Sinkendes Schiff im Stich gelassen Polizei verhaftet Kapitän der "Sewol"
19.04.2014, 07:08 Uhr
Die Retter suchen immer noch verzweifelt nach Überlebenden im Wrack der gesunkenen südkoreanischen Fähre. Derweil stecken die Behörden mitten in der Aufarbeitung der Tragödie: Im Visier steht der Kapitän, der zum Unglückszeitpunkt in seiner Kabine war.
Der Kapitän der havarierten südkoreanischen Fähre "Sewol" ist wegen Fahrlässigkeit und anderer Vorwürfe verhaftet worden. Das Gericht in der südlichen Stadt Mokpo erließ außerdem Haftbefehl gegen zwei weitere Besatzungsmitglieder. Drei Tage nach dem Untergang des Schiffs vor der Südwestküste Südkoreas setzen derweil Rettungsmannschaften die Suche nach Überlebenden unter den rund 270 vermissten Insassen fort.
Die Staatsanwaltschaft beschuldige den 68-jährigen Kapitän Lee Jun Seok unter anderem auch, gegen die Dienstpflichten und das Seerecht verstoßen zu haben, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Das Ermittlungsteam hat te zuvor mitgeteilt, dass die Fähre zum Unglückszeitpunkt nicht vom Kapitän, sondern von einer wenig erfahrenen Offizierin gesteuert worden sei. Auch wird ihm vorgeworfen, das sinkende Schiff im Stich gelassen zu haben.
Lee bestätigte, dass er zum Unglückszeitpunkt nicht auf der Kommandobrücke des Schiffes war. "Es passierte, als ich gerade von einem kurzen Abstecher aus persönlichen Gründen in die Kabine zurückkam", sagte er. Den Verdacht, er habe getrunken, wies der Kapitän zurück. Zurück auf der Brücke sei kein Rettungsschiff oder Fischerboot in Sicht gewesen. "Die Strömung war sehr stark und das Wasser war kalt", sagte der 69-Jährige. Er habe befürchtet, dass die Passagiere von der Strömung fortgerissen werden könnten und Anweisung gegeben, sich nicht zu rühren - da war das Schiff bereits in starke Seitenlage geraten.
Kaum noch Hoffnung auf Überlebende
Die Auto- und Personenfähre war am Mittwoch in Seenot geraten und dann innerhalb von drei Stunden fast vollständig gesunken. Nach den jüngsten Angaben der Behörden waren 476 Menschen an Bord, 325 von ihnen waren Schüler auf dem Weg zu einem Ausflug. Bislang wurden die Leichen von 29 Insassen rund um die Fähre aus dem Wasser gezogen, 174 Menschen wurden gerettet.
Wie es zu der Katastrophe kam, ist noch ungeklärt. Das Unglück ereignete sich nach ersten Untersuchungen an einer Stelle, an der das Schiff einen Kurswechsel vorgenommen hatte. Nach Angaben des Leiters des Ermittlungsteams, Park Jae Uhk, muss noch geklärt werden, ob es "eine normale Richtungsänderung war oder eine Kursänderung infolge von unnormalen Begleitumständen". Das Verhalten des Kapitäns und der Crew wurde schon unmittelbar nach dem Untergang stark kritisiert. Überlebende berichteten, der Kapitän habe das Schiff als einer der ersten verlassen.
Auch in der Nacht zum Samstag versuchten Taucher trotz widriger Wetterverhältnisse und starker Gezeitenströmung weiter, ins Innere des Wracks vorzudringen. Auch wurde Luft in das gesunkene Schiff gepumpt. Damit es nicht weiter absackt, waren an dem Wrack große Hebesäcke befestigt worden.
Einige der Passagiere könnten Experten zufolge den Untergang zunächst in einer Luftblase überlebt haben. Allerdings sei es angesichts der niedrigen Wassertemperatur und des schwindenden Sauerstoffs schwierig, darin mehr als zwei Tage zu überleben.
Familien von Vermissten richteten deshalb schwere Vorwürfe gegen die Regierung. In einer Erklärung warfen sie ihr vor, nicht genug für die Rettung möglicher Überlebender zu tun. "Unsere Kinder schreien im eiskalten Wasser nach Hilfe, bitte helft ihnen", hieß es in einer Erklärung. Viele Angehörige harren in der Nähe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo aus.
Auf dieser Insel soll sich indes ein Lehrer erhängt haben. Der Mann war stellvertretender Direktor der Oberschule nahe Seoul, von der ein Großteil der jungen Passagiere kam. Offensichtlich habe er Schuldgefühle gehabt, weil er gerettet wurde, während viele unter seiner Obhut mitreisende Schüler vermisst werden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die Polizei.
Quelle: ntv.de, jve/dpa/AFP