Geheime Militärtechnik im Einsatz? China sucht MH370 mit Satellitenschwarm
18.03.2014, 16:50 Uhr
Die Suchgebiete sind riesig, die Erfolgsaussichten gering: Chinesische Bergungsschiffe im Südchinesischen Meer.
(Foto: AP)
Die Suche nach der vermissten Boeing wird für Malaysia zum Politikum. Peking bringt womöglich geheime Militärtechnik zum Einsatz. Die quälende Unsicherheit treibt die Angehörigen der vermissten Passagiere an den Rand der Verzweiflung.

Unglückliche Informationspolitik: Hisamuddin Hussein (M.) fungiert im Fall MH370 als Sprecher der malayischen Regierung.
(Foto: REUTERS)
Am Tag 10 nach dem mysteriösen Verschwinden eines nahezu voll besetzten Passagierjets der Fluggesellschaft Malaysian Airlines (MAS) konzentrieren sich die Behörden auf zwei weit voneinander entfernte Gebiete, die Kommunikations- und Luftfahrtexperten anhand von Satellitendaten abstecken konnten.
Die beispiellose, staatenübergreifende Suchaktion verlagert sich damit weitab der bisherigen Suchareale auf einen sogenannten nördlichen und einen südlichen Korridor (siehe Karte). Der Betreiber eines geostationären Fernmeldesatelliten über dem Indischen Ozean hatte Stunden nach dem letzten gesicherten Radarkontakt noch technische Signale von Flug MH370 aufgefangen. Aus der Laufzeit dieser Signale lässt sich ein Radius ermittelt, der angibt, in welcher Entfernung zum Satelliten sich der Sender der Boeing 777-200ER zum Zeitpunkt der letzten Signalübermittlung befunden haben muss.
In Kombination mit den bisher vorliegenden Fakten ergibt sich daraus eine mögliche Flugroute nach Norden über den Norden Thailands in Richtung Zentralasien und eine weitere Route Richtung Süden auf den Indischen Ozean hinaus weit vor der Westküste Australiens.
Suche im Südwesten Chinas
Gestützt auf die These, dass die Maschine nach dem stufenweisen Ausfall - beziehungsweise Deaktivierung - verschiedener Ortungs- und Kommunikationssysteme tatsächlich noch mehrere Stunden als unmarkiertes Phantomflugzeug weiterflog, haben China und Australien die Regie über die Such- und Rettungsmission in den beiden riesigen Suchgebieten übernommen.
Die Behörden in China suchen damit nun knapp anderthalb Wochen nach dem Start des mehrheitlich mit chinesischen Staatsangehörigen besetzen Passagierflugzeugs auch im eigenen Land nach Flug MH370. Eine der möglichen Routen verlaufe auch über den äußersten Westen Chinas, erklärte das Außenministerium in Peking. Dort sei eine Suchaktion angelaufen. Nach Angaben eines Außenamtssprechers wurden 21 Satelliten auf die Ortung des Flugzeugs angesetzt. Auch Radar komme zum Einsatz.
Spionagesatelliten und Militärradar
Damit könnte der mysteriöse Vorfall westlichen Beobachtern womöglich Einblick in die Fähigkeiten Chinas auf dem Gebiet der militärischen Aufklärung liefern. Bislang gingen unmittelbar betroffene Staaten wie Malaysia, Thailand oder Vietnam sehr zurückhaltend mit strategisch bedeutsamen Informationen um.
Dabei liegen nach Einschätzung von Experten genau hier eine Reihe aufschlussreicher Fragen - zum Beispiel wartet die Öffentlichkeit unter anderem in Malaysia noch auf eine Antwort darauf, wie es einer vergleichsweise großen Verkehrsmaschine gelingen konnte, offenbar stundenlang unerkannt durch den malayischen Luftraum zu fliegen. Zuvor bereits hatte sich Peking mit der bislang größten Suchflotille in der Geschichte des Landes an der Fahndung nach dem vermissten Flugzeug beteiligt.

Enger lässt es sich offenbar nicht eingrenzen: Das Suchgebiet der Australier (Quelle: Australian Maritime Safety Authority).
(Foto: AP)
Parallel zu den Hightech-Anstrengungen in China sucht ein umfangreiches Großaufgebot an militärischen und zivilen Hilfskräften aus Australien mit eher konventioneller Suchtechnik entlang der möglichen südlichen Flugroute ein 600.000 Quadratkilometer großes Gebiet im Indischen Ozean ab. Konkret beteiligt sich Australien unter anderem auch mit Aufklärungsflugzeugen vom Typ AP3C "Orion" an der Suche.
Das vermisste Flugzeug war am 8. März mit 227 Passagieren und 12 Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Weg vom Startflughafen Kuala Lumpur nach Peking von den Radarschirmen verschwunden, ohne dass zuvor ein Notruf abgesetzt wurde. Anschließend flog die Boeing 777 bisherigen Vermutungen zufolge noch rund sieben Stunden weiter. Noch immer ist unklar, ob die Maschine letztlich abstürzte oder vielleicht doch irgendwo unerkannt landen konnte.
