland und die ganze Welt in eine tiefe Krise gestürzt. Wie verändert die Krise unser Leben? Und welche Auswege gibt es? Der Capital-Podcast "Die Stunde Null – Deutschlands Weg aus der Krise" stellt diese Fragen den Menschen, die durch die Krise steuern: Unternehmern, Wissenschaftlern, Managern, Philosophen und Ökonomen.
Quelle: ntv.de, ddi