"Erkenne das Land nicht wieder" Tausende fordern "Nie wieder ist jetzt" in Berlin
10.12.2023, 16:18 Uhr Artikel anhören
Bei strömendem Regen zogen die Demonstranten vom Tiergarten zum Brandenburger Tor.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bei einer Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin zeigt sich der Chef des Zentralrats der Juden entsetzt über die derzeitige Situation für Jüdinnen und Juden in Deutschland. Noch bestehe die Möglichkeit, das Ruder rumzureißen - allerdings müsse man sich dafür Fehler eingestehen.
In Berlin haben mehrere Tausend Menschen gegen Antisemitismus, Hass und Rassismus demonstriert. Unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt" liefen sie bei teils strömendem Regen vom Großen Stern im Tiergarten zum Brandenburger Tor, wo es eine Kundgebung gab. Die Polizei sprach von etwa 3200 Teilnehmern, die privaten Veranstalter gingen von 10.000 aus.
"Ich erkenne zuweilen dieses Land nicht wieder. Es ist etwas aus den Fugen geraten", sagte der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Josef Schuster. "Es ist noch die Gelegenheit, dies zu reparieren, doch dafür muss man sich auch eingestehen, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist, was man nicht hat sehen können oder wollen."
Die Kundgebung war unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz unterstützt worden. In der ersten Reihe der Demonstration waren unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner, der Schlagersänger Roland Kaiser, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und der Publizist Michel Friedman dabei.
"Wir sind viele, aber zu viele Anständige sind zu leise", sagte der SPD-Politiker Heil. "Wir brauchen keine anständige, schweigende Mehrheit. Wir brauchen eine deutlich laute Mehrheit, die jetzt aufsteht und nicht später." Es müsse Schluss sein mit Antisemitismus. "Wir müssen Ernst machen damit", sagte Heil.
Weiterer Protest fordert Stopp für Waffenlieferungen an Israel
Als Schirmherrin der Veranstaltung sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: "Jüdinnen und Juden haben Angst und sie fühlen sich allein gelassen. Nicht nur Hass erzeugt dieses Gefühl, auch Schweigen und Gleichgültigkeit." Daher sei "ein kraftvoll sichtbares und lautes Zeichen" wichtig. Auch Roland Kaiser sprach von der Hoffnung, "dass von diesem Tag ein Signal ausgeht".
Bei einer zweiten Demo in der Hauptstadt protestierten zudem viele Menschen unter dem Motto "Solidarität mit Palästina - Keine Waffen für Genozid". Die Polizei sprach von etwa 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts forderten die Demonstrierenden unter anderem einen Stopp von Waffenlieferungen an Israel. Auch Rüstungs- und Geheimdienstkooperationen mit dem Land sollten beendet werden.
Neben Fahnen mit den palästinensischen Farben war unter anderem auch die Buchstabenkombination BDS zu sehen. BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen". Die Kampagne ruft zum Boykott des Staates Israel und israelischer Produkte wegen des Vorgehens gegen Palästinenser auf. Zu den skandierten Parolen gehörten Sätze wie "Deutschland finanziert, Israel bombardiert", "Viva, Viva Palästina" oder "Deutsche Medien lügen. Lasst euch nicht betrügen".
Quelle: ntv.de, spl/dpa