Air Berlin verteidigt Sichtflüge "Pilot hat immer die Verantwortung"
20.04.2010, 13:24 Uhr
Air Berlin fliegt wieder: "Wir nutzen den Raum bis zu dieser Grenze aus, um zu starten oder zu landen und im kontrollierten Sichtflug zu fliegen."
(Foto: dpa)
Der deutsche Luftraum ist noch immer gesperrt, die Fluggesellschaft Air Berlin will trotzdem bereits nahezu zum normalen Flugbetrieb zurückkehren. Wie das möglich ist, erklärt Sprecher Noack im Interview mit n-tv.de. Kritik der Piloten an den Sichtflügen weist er zurück: "Die letzte Entscheidung, ob ein Flug durchgeführt wird, obliegt immer dem Piloten."
n-tv.de: Air Berlin will bereits möglichst im vollen Umfang zum normalen Flugbetrieb zurückkehren, obwohl der deutsche Luftraum offiziell noch immer gesperrt ist. Wie ist das möglich?
Hans-Christoph Noack: Weil es das Verfahren des kontrollierten Sichtflugs gibt. Das heißt, die Piloten fliegen auf Sicht, mit Unterstützung der Fluglotsen, die den Luftraum unter 3000 Metern Höhe kontrollieren und koordinieren. Zudem verfügt jedes Flugzeug über Radar und kann damit die anderen Flugbewegungen am Himmel erkennen. Von daher ist es ein sicheres Verfahren, das mit den Behörden abgestimmt ist.
Die Sperrung des Luftraums gilt im Übrigen nur über 3000 Meter. Wir nutzen den Raum bis zu dieser Grenze aus, um zu starten oder zu landen und im kontrollierten Sichtflug zu fliegen. Wenn wir den deutschen Luftraum verlassen haben, können wir nach Anweisung der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol oder anderer Stellen auf Reiseflughöhe steigen, um unsere Ziele zu erreichen.
Damit sind Starts und Landungen in ganz Deutschland möglich?
Zumindest an den Flughäfen, die offen sind. Wir wollen möglichst schnell zu einem vollständigen Flugplan zurückkehren, natürlich immer mit der Einschränkung, dass es möglich sein muss, alle Flughäfen zu erreichen.
Die Pilotenvereinigung Cockpit kritisiert die Freigabe für Sichtflüge, weil damit die Verantwortung im Zweifel auf die Piloten abgewälzt würde.
Der Pilot hat ab dem Moment, wo er auf seinem Sitz Platz nimmt und den Flug vorbereitet, immer die Verantwortung. Die letzte Entscheidung, ob ein Flug durchgeführt wird, obliegt immer dem Piloten. Die Äußerungen der Vereinigung Cockpit (VC) verwundern mich zudem, weil sie noch am Wochenende nach den Testflügen von uns und der Lufthansa gesagt hat, die vollständige Sperrung des Luftraums sei nicht nötig gewesen. Zumal wir wissen, dass auch Vorstandsmitglieder von Cockpit Flugzeuge unter diesen Bedingungen geflogen haben.
Das Risiko beim Sichtflug würden Sie also nicht höher einschätzen als beim sogenannten Instrumentalflug?
Beim kontrollierten Sichtflug ist auch nach Einschätzung des Luftfahrtbundesamts und anderen Behörden kein Unterschied festzustellen.
Sollte Air Berlin die Flüge wieder voll aufnehmen können: Wie lange wird es dauern, bis sich der Flugbetrieb wieder vollständig normalisiert ist?
Wenn wir davon ausgehen können, dass der Luftraum auch in den höheren Regionen wieder freigegeben wird, rechnen wir mit mehreren Tagen. Das genau zu beziffern, ist schwierig, weil es auch davon abhängt, ob alle Flughäfen dauerhaft offen sind.
Wie groß ist der wirtschaftliche Schaden, der Air Berlin durch die Flugverbote der vergangenen Tage entstanden ist?
Am Boden: Die Fluggesellschaft rechnet mit einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe durch die Flugausfälle.
(Foto: dpa)
Wir gehen von einer Summe in Millionenhöhe aus. Genauer werden wir das wissen, wenn wir die gesamte Zeit überblicken können. Denn zu den Ausfällen kommen noch Sonderflüge hinzu, etwa zur Rückholung unserer Urlauber. Danach werden wir abrechnen und veröffentlichen, was uns das gekostet hat.
Bewegt sich der Schaden in zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe?
Sie können sicher sein, dass es wahrscheinlich eine zweistellige Millionenhöhe ist.
Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer, Air-Berlin-Chef Joachim Hunold und Pressesprecher Hans-Christoph Noack (von links nach rechts).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Air-Berlin-Chef Joachim Hunold hat angekündigt, einen Antrag auf Staatshilfen wegen der Flugausfälle zu prüfen. Warum sollte der Staat den Fluggesellschaften finanziell unter die Arme greifen?
Die wirtschaftlichen Folgen für die Fluggesellschaften, aber auch für die Volkswirtschaft insgesamt, sind nach Expertenmeinungen größer als durch die Anschläge des 11. September 2001, die den Flugverkehr auch nachhaltig gestört haben. Gegenwärtig gibt es aber noch keine konkreten Vorschläge von der EU oder der Bundesregierung, welche Hilfen sie sich vorstellen könnten. Der EU-Verkehrskommissar hat bislang nur die Bildung einer Taskforce angekündigt, die in absehbarer Zeit Vorschläge unterbreiten soll. Diese Vorschläge werden wir dann prüfen und entscheiden, was wir machen.
Gibt es in einem solchen Fall keine Versicherung, die einspringt?
Nein. Das ist ein Naturereignis, und Naturereignisse sind nicht versicherbar.
Mit Hans-Christoph Noack sprach Till Schwarze.
Quelle: ntv.de