Wenig Hoffnung auf hoher See
Insgesamt erstrecken sich die beiden Suchgebiete nach Angaben des malaysischen Verkehrs- und Verteidigungsministers Hishamuddin Hussein zusammengenommen über eine Fläche von etwa 7,7 Millionen Quadratkilometern. Entsprechend groß sind die Herausforderungen, mit denen sich die Behörden aus mittlerweile 26 beteiligten Staaten konfrontiert sehen. Die knapp 60 Meter lange Maschine - oder womöglich ihre Überreste - verbergen sich demnach in einem Gebiet, das größer ist als die gesamte Landfläche Australiens.
Die Aktion gleiche "der Suche nach der Nadel im Heuhaufen", wie Einsatzleiter John Young von der australischen Schifffahrtsbehörde AMSA sagte. Sie werde "mindestens mehrere Wochen dauern". Die eingesetzten Flugzeuge können seinen Angaben zufolge nur an der Wasseroberfläche nach Wrackteilen suchen. Für eine Suche unter Wasser sind sie nicht ausgerüstet. Falls die Maschine notwassern musste oder nach einem Absturz im südöstlichen Indischen Ozean versank, wäre auch das Notfunksystem ELT nutzlos. Diese autonome Notfalleinrichtung aktiviert sich automatisch nach dem Aufprall, um die Positionsdaten an heraneilende Rettungskräfte zu funken - allerdings verhallen ihre Signale unter Wasser ungehört.
Kritik an Malaysia
Eine Überprüfung der 153 chinesischen Passagiere an Bord ergab unterdessen keine Hinweise auf eine Verwicklung in eine mögliche Flugzeugentführung oder einen Terrorakt, wie der chinesische Botschafter in Malaysia, Huang Huikang, der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua sagte.
Die ergebnislose Fahndung nach dem Flugzeug entwickelt sich unterdessen immer mehr zu einem Politikum. Malaysias Verkehrs- und Verteidigungsminister wies Vorwürfe mangelnder Kooperation mit US-Behörden zurück. Er habe am Dienstag ausführlich mit US-Verteidigungsminister Chuck Hagel telefonisch konferiert und sperre sich nicht gegen die Entsendung eines Expertenteams der US-Bundespolizei FBI, versicherte Hishammuddin.
Aus US-Sicherheitskreisen hieß es dagegen, Malaysia habe auch mehr als eine Woche nach dem Verschwinden der Maschine noch keine Einladung an die US-Behörden ausgesprochen. Verzweifelte Angehörige von chinesischen Passagieren drohen aus Protest gegen die schleppenden Ermittlungen und die malaysische Informationspolitik inzwischen mit einem Hungerstreik. Sie forderten den malaysischen Botschafter in China auf, sie persönlich über die Ermittlungen zu informieren.
Kurswechsel durch Computer-Befehl
Die "New York Times" berichtet unterdessen, der mysteriöse Kurswechsel von Flug MH370 sei manuell in das computergesteuerte Navigationssystem eingegeben worden, vermutlich von jemandem im Cockpit. Das passe zu der sich verstärkenden Annahme unter Ermittlern, dass das Flugzeug bewusst umgesteuert wurde.
Allerdings blieb unklar, ob diese Umprogrammierung vor oder nach dem Start der Maschine erfolgte. Der zwischen Pilot und Ko-Pilot befindliche Computer, das sogenannte Flight Management System, steuert das Flugzeug von Punkt zu Punkt entsprechend dem vorher festgelegten Flugplan.
Die beiden Piloten waren zuletzt immer stärker ins Visier der Ermittler geraten. Am Montag hatte Malaysia Airlines mitgeteilt, die letzten Worte aus dem Cockpit ("Alles klar, gute Nacht.") seien vom Ko-Piloten Fariq Abdul Hamid gekommen. Sie wurden übermittelt, nachdem das Kommunikationssystem ACARS manuell abgeschaltet worden war. Zwei Minuten nach den Worten des Ko-Piloten wurde auch der Transponder ausgeschaltet, der automatisch Daten an die Flugkontrolle überträgt. Danach verschwand die Maschine von den zivilen Radarschirmen.
"Jemand in der Maschine"
In einem zentralen Punkt der Untersuchung zum verschollenen Flug MH370 hat Malaysia frühere Angaben widerrufen. Wann genau die Kommunikationssysteme der Boeing 777-200 abgeschaltet wurden, ist demnach doch unklar. Bislang hieß es, die verschiedenen Einrichtungen wie etwa Transponder und ACARS-System, seien nacheinander und offenbar willentlich abgeschaltet worden. Der exakte Zeitpunkt könne nicht ermittelt werden, teilte Malaysias Verkehrsminister Hishammudin Hussein nun mit.
Der Minister widersprach damit früheren Aussagen, denen zufolge das Kommunikationssystem ACARS vor der letzten wörtlichen Rückmeldung aus dem Cockpit ausgeschaltet worden war. Laut der Fluggesellschaft könnte das System zwischen seinem letzten Signal um 01.07 Uhr und dem Zeitpunkt des nächsten planmäßigen Signals um 1.37 Uhr ausgeschaltet worden sein.
Dass unklar sei, ob die Kommunikation vor oder nach dem letzten Funkspruch um 1.19 Uhr abgeschaltet wurde, hat laut Hussein keinen Einfluss auf die Suche nach der Maschine. Unerheblich sei das auch für die Sicht, dass die Bewegungen des Flugzeugs auf "ein vorsätzliches Handeln von jemandem in der Maschine" schließen ließen.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa