"Historische Bedeutung" KZ-Wachmann könnte nun doch vor Gericht landen
03.12.2024, 11:46 Uhr Artikel anhören
Der Beschuldigte soll als Heranwachsender einem SS-Wachbataillon im KZ Sachsenhausen angehört haben.
(Foto: picture alliance/dpa)
Einem mutmaßlichen früheren KZ-Wachmann wird Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen vorgeworfen. Ein Gutachter erklärt den heute 100-Jährigen jedoch für prozessunfähig. Das Oberlandesgericht Frankfurt hebt den Beschluss nach Beschwerden jetzt aber auf.
Vor dem Landgericht Hanau wird nun möglicherweise doch gegen einen inzwischen 100 Jahre alten mutmaßlichen früheren KZ-Wachmann verhandelt. Das Gericht hatte im Mai die Eröffnung eines Hauptverfahrens noch abgelehnt, nachdem ein Sachverständiger festgestellt hatte, dass der Mann verhandlungs-, vernehmungs- und reiseunfähig sei. Dieser Beschluss wurde nun vom Oberlandesgericht Frankfurt aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft Gießen und mehrere Nebenkläger hatten sich über die Entscheidung des Hanauer Landgerichts beschwert. Das OLG Frankfurt forderte das Landgericht jetzt zu Nachermittlungen über die Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten auf. Die Gutachten des Sachverständigen weisen nach Ansicht des OLG mehrere Mängel auf. "Ich begrüße die Entscheidung des Oberlandesgerichts, dass die Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten noch einmal gründlich geprüft wird", erklärte der Frankfurter Generalstaatsanwalt Torsten Kunze. "Sollte das Hauptverfahren eröffnet werden, könnte es sich um den letzten Prozess dieser Art handeln, was die historische Bedeutung des Verfahrens unterstreicht."
"Es gibt jetzt die Chance, dass die Verhandlung stattfinden kann. Es ist aber nicht sicher", sagte Nils Lund, Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Mit Blick auf das hohe Alter des Beschuldigten sei bei der Prüfung der Verhandlungsfähigkeit Eile geboten. Eine Frist für das Landgericht gebe es aber nicht. Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte im vergangenen Jahr Anklage gegen den Mann erhoben, der als Heranwachsender Wachmann im KZ Sachsenhausen gewesen sein soll.
Angehöriger eines SS-Wachbataillons
Aus diesem Grund und weil im Jugendstrafrecht das Wohnortprinzip gilt, hatte die Jugendkammer des Landgerichts Hanau über eine Zulassung der Anklage zu entscheiden. Dem Mann aus dem Main-Kinzig-Kreis wurde zur Last gelegt, von Juli 1943 bis Februar 1945 in mehr als 3300 Fällen Beihilfe zum Mord geleistet zu haben. Als Angehöriger der SS-Wachmannschaften soll der deutsche Staatsangehörige "die grausame und heimtückische Tötung Tausender Häftlinge unterstützt haben".
Als Angehöriger eines SS-Wachbataillons soll der Mann unter anderem mit der Bewachung von dort untergebrachten Häftlingen befasst gewesen sein. Zudem soll er mit der Überführung ankommender Häftlinge vom Bahnhof in das Hauptlager sowie mit der Bewachung von Häftlingstransporten beauftragt gewesen sein. Während des Tatzeitraums sollen in dem Lager mindestens 3318 Häftlinge an den Folgen der dort herrschenden Unterbringungs- und Lebensverhältnisse sowie durch Erschießungen und den Einsatz von Giftgas gestorben sein.
Quelle: ntv.de, lar/dpa