Schumachers Ski-Unfall Der Stoff, aus dem Geschichten sind
06.01.2014, 15:30 Uhr
Michael Schumacher im Januar 2005 im italienischen Skiort Madonna di Campiglio.
(Foto: dpa)
Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher stürzt beim Skifahren schwer und schwebt seitdem in Lebensgefahr. Das Krankenhaus wird von internationalen Medienvertretern belagert, Schumachers Ärzte geben Pressekonferenzen. Was berührt die Menschen an Schumachers Unfall so sehr?
Seit Michael Schumacher am 29. Dezember beim Skifahren in Méribel verunglückte, geht jede Nachricht über den Gesundheitszustand des inzwischen 45-Jährigen sofort um die Welt. In einer anderen Zeit hätten die Zeitungen Extrablätter gedruckt, und die Menschen hätten sie den Zeitungsjungen aus der Hand gerissen. Heute kann man unter #Schumacher bei Twitter verfolgen, wie die Tweets noch immer im Sekundentakt durchrauschen, weil so viele Menschen ihre Genesungswünsche loswerden oder einfach nur Anteil nehmen wollen an Schumachers Schicksal. Manche wollen auch schreiben, dass ihnen die Schumacher-Nachrichten auf die Nerven gehen. Was aber berührt die Menschen an Schumachers Unfall so sehr?
Als er noch Formel 1-Rennen fuhr, schieden sich an Schumacher oft die Geister. Nach 91 Siegen konnte man ihm schlecht das Können absprechen, mögen musste man ihn nicht. Der gelernte Kfz-Mechaniker feierte seine Siege wie ein Buchhalter, der allzu großen Umarmung der Deutschen entzog sich der Sportheld mit dem Umzug in die Schweiz. Er heiratete und bekam Kinder, er baute ein Haus, das den verdienten Millionen angemessen war. Er kehrte der Formel 1 den Rücken und unternahm dann doch wieder ein Comeback. Auch wer kein Formel 1-Fan war, kam an "Schumi", der längst Teil der deutschen Sportgeschichte geworden war, kaum vorbei.
Das menschliche Maß
Schumacher fuhr zu einer Zeit Autorennen, als man dabei noch ums Leben kommen konnte. Seitdem sind die Strecken und die Autos sicherer geworden, ungefährlich ist der Sport noch immer nicht. Die schweren Verletzungen erlitt Schumacher jedoch als Familienvater bei einem eher lockeren Ski-Ausflug mit seinem Sohn. Der frühere Rennfahrer trug einen Helm und war auf einer nicht allzu schweren Piste unterwegs. Er stürzte in einem nicht präparierten Tiefschneebereich zwischen zwei Pisten. Jemand, der in seinem Leben bisher wahnsinnig viel Glück hatte, hat auf einmal unfassbar viel Pech. Und plötzlich nutzen ihm all das Geld und der Erfolg nichts mehr. Aus dem Rekord-Weltmeister war wieder der Mensch geworden.
An den Stammtischen wird schwadroniert über all die vielen Menschen, die sich beim Skifahren verletzen oder die gerade ums Überleben kämpfen. Mit deren Geschichten schmückten die großen Nachrichtenmagazine auch nicht ihre Titelseiten, heißt es kritisch. Das stimmt. Der andere Teil der Wahrheit ist jedoch: Das will auch niemand lesen.
Der Basketballer Dirk Nowitzki erzählte von seiner ersten Reaktion auf die Unglücksnachricht aus der Schweiz, er sei geschockt gewesen. Dann habe er sich gefragt, ob ihm das auch passieren könne. So geht es vielen. Und auch das ist eine Erklärung.
Bei Michael Schumacher stehen noch Tage nach dem Unfall Übertragungswagen vor dem Krankenhaus und melden jede Veränderung in alle Welt. Weil Schumacher jeder kennt, weil jeder irgendetwas dazu sagen kann. Schumachers Schicksalsschlag vereint die Menschen für einen Moment miteinander, ähnlich wie beispielsweise große Naturkatastrophen oder der Unfalltod von Prinzessin Diana. Das kann man Tratsch nennen oder Interesse, man kann es zynisch finden oder menschlich. Ändern wird man es nicht.
Quelle: ntv.de