Haftstrafen in Stralsund Motiv für Fischbrötchenkrieg bleibt ungeklärt
25.02.2015, 21:56 Uhr
Trügerische Idylle: Am Stralsunder Hafen tobte ein Kleinkrieg.
(Foto: picture alliance / dpa)
Seit Jahren beschäftigt eine brutaler Kleinkrieg in Stralsund die Justiz. Ob es dabei wirklich um die Lizenzen für Fischverkäufer ging, bleibt zwar offen. Ins Gefängnis müssen die Täter dennoch. Das haben sie unter anderem der Oma des Hauptangeklagten zu verdanken.
Es ist der Plot für einen TV-Krimi mit Küstenkolorit: Eine idyllische Kulisse mit kreischenden Möwen und dümpelnden Fischkuttern im Hafen, hinter der ein brutaler Kampf um Konzessionen für den Verkauf von Fischbrötchen tobt. Brandanschläge, Bombenalarm im Bauamt, Buttersäureangriffe und eine Schlagstockattacke auf den Vize-Oberbürgermeister - nichts bleibt aus.
Was sich ein Drehbuchautor nicht besser hätte ausdenken können, war offenbar 2012 in der Hansestadt Stralsund Realität. Drei vorbestrafte Männer waren im Juni 2013 wegen Einschüchterungen und Gewalttaten im Zusammenhang mit der Vergabe von Konzessionen für den lukrativen Fischverkauf im Hafen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden - bis der BGH später die Beweiswürdigung bemängelte und das Urteil aufhob.
Nun hat eine andere Kammer des Stralsunder Landgerichts zwei der drei Männer verurteilt. Ein 31-Jähriger muss für zwei Jahre und einen Monat in Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er im Juli 2012 Stralsunds Vize-Oberbürgermeister Heinz-Dieter Hartlieb mit einem Schlagstock angegriffen und verletzt hatte.
Der 36 Jahre alte Hauptangeklagte wurde hingegen zumindest vom Vorwurf, der Anstiftung zu dieser Tat, aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Erwiesen ist hingegen für das Gericht, dass der Mann eine Bombenattrappe im Bauamt deponiert hatte. Das brachte ihm eine Freiheitsstrafe von neun Monaten ein. Damit verlängert sich seine Haftstrafe, die er derzeit wegen räuberischer Erpressung absitzt, auf drei Jahre und sechs Monate.
Zeuge widerspricht sich
Die Ermittlungsbehörde ging davon aus, dass die Bande deshalb zuschlug, weil der 36-Jährige mit 50.000 Euro Schulden beim Lebensgefährten einer Gastronomin in der Kreide stand, die ihr Geschäft im Fischbrötchen-Verkauf am Hafen ausbauen wollte. Die Verteidigung hielt dieses Motiv für konstruiert, die Kammer für nicht gesichert.
Zudem schwiegen die Angeklagten hartnäckig, begleiteten den Prozess höchstens mit süffisanten Bemerkungen und demonstrativ zur Schau gestelltem Desinteresse. Der Staatsanwalt und die Verteidiger, allen voran der Berliner Anwalt Johannes Eisenberg, der im Berliner Edathy-Ausschuss erst kürzlich dem SPD-Abgeordneten Michael Hartmann zum Schweigen riet, lieferten sich ein wütendes Verbalduell.
Die Verteidigung hielt vor allem die Aussagen des Hauptbelastungszeugen, der den verurteilten Schläger zur Schlagstockattacke gefahren hatte, für nicht glaubwürdig. Dieser ist laut Eisenberg ein "Blender", ein "habitueller Betrüger". Genüsslich sezierte er die Widersprüche. Das Gericht verließ sich deshalb beim Urteil nicht nur auf den Zeugen, sondern auf Sachbeweise - und die waren mager.
Oma schrieb die Drohung
Fakt ist, dass nach der Eröffnung des Ozeaneums die Stadt die Vergabe der begehrten Konzessionen im Hafen neu regelte. Insider hatten berichtet, dass durch den Verkauf von Fischbrötchen an diesem attraktiven Standort Jahreseinnahmen von bis zu 200.000 Euro erzielt wurden. Statt mehrjähriger Pachtverträge wurden 2012 die Konzessionen auf ein Jahr befristet. Die Stadtverwaltung wollte mit der Zulassung von weiteren Kuttern dem Fischbrötchen-Verkauf den "Lukrativitätsdruck" nehmen, wie Vize-OB Hartlieb berichtete.
Zum Verhängnis wurde dem Hauptangeklagten letztendlich dessen Oma. Die Seniorin hatte den Drohzettel auf der Bombenattrappe geschrieben, die im August 2012 mit 400 Gramm echtem TNT im städtischen Bauamt gelagert worden war und dort für Angst und Schrecken sorgte. Die Frau wurde für die Drohung mit dem Wortlaut "Hartlieb, du korruptes Schwein. Verpiss dich aus unserem Amt" wegen Beihilfe verurteilt.
Verteidiger und Staatsanwalt prüfen nun eine Revision. Auch wenn das Gericht Zweifel am Hintergrund der Tat hat, zeigte sich Staatsanwalt Rolf Kuhlmann mit dem Urteil zufrieden. "Wichtig war mir, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen wurden."
Quelle: ntv.de, mbo/dpa