Zusammenstoß mit Eurofighter Flog der Learjet die Kurve zu eng?
24.09.2014, 03:15 Uhr
Brutale Narbe in der Landschaft: Polizisten und Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) untersuchen am Tag nach dem Absturz die Absturzstelle nahe Elpe bei Olsberg im Sauerland.
(Foto: picture alliance / dpa)
Fast genau drei Monate nach dem tödlichen Zusammenstoß am Himmel über dem Sauerland gelangen erste Details aus dem offiziellen Zwischenbericht der Flugunfallermittler an die Öffentlichkeit. Wie kam es zu dem Unfall?
Die Kollision eines Learjets mit einem Eurofighter der Bundeswehr im Juni geht angeblich auf einen zu engen Kurvenradius des zivilen Flugzeugs zurück. Zu diesem Ergebnis komme ein vorläufiger "Zwischenbericht" der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt. Bereits kurz nach dem Unfall, bei dem Pilot und Kopilot des Learjets starben, hatte es erste Hinweise auf diese Ursache gegeben.
Der Learjet und zwei Eurofighter waren am 23. Juni eine routinemäßige Übung geflogen. Dem Übungsszenario zufolge sollte ein unangemeldet in den deutschen Luftraum eingedrungenes Flugzeug überprüft werden. Der Learjet - eine Maschine der Gesellschaft für Flugzieldarstellung (GfD) mit zwei erfahrenen Piloten an Bord - übernahm dabei die Rolle des Eindringlings. Die beiden Kampfjets sollten sich der Maschine bis auf Sichtweite annähern und sie zum Abdrehen zwingen.
Situationen wie im Übungsszenario beschrieben treten Experten zufolge im deutschen Flugverkehr recht häufig auf. In fast allen Fällen sind die Gründe für einen ausbleibenden Funkkontakt allerdings vollkommen harmlos: Ein verirrter Sportflieger, ein simpler Navigationsfehler, eine aus Versehen überhörte Anfrage der Flugleitstelle.
Aufgabe der Alarmrotten der Luftwaffe ist es in solchen Fällen, zunächst Sichtkontakt zu dem Flieger aufzunehmen und zu klären, ob es sich etwa um eine Entführung handelt. Reagiert der stumme Eindringling nicht auf die Annäherung der Kampfpiloten, indem er etwa die Funkverbindung aufnimmt, sollen die Bundeswehr-Jets die Maschine zur Landung zwingen.
Flugunfallberichte Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) verfasst grundsätzlich zu jeder Untersuchung von Unfällen und Störungen im Betrieb ziviler Luftfahrzeuge einen offiziellen Bericht "in einer der Art und Schwere des Ereignisses angemessenen Form".
Dieser Bericht verweist auf den ausschließlichen Untersuchungszweck, heißt es bei der BFU. "Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen."
(Quelle: BFU)
"Ich kann den nicht mehr sehen"
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) verfasst grundsätzlich zu jeder Untersuchung von Unfällen und Störungen im Betrieb ziviler Luftfahrzeuge einen offiziellen Bericht "in einer der Art und Schwere des Ereignisses angemessenen Form".
Dieser Bericht verweist auf den ausschließlichen Untersuchungszweck, heißt es bei der BFU. "Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen."
(Quelle: BFU)
Bei der Übung im Juni war eines der Kampfflugzeuge neben den Learjet geflogen, und die Piloten hatten, wie vorgesehen, miteinander kommuniziert. Wie aus dem BFU-Bericht hervorgeht, sollte dann simuliert werden, dass ein imaginärer Entführer des Learjets von dessen Insassen überwältigt worden sei – das Zivilflugzeug sollte daraufhin dem Eurofighter folgen.
Der Kampfjet flog nun dem Bericht zufolge eine Linkskurve, während der Learjet zunächst leicht nach rechts steuerte und dann ebenfalls in eine Linkskurve ging. Durch die verzögert eingeleitete Kurve kam die Maschine dem Kampfflugzeug offenbar immer näher. Laut der Aufzeichnungen des "Cockpit Voice Recorders" sagte der Kopilot des Learjets zu diesem Zeitpunkt: "Kannst du mal nehmen, ich kann den nicht mehr sehen."
Plötzlich Rauch im Spiegel
Zehn Sekunden später zeichnete der Rekorder laut Bericht "dumpfe Geräusche auf, bevor die Aufzeichnung nach einer Sekunde stoppte". Zum Zeitpunkt der Kollision steuerte der Learjet laut Flugdatenschreiber einen Kurs von 358 Grad bei einer Querneigung von 46 Grad nach links, während der Eurofighter einen Steuerkurs von 001 Grad anliegen hatte bei einer Querneigung von 26 Grad nach links.
Der Learjet flog also eine deutlich engere Linkskurve, was ihn auf Kollisionskurs mit dem Eurofighter brachte. Dessen Pilot gab dem Bericht zufolge später an, er habe eine Erschütterung wahrgenommen und "im Spiegel schwarzen Rauch gesehen", während der Learjet "verschwunden gewesen" sei. Der Pilot des zweiten Eurofighters, der sich hinter den beiden anderen Flugzeugen gehalten hatte, gab an, er habe "eine kleine Explosion" wahrgenommen.
Am Ortsrand zerschellt
Der Learjet stürzte ab und prallte am Rand des Ortes Elpe im Sauerland auf. Den beiden Insassen blieb keine Überlebenschance. Die Anwohner der Unglücksstelle entgingen offenbar nur durch Glück einer größeren Katastrophe. Noch fehlen genaue Angaben aus dem Abschlussbericht der Flugunfallermittler: Aber die bisher vorliegenden Angaben lassen kaum Zweifel, dass die Maschine durchaus auch mitten in bewohntem Gebiet hätte aufschlagen können.
Der beschädigte Eurofighter, bei dem unter anderem ein Außentank abgerissen war, steuerte den Fliegerhorst Nörvenich an. Wäre der am Unfall beteiligte Eurofighter wie der Learjet ebenfalls außer Kontrolle geraten, hätte sich der Pilot noch mit dem Schleudersitz retten können. Diese Option stand den beiden Piloten der zivilen Übungsmaschine nicht zur Verfügung. Das als Jet für Geschäftsreisende ausgelegte Flugzeug verfügt über keine militärischen Notfallsysteme.
Quelle: ntv.de, mmo