Charité wehrt sich "Die Hygiene ist vorbildlich"
23.10.2012, 17:24 Uhr
Die frühgeborenenstation Intensivmedizin der Charité.
(Foto: dpa)
Wie konnten sich Frühgeborene in der Berliner Charité mit dem gefährlichen Serratien-Bakterien infizieren? An mangelnder Hygiene lag es nicht. Davon zeigt sich zumindest die Klinikleitung überzeugt. Sie liefert auch gleich eine Theorie, wer für den Vorfall verantwortlich zeichnen könnte.
Nach dem durch Keimbefall verursachten Tod eines Frühchens hat die Berliner Charité den Vorwurf mangelnder Hygiene zurückgewiesen. "Die Händehygiene ist vorbildlich", sagte die Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité, Petra Gastmeier. Zugleich wies das Klinikmanagement Vorwürfe zurück, die Frühchen-Abteilungen seien personell unterbesetzt. Gänzlich ausschließen, dass Mitarbeiter vergaßen, sich im Umgang mit den Frühgeborenen bei jeder Gelegenheit die Hände zu desinfizieren, konnte die Klinik wiederum nicht. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte unterdessen einen bundesweiten Mangel an Hygieneärzten.
Der Tod des Frühgeborenen am 5. Oktober war am Wochenende bekannt geworden. Das Baby war drei Tage zuvor im Deutschen Herzzentrum operiert worden. Bei der Obduktion wurde ein Befall mit Serratien-Bakterien festgestellt. Die Keime waren offenbar von einem weiteren Säugling übertragen worden, der sich auf einer von zwei Frühgeborenen-Intensivstationen in der Charité befindet.
Sieben Frühchen mit Symptomen
Gastmeier verteidigte das Hygieneverhalten des Krankenhauspersonals. Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Übereinstimmung von 92 bis 93 Prozent mit den Hygienevorschriften auf den betroffenen Stationen vorliegt. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, wies darauf hin, dass 250 Frühchen-Patienten zur fraglichen Zeit durch die Station gegangen seien, ohne sich infiziert zu haben.
Zum Vorwurf mangelnden Personals hieß es von Frei: Die Personalstärke sei verbesserungsfähig, aber vertretbar. Der vom Robert Koch-Institut empfohlene Personalschlüssel von drei Pflegern pro Bett wird auf der Intensivstation für Frühchen mit dem Stammpersonal nicht erreicht. Mit Extraschichten und Überstunden komme man nur auf 2,85 bis 2,91 Mitarbeiter pro Bett, sagte Frei. Es sei schwer, qualifiziertes Personal zu finden.
Der Charité war in den vergangenen Tagen unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene Hygienefehler vorgeworfen worden. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, kritisierte am Dienstag, dass es in Deutschland einen Mangel an Hygieneärzten gebe. "Wir haben ungefähr 100 Fachärzte für Hygiene in Deutschland. Wir bräuchten aber mindestens 700 bis 800", sagte Baum dem Fernsehsender Phoenix. Mit Blick auf die Charité sagte er: "Es ist die Aufgabe, dort, wo es auf keinen Fall zu Keimbegegnungen kommen soll, dies zu verhindern."
Auf den beiden Frühchen-Intensivstationen befinden sich nach Angaben des Direktors der Klinik für Neonatologie der Charité, Christoph Bührer, zurzeit noch sieben Frühchen mit Krankheitssymptomen, die wahrscheinlich durch Serratien-Keime ausgelöst wurden. Bei 15 weiteren Kindern seien Keime auf der Haut festgestellt worden. 40 Kinder seien ohne Keimbefall. Der Zustand des zweiten infizierten Kindes, ist mittlerweile stabil.
Erste Hinweise für Ursache
Auf welchem Weg die Keime übertragen wurden, war zunächst weiter unklar. Laut Gastmeier kann dies nur über einen Kontakt des Kinds mit dem Personal oder mit Gegenständen passieren. Es gebe aber erste Theorien. "Wir haben einige interessante neue Spuren", sagte Gastmeier dem RBB. Zur möglichen Infektionsquelle gebe es Ideen von Mitarbeitern, aber auch von außen. Um welche Quellen es konkret geht, sagte Gastmeier nicht. Auch eine Infektion über ein Babybad sei nicht auszuschließen, sagte sie. Im September hatten zwei Drogeriemarktketten Pflegemittel zurückgerufen, weil sie mit Serratien-Keimen belastet waren. "Wir müssen erst noch Proben ziehen. Insofern dauert es noch eine Weile, bis wir Genaues wissen."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP