Kompliziertes internationales Miteinander Wer entscheidet über Flugverbote?
19.04.2010, 13:16 Uhr
(Foto: REUTERS)
Wegen der isländischen Vulkanaschewolke ist der Flugverkehr über Deutschland und weiten Teilen Europas seit Tagen lahmgelegt. Wer aber entscheidet eigentlich auf welcher Grundlage darüber, dass Flughäfen geschlossen und Flugzeuge am Boden bleiben müssen? Die Entscheidung basiert auf einem komplizierten Miteinander nationaler und internationaler Institutionen:
DEUTSCHE FLUGSICHERUNG: Das Sagen im Luftraum über Deutschland hat die Deutsche Flugsicherung (DFS). Das zu 100 Prozent im Bundesbesitz befindliche Unternehmen mit Sitz in Langen bei Frankfurt am Main ist mit der hoheitlichen Aufgabe der nationalen Flugüberwachung betraut, es betreibt Überwachungszentralen und Tower an allen großen Flughäfen. Als oberste Kontrollinstanz ist die DFS auch für die Genehmigung sämtlicher Flugbewegungen zuständig, sofern diese als Sichtflüge nicht generell genehmigungsfrei sind und lediglich angemeldet werden müssen.
Bei der Entscheidung über sicherheitsbedingte Luftraumsperrungen hat selbst die Flugsicherung allerdings keinen Ermessensspielraum, sondern ist an Vorgaben gebunden, die sie von höchster staatlicher Ebene bekommt. So muss die DFS zum einen Anweisungen des Bundesverkehrsministeriums befolgen. Zum anderen ist sie verpflichtet, global verbindliche Gefahrenabwehrregelungen der internationalen Luftverkehrsorganisation ICAO umzusetzen, in der auch Deutschland Mitglied ist.
INTERNATIONALE ZIVILE LUFTVERKEHRSORGANISATION: Die 1944 gegründete ICAO ist eine Sonderorganisation der UNO mit 190 Mitgliedsstaaten. Sie legt unter anderem Sicherheitsstandards für den weltweiten zivilen Flugverkehr fest. Dazu zählt auch, dass Lufträume bei "Kontaminierung" mit Vulkanasche von den nationalen Flugsicherungen zu sperren sind. Eine Asche-Mindestkonzentration ist dabei nach DFS-Angaben nicht vorgesehen, das Flugverbot gilt pauschal.
DEUTSCHER WETTERDIENST: Ob sich Asche in der Luft befindet, ermitteln Flugsicherungen wie die DFS nicht selbst, da sie kein Messnetz haben. Die DFS wird daher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) unterstützt. Der DWD mit Sitz in Offenbach bei Frankfurt am Main ist der nationale meteorologische Dienst Deutschlands und erbringt als solche Dienstleistungen für andere Behörden, darunter im Bereich der See- und Luftfahrt. So erstellt er für die Deutsche Luftsicherung laufend Flugwetterberichte und Wetterwarnungen. Bei der Einschätzung der Aschewolke in der Atmosphäre wiederum greift der Wetterdienst seinerseits auf die Daten von internationalen Spezialinstitutionen zurück, den Volcanic Ash Advisory Centers (VAAC).
VOLCANIC ASH ADVISORY CENTERS: Um der von Vulkanasche ausgehenden Gefahr für den Luftverkehr zu begegnen, hat die internationale Luftverkehrsorganisation weltweit neun Beobachtungszentren eingerichtet. Diese Volcanic Ash Advisory Centers (VAAC) registrieren Vulkanausbrüche und verfolgen die Ausbreitung der Aschewolken mit Hilfe von Satellitenbildern und Messungen von Wetterdiensten und anderen Experten. Die Daten leiten sie an die nationalen Behörden weiter, die diese in Luftverkehrswarnungen einfließen lassen. Für die Beobachtung des Ausbruchs auf Island zuständig ist nach Angaben der Deutschen Flugsicherung das nächstgelegene VAAC in London.
EUROCONTROL: In der Berichterstattung über die Verhängung von Flugverboten über Deutschland und Europa wird irrtümlicherweise gelegentlich auf die europäische Luftverkehrskontroll-Organisation Eurocontrol mit Sitz in Brüssel verwiesen. Eurocontrol ist aber nicht befugt, solche Maßnahmen anzuordnen. Es handelt sich um eine von europäischen Staaten testweise ins Leben gerufene grenzüberschreitende Flugraumüberwachung, an die die Kontrolle von Teilen des oberen Luftraums über Nordwestdeutschland und den Beneluxländern abgetreten wurde. Daneben befasst sich Eurocontrol mit der Ausarbeitung eines effizienten Routen- sowie Flugbewegungsmanagements und stimmt länderübergreifend Flugpläne ab. In dieser Funktion gibt Eurocontrol auch Informationen über Flugverbote weiter.
Quelle: ntv.de, Sebastian Bronst, AFP