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Doppelnamen ohne Bindestrich Eheleute bekommen bei Namenswahl mehr Freiheiten

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Bisher gehen die meisten Paare den traditionellen Weg und wählen den Nachnamen des Mannes.

Bisher gehen die meisten Paare den traditionellen Weg und wählen den Nachnamen des Mannes.

(Foto: picture alliance / imageBROKER/Unai Huizi)

75 Prozent der Paare entscheiden sich bei der Heirat für den Namen des Mannes. Ein neues Namensrecht könnte die Tradition etwas auflockern. Es ermöglicht echte Doppelnamen - auch für die Kinder.

Viel ist nicht bekannt über Herrn Müller-Lüdenscheid. Als er 1978 in Loriots Sketch "Herren im Bad" zu Dr. Klöbner in die Badewanne steigt, ist es in Deutschland erst seit zwei Jahren und nur durch Heirat möglich, einen Doppelnamen zu tragen. Ist dieser Herr im situierten Alter also jung verheiratet? Trägt er zu seinem Geburtsnamen den Nachnamen seiner Frau? Ist Herr Müller-Lüdenscheid viel moderner als er wirkt?

Nachnamen sind im Mittelalter aus Berufsbezeichnungen, Ruf- oder Siedlungsnamen entstanden. "Ihr Gebrauch war bis in das 18. und 19. Jahrhundert flexibel, oftmals variierte die Schreibung von Quelle zu Quelle, auch waren Namenswechsel eher möglich als heute", sagt die Namensforscherin Anne Rosar von der Uni Mainz gegenüber ntv.de. Mit der Entstehung des Nationalstaats erhielten Namen eine verwaltungsrechtliche Funktion, etwa um Menschen zur Wehrpflicht einziehen oder um von ihnen Steuern einfordern zu können.

Bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts war im deutschsprachigen Raum gesetzlich festgelegt, dass Frauen bei der Heirat den Nachnamen des Mannes annehmen mussten. "Frauen hatten bekanntlich deutlich weniger Rechte und der Familienname galt als Eigentum des Ehemannes", sagt Rosar. Es war eine Form der Besitzanzeige - die bis Mitte der 1970er-Jahre gültig blieb.

Erst im Zuge der Reform des Ehe- und Familienrechts trat am 1. Juli 1976 ein neues Namensrecht in Kraft. Es erlaubte Eheleuten, sich zwischen dem Nachnamen des Mannes und dem der Frau als Familiennamen zu entscheiden. Zusätzlich konnte entweder die Frau oder der Mann den eigenen Geburtsnamen dem gemeinsamen Namen voranstellen, verbunden durch einen Bindestrich. "Es handelt sich hier nicht um echte, vererbbare Doppelnamen, sondern nur um sogenannte Begleitnamen", erklärt Rosar. "Schließlich gilt nur der gemeinsame Name als Familienname". Und den konnte auch weiterhin der Mann bestimmen, wenn die frisch Vermählten uneins waren.

In der DDR hatten Eheleute schon seit 1966 die Möglichkeit, den Geburtsnamen von Mann oder Frau als gemeinsamen Ehenamen zu tragen. Die Begleitnamen waren dort nicht erlaubt.

Namen gehen verloren

Ein zentrales Namensregister gibt es in Deutschland nicht. Unbestritten gilt in der Wissenschaft, dass durch die Praxis vor 1976 Namen verloren gingen. "In der Namensforschung gehen wir davon aus, dass es in Deutschland schätzungsweise 850.000 verschiedene Familiennamen gibt", sagt Rosar. Rund die Hälfte der Namen sei so selten, dass sie von nur zwei oder drei Menschen getragen würden. "Wenn bei der Heirat immer nur einer von zwei Namen behalten wird, führt das langfristig dazu, dass viele Namen verschwinden."

Erst seit 1991 mussten sich Eheleute nicht mehr für einen gemeinsamen Ehenamen entscheiden und konnten ihre Familiennamen behalten, also in der Ehe verschiedene Nachnamen tragen. Doppelnamen für beide waren dagegen weiterhin nicht vorgesehen, ebenso wenig für die Kinder. "Das ist nicht zeitgemäß in einer multikulturellen Gesellschaft, in der wir uns die Gleichberechtigung der Geschlechter, Freiheit und Offenheit wünschen und vielfältige Familienformen wie Patchwork- oder Regenbogenfamilien die Realität sind."

