Panorama

Letzter mutmaßlicher Alex-Schläger gefasst Jonny K.s Familie will keine Rache

Am Tatort am Berliner Alexanderplatz erinnert eine Tafel an Jonny K.

Am Tatort am Berliner Alexanderplatz erinnert eine Tafel an Jonny K.

(Foto: dpa)

Nach seiner Rückkehr aus der Türkei sitzt auch der letzte Tatverdächtige der tödlichen Prügelattacke vom Alexanderplatz in Untersuchungshaft. Für die Familie von Jonny K. geht damit eine Zeit der Ungewissheit zu Ende. Sie fürchtete schon, er könnte sich der juristischen Verfolgung entziehen. Nun erwarten die Angehörigen mit Spannung den Prozess.

Die Eltern von Jonny K. bei dem Benefizkonzert für ihren Sohn am vergangenen Sonntag.

Die Eltern von Jonny K. bei dem Benefizkonzert für ihren Sohn am vergangenen Sonntag.

(Foto: dpa)

Die Familie von Jonny K. hat mit großer Erleichterung auf die Nachricht reagiert, dass mit Onur U. auch der letzte Tatverdächtige rechtzeitig zum Prozess in Deutschland in Haft sitzt. U. war am Montag aus dem türkischen Izmir zurückgekehrt, wohin er sich nach der Tat im Oktober 2012 abgesetzt hatte.

Der Anwalt der Familie K., Mirko Röder, sagte n-tv.de, die Eltern und Schwestern von Jonny K. seien unendlich dankbar, dass die "Ungewissheit nun zu Ende ist". Voraussichtlich ab Mitte Mai sollen sich die sechs mutmaßlichen Täter vor der Jugendkammer des Landgerichts Berlin verantworten. Die zwischen 19 und 24 Jahre alten Männer sind der Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.

Diese Anklage bezeichnete Röder als "angemessen und maßvoll". Im Falle eines Schuldspruchs seien mehrjährige Haftstrafen ebenso möglich wie mildere Bewährungsstrafen. Röder betonte jedoch, entscheidend sei für seine Mandanten, dass die sechs Beschuldigten nun gemeinsam auf der Anklagebank säßen. Darüber ist allerdings noch nicht abschließend entschieden. Den Fall von Bilal K. der sich erst vor zweieinhalb Wochen gestellt hatte und nun ebenfalls in U-Haft sitzt, hatte die Staatsanwaltschaft zügig mit dem Hauptverfahren verbunden. Ein ähnliches Vorgehen sei nun zu erwarten, hieß es aus Justizkreisen. Es müssten jedoch einige formale Schritte eingehalten werden. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) betonte bei n-tv, er gehe davon aus, dass sich alle sechs Tatverdächtigen zusammen im Mai vor Gericht verantworten müssen.

Auf Ermittlungsbehörden vertraut

Laut Röder fühlt sich die Familie von Jonny K. in ihrem Vertrauen in die deutsche Polizei und die Strafermittlungsbehörden bestärkt. Nun wolle man den Verlauf des Prozesses abwarten. Die Familie wolle "keine Strafe um jeden Preis". Dazu sagte Heilmann, er unterstütze die Familie in ihrem Engagement. "Ich habe größten Respekt und Sympathie für das, was die Schwester macht, weil sie eben nicht Rache betreibt, sondern Versöhnung, aber auch ein klares Engagement gegen Jugendgewalt."

Die Prügelattacke auf Jonny K. hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Onur U., Bilal K., Osman A., Memet E., Melih Y. und Hüseyin I. hatten Jonny K. in der Nacht zum 14. Oktober 2012 vor einem Lokal nahe dem Alexanderplatz so heftig geschlagen und getreten, dass er einen Tag später an Gehirnblutungen starb. Auch ein Freund war angegriffen und verletzt worden. Erst an diesem Sonntag wurde mit einem Benefizkonzert an das Opfer erinnert. Es wäre an dem Tag 21 Jahre alt geworden.

Drei der sechs Verdächtigen hatten sich bereits vor Weihnachten den Behörden gestellt und Geständnisse oder Teilgeständnisse abgelegt. Später meldete sich noch ein weiterer mutmaßlicher Tatbeteiligter bei den Behörden. Die Suche nach den verbliebenen Verdächtigen führte jedoch zu einem monatelangen Tauziehen zwischen Deutschland und der Türkei. Bilal K. und Onur U. hatten sich kurz nach der Schlägerei in das Heimatland ihrer Familien abgesetzt. Ein Festnahme- und Auslieferungsersuchen der Berliner Justiz an die türkischen Behörden blieb monatelang ergebnislos. Bilal K. kehrte schließlich nach Deutschland zurück und stellte sich noch am Flughafen.

Politischer Druck auf Türkei

Doch in den Fall von Onur U. brachte offenbar erst die Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan am 25. Februar in Ankara Bewegung. Sie hatte deutlich gemacht, dass sie eine aktive Fahndung nach dem letzten noch flüchtigen Tatverdächtigen erwarte. Justizsenator Heilmann konnte einen unmittelbaren Zusammenhang nicht bestätigen. Er bezeichnete den zeitlichen Ablauf jedoch als "relativ eindeutig". Er habe Anfang Februar mit der Kanzlerin gesprochen. Sie habe den Fall dann mit Erdogan besprochen. Daraufhin habe die Türkei "um den 10. März herum" Ermittlungen aufgenommen und "uns das dann im Laufe des Märzes mitgeteilt. Wir haben es öffentlich gemacht und wenige Tage später ist er hier."

Röder machte deutlich, dass seine Mandanten sich nicht an Spekulationen beteiligen wollen, was Onur U. schließlich bewegt habe, nach Deutschland zurückzukehren. Möglicherweise hielt der 19-Jährige den nun entstandenen Druck nicht mehr aus. In der Türkei hätte ihm eine harte Strafe gedroht, es wurde wegen Mordes ermittelt. Auch das Jugendstrafrecht, das in Deutschland höchstens zehn Jahre vorsieht, wird in der Türkei nicht angewendet. Dies sei jedoch nun unerheblich.

Die Tat habe die Familie des Opfers auseinandergerissen, deren einziger Sohn ums Leben gekommen sei. "Sie belastet aber auch die Familien der Täter, die sich nun aus einer Schlägerei heraus für den Tod eines Menschen verantworten müssen", so Röder.

Quelle: ntv.de

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