Drei Jahre und sechs Monate Haft? Hoeneß hofft auf Karlsruhe
13.03.2014, 17:09 Uhr
Uli Hoeneß verlässt das Gericht
(Foto: REUTERS)
Kann sich ein Steuerhinterzieher durch eine so fragwürdige Selbstanzeige wie die von Uli Hoeneß vor einer Strafe schützen? Nein, sagt das Gericht und verurteilt den Bayern-Präsidenten zu dreieinhalb Jahren Haft. Es muss nicht das letzte Wort in dieser Sache gewesen sein.
Bis in den Gerichtssaal sind die "Uli Hoeneß"-Rufe auf der Straße zu hören, als sich die Nachricht von der Verurteilung des Bayern-Präsidenten verbreitet. Bis zuletzt hatte der wohl an die Einstellung des Verfahrens geglaubt oder zumindest daran, dass er mit einer Bewährungsstrafe davonkommt.
Das war keine unrealistische Einschätzung, gilt dieser Prozess doch nicht nur deswegen als spektakulär, weil es um einen Prominenten und um eine extrem hohe Summe geht. Auch juristisch war in diesem Fall eine neue Frage zu beantworten: Kann eine so unsortierte und unter Druck zustande gekommene Selbstanzeige wie die von Uli Hoeneß trotz allem zu Straffreiheit führen?
Weil die Antwort auf diese Frage so weitreichend ist, ist jetzt schon klar, dass sie von der nächsten Instanz, dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt werden wird.
Steuerhinterziehung unbestritten
Das Landgericht München II urteilte erst einmal, dass die Selbstanzeige nicht zulässig ist und verurteilte Hoeneß zu drei Jahren und sechs Monaten Haft ohne Bewährung. Dabei spielte eine Rolle, dass das Schätzergebnis von 10 Millionen Euro, das Hoeneß nach seiner Selbstanzeige überwiesen hatte, nicht überprüfbar war und sich dann ja auch als unzutreffend herausgestellte. Es werde manchmal vergessen, dass Steuerhinterziehung ein Vorsatzdelikt ist, so Richter Rupert Heindl. Das Gericht zeigte sich überzeugt, dass Hoeneß sich bei Abgabe seiner Steuererklärungen bewusst war, dass seine Angaben unvollständig waren. Es handle sich nicht nur um eine missglückte, sondern um eine unwirksame Selbstanzeige. Niemand hätte mit dem vorhandenen Material eine wirksame Selbstanzeige erstellen können. "Sie hatten eben nicht alles, was sie brauchten, aber sie haben es trotzdem riskiert", so Heindl an die Adresse des Verurteilten.
Laut Urteil fielen folgende, nicht gezahlte Steuerbeträge, inklusive Solidaritätszuschläge an.
2003: 14,9 Millionen
2004: 142.000
2005: 10,7 Millionen
2006: 323.000
2007: 1,1 Millionen
2008: 894.000
2009: 268.000
Unbestritten ist, dass Hoeneß durch Spekulationen in der Schweiz Gewinne erzielte und diese nicht in seiner Steuererklärung angab und also auch keine Steuern darauf zahlte. Laut Urteil waren es rund 28,5 Millionen Euro. In der Anklage war ursprünglich von 3,5 Millionen Euro die Rede, zu Beginn des Verfahrens hatte die Verteidigung eine Summe von 18,5 Millionen genannt.
Staatsanwalt: Anzeige ein "Schnellschuss"
Entscheidend für das Urteil war aber nicht die genaue Höhe der hinterzogenen Steuern, sondern die Frage, ob die Selbstanzeige wirksam war. Staatsanwalt Achim von Engel hatte daran keinen Zweifel. In seinem halbstündigen Plädoyer erklärte er, Hoeneß sei über Jahre hinweg untätig geblieben, obwohl von deutschen Behörden Schweizer Steuer-CDs aufgekauft wurden, und obwohl der damalige Post-Chef Klaus Zumwinkel für Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Selbst nach dem Scheitern des Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz Ende 2012 habe Hoeneß "keine äußerlich erkennbaren Aktivitäten" gezeigt.
Der Zusammenhang zwischen den Recherchen des "Stern"-Reporters Johannes Röhrig und der Selbstanzeige liege "auf der Hand", so Engel. Die Selbstanzeige nannte er einen "Schnellschuss". Sie sei unwirksam, da sie unvollständig gewesen sei. "Eine Aufstellung, die rein inhaltlich den Anforderungen einer Selbstanzeige genügt, gibt es bis heute nicht." Engel sah die Merkmale eines besonders schweren Falles erfüllt und forderte eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.
Rechtsanwalt Hanns Feigen nahm seinen Mandanten in Schutz. In seinem knapp 50-minütigen Plädoyer bezeichnete er die Abgabe der Selbstanzeige am 17. Januar 2013 als "die Stunde Null" dieses Verfahrens. Hätte der Staatsanwalt an diesem Morgen bei Hoeneß geklingelt, hätte man sich über die Unwirksamkeit der Selbstanzeige unterhalten können. "Aber Herr Hoeneß hat geklingelt, oder klingeln lassen." Dass Hoeneß auf die Recherchen des "Stern" reagiert habe, sei egal.
Hoeneß will erst einmal schweigen
Feigen räumte ein, dass die ausgewiesenen Verluste in einzelnen Jahren ein Problem seien. Es wäre besser gewesen, wenn Hoeneß' Steuerberater "einen Satz" dazu geschrieben hätte, dass auch in den Verlustjahren Steuern fällig werden dürften. "Das hätte dazu geführt, dass wir nach meiner sicheren Überzeugung hier nicht sitzen würden". Die Selbstanzeige, so schloss Feigen, sei "besser als ihr Ruf". Für den Fall, dass das Gericht das Verfahren nicht einstellt, beantragte Feigen schließlich eine Bewährungsstrafe.
Nach den Plädoyers gab Richter Heindl Hoeneß das Schlusswort. Der sagte, er habe dem Vortrag seines Anwalts nichts hinzuzufügen. Heindl schloss die Sitzung um 14.42 Uhr. Ein Hoeneß-Sprecher sagte n-tv.de, der Bayern-Präsident werde sich auch "in den kommenden Tagen" nicht zu dem Fall äußern. Er bleibt vorerst auf freiem Fuß, der Haftbefehl gegen ihn ist weiterhin ausgesetzt.
Die Verteidigung kündigte im Anschluss an das Urteil an, in Revision zu gehen. Die Staatsanwaltschaft, deren Forderung ja auch nicht voll erfüllt wurde, behält sich diesen Schritt noch vor.
Quelle: ntv.de