Doppelnamen, aber kein Meshing

Der Bundestag beschloss im vergangenen Jahr eine Reform des Namensrechts, die am 1. Mai 2025 in Kraft tritt. Sie ermöglicht, beide Familiennamen des Paares zu echten Doppelnamen zusammenzusetzen, auch ohne Bindestriche - und das sowohl für beide Eheleute als auch für die Kinder, die bislang nur den Namen eines Elternteils tragen durften. Länder wie Spanien oder Schweden gehen mit dem Namensrecht seit jeher entspannter um. In Großbritannien können sogar unverheiratete Paare einen gemeinsamen Namen beantragen, dort und in den USA ist auch sogenanntes Meshing erlaubt: die Bildung eines neuen Namens aus zwei bestehenden - etwa Knüller aus Knall und Müller.

Als besonders progressiv haben sich die Deutschen bei der Namenswahl bislang allerdings nicht hervorgetan. Trotz der bereits geltenden Möglichkeiten entscheiden sich immer noch erstaunlich viele Paare für die tradierte Variante: Laut einer Studie der Gesellschaft für deutsche Sprache aus dem Jahr 2018 wählten nur sechs Prozent der Paare den Familiennamen der Frau, etwa doppelt so viele entschieden sich für getrennte Namen. Drei Viertel der Paare trugen nach der Eheschließung den Nachnamen des Mannes.

Einer Studie der Partnervermittlung Elitepartner aus dem Jahr 2023 zufolge entscheiden sich Frauen aus allen Altersgruppen, in der Ehe bevorzugt den Namen des Mannes zu tragen. Selbst bei den 18- bis 29-Jährigen wählen demnach zwei Drittel der Frauen dieses Modell. Darüber, wie queere Paare über ihre Namen entscheiden, existieren keine validen Zahlen.

Motive für die Namenswahl

In einer Umfrage hat Rosar 2022 bei den Teilnehmenden die Motive der Namenswahl abgefragt: "Männer wie Frauen, die sich traditionell entschieden haben, sagten, dass der Name des Mannes auch schöner, attraktiver, seltener ist und besser klingt", sagt die Namensforscherin. "Die Menschen merken, es ist nicht mehr so en vogue, einfach nur 'Tradition' zu sagen. Es war interessanterweise immer der Name des Mannes, der dem Paar besser gefallen hat."

Dass Leute, die sich für die traditionelle Variante entscheiden, zwangsläufig auch traditionelle Vorstellungen von Geschlechterrollen hätten, glaubt sie nicht. "Es ist einfacher, der sozialen Norm zu folgen, das wird in den meisten Fällen gar nicht hinterfragt." Wie groß das Interesse an den echten Doppelnamen sein werde, lasse sich nicht prognostizieren. Sinnvoll seien sie aber auf jeden Fall: "Der Name ist etwas, worüber sich Menschen identifizieren, auch als Familie", sagt Rosar. Diese Funktion als Merkmal der Zusammengehörigkeit könne der Familienname in der aktuellen Gesetzgebung in vielen Fällen nicht erfüllen. "Deshalb glaube ich, dass dieses neue Gesetz tatsächlich auf Anklang stoßen wird."

Ob Loriots Kultfigur tatsächlich verheiratet war, lässt sich an ihrem Nachnamen übrigens nicht erkennen. Zwar waren Begleitnamen vor 1976 eigentlich nicht erlaubt, eine Ausnahme bildeten historisch allerdings besonders häufige Namen - wie eben Müller. "Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Regelung, wonach solche Namen einen Zusatz bilden durften, damit die Personen besser identifizierbar wurden." Als Zusatz diente dann oft der Herkunftsort - wie auch bei Loriot. Pate für seine Figur soll nämlich der Regisseur Hans Müller gestanden haben, bei dem Loriot einst hospitierte. Dessen Geburtsort? Lüdenscheid.

Quelle: ntv.de

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