Panorama

Pakistan: Größte Katastrophe aller Zeiten? Millionenstadt fürchtet neue Flutwelle

(Foto: AP)

In zwei Provinzen Pakistans gehen die Pegelstände zurück - aber die Hochwasserwelle rollt in Richtung Süden, und damit der Millionenstadt Multan. Für die UN ist die Flut die größte Katastrophe aller Zeiten. Die USA schicken weitere Hubschrauber. Und die Behörden sagen: "Die nächsten zehn Tage werden entscheidend sein".

Bei der verheerenden Flutkatastrophe in Pakistan ist nach Einschätzung der nationalen Meteorologiebehörde das Schlimmste noch nicht überstanden. Nach den Regenfällen im Norden zu Wochenbeginn rolle eine zweite Flutwelle durch die zentralpakistanische Provinz Punjab und weiter nach Süden, sagte Behördenchef Qamar-u-Zaman Chaudhry.

Die Einwohner Multans sind auf der Flucht.

Die Einwohner Multans sind auf der Flucht.

(Foto: AP)

Die Wassermassen ließen den Fluss Chenab anschwellen und könnten nach Angaben Chaudhrys trotz aller Schutzmaßnahmen die Stadt Multan mit ihren rund 4,5 Millionen Einwohnern treffen. Das wäre die bislang größte von der Flut betroffene Stadt. Chaudhry sagte mit Blick auf die Zerstörung, die die zweite Flutwelle auslösen könnte: "Die nächsten zehn Tage werden sehr entscheidend sein."

Schwerste Flut der Geschichte

Nach Angaben der Vereinten Nationen kosteten die schwersten Überflutungen in der Geschichte Pakistans rund 1200 Menschen das Leben. Das ist weniger, als zunächst befürchtet wurde. Etwa 14 Millionen Menschen sind von der Katastrophe betroffen, davon sechs Millionen Kinder.

"Ich will keine Rangliste der Katastrophen erstellen, aber das Unglück ist gewaltig", sagte der der oberste Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, John Holmes. Der Respekt vor den Opfern und nicht zuletzt auch vor der Arbeit der UN-Helfer verbiete solche Vergleiche.

Nie waren so viele Menschen akut von einer Naturkatastrophe betroffen.

Nie waren so viele Menschen akut von einer Naturkatastrophe betroffen.

(Foto: AP)

Nüchtern betrachtet sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: In den Trümmern Haitis starben mehr als 220.000 Menschen. Bei dem Tsunami im Indischen Ozean waren es sogar noch mehr. Dennoch bezeichnet Holmes die Katastrophe in Pakistan als größer. Die Zahl der Todesopfer schwankt bislang zwischen 1200 und 1600. Doch in Haiti hatten die OCHA-Leute drei Millionen Überlebende zu versorgen. Im Tsunami-Gebiet waren 1,1 Millionen Menschen obdachlos geworden. Das stellt Pakistan in den Schatten: "Es sind jetzt sechs Millionen Menschen, die dringend unsere Hilfe brauchen", sagt Holmes.

Die UN hatten vor einer "zweiten Welle von Toten" bei der Flutkatastrophe gewarnt und schnellere Hilfe der Weltgemeinschaft angemahnt. In einem Spendenaufruf forderten die UN bei ihren 192 Mitgliedsstaaten 459 Millionen Dollar (352 Millionen Euro) Soforthilfe an.

Präsident Asif Ali Zardari besuchte unterdessen die Stadt Sukkur in der Provinz Sindh, in der das Hochwasser Zehntausende Menschen obdachlos machte. Zardari hatte seine Europa-Reise trotz der Katastrophe in seiner Heimat nicht vorzeitig abgebrochen.

Hunderttausende verlassen Häuser

Sindh ist neben der Provinz Punjab am meisten von der Jahrhundertflut betroffen. In den beiden Regionen fielen erstmals die Pegel von mehreren Flüssen und Staudämmen. Allerdings wurden in der Stadt Muzaffargarh erneut 400.000 Menschen vor drohenden Überschwemmungen in Sicherheit gebracht. Für die kommenden Tage rechneten die Meteorologen nur noch mit vereinzelten Niederschlägen. Dagegen litten die Flutopfer unter glühender Hitze, die Gefahr von Krankheiten und Seuchen stieg weiter.

Flüchtlinge bei der Essensvergabe.

Flüchtlinge bei der Essensvergabe.

(Foto: AP)

Nach Angaben eines Sprechers des UN-Nothilfebüros entstanden im Punjab erste Zeltstädte. "Wir schätzen, dass mindestens zwei Millionen Menschen dringend Obdach brauchen, einem Viertel von ihnen haben wir bereits helfen können", sagte ein Sprecher. Als nächstes werde die Hilfe für Sindh vorbereitet.

Im Wettstreit mit radikalislamischen Hilfsorganisationen um die Sympathien der pakistanischen Bevölkerung erhöhten die USA unterdessen weiter ihre Hilfe für Pakistan. Es sei ein Hubschrauberträger vor die Küste Pakistans geschickt worden, der den Einsatz von 19 Helikoptern erlaube, teilte US-Verteidigungsminister Robert Gates in Tampa in Florida mit. Das seien "mehr als dreimal so viele wie bisher". Washington fürchtet, dass radikalislamische Gruppierungen durch ihre Hilfe vor Ort zunehmend an Einfluss in Pakistan gewinnen könnten.

USA schicken weitere Hubschrauber

Die USA wollen zusätzliche Hubschrauber ins Katastrophengebiet schicken, um die Rettungsarbeiten zu unterstützen. Das Verteidigungsministerium in Washington teilte mit, ein Schiff der Marine - die USS Peleliu - mit 19 Helikoptern an Bord sei bereits vor der Küste der südpakistanischen Hafenstadt Karachi. Derzeit sind für die Fluthilfe sechs Hubschrauber der US-Armee eingesetzt, die normalerweise in Afghanistan stationiert sind. Verteidigungsminister Robert Gates sagte, man werde eng mit den pakistanischen Militärs zusammenarbeiten.

Die Welthungerhilfe bat die deutsche Bevölkerung dringend um weitere Spenden für die Flutopfer in Pakistan. "Die Menschen vor Ort können nichts dafür, dass sie in einem schwierigen politischen Umfeld leben", teilte die Hilfsorganisation mit. "Sie benötigen unsere Hilfe dringender denn je zuvor." Die Überschwemmung in Pakistan stelle alle Helfer "vor eine Herausforderung von noch nie gekanntem Ausmaß".

Quelle: ntv.de, rpe/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen