Meuterei oder Schießerei? 120 Polizisten in Syrien getötet
07.06.2011, 09:51 Uhr"Bewaffnete Banden" töten nach offiziellen syrischen Angaben 120 Polizisten in der Stadt Dschisr Al-Schogur. Oppositionelle widersprechen: Möglicherweise seien Polizisten ermordet worden, die sich geweigert haben, auf Demonstranten zu schießen.

Die syrische Regierung lässt ausländische Journalisten seit Beginn der Proteste nicht ins Land. Dieses Bild soll am 3. Juni in der Ortschaft Kfar-Nebel aufgenommen worden sein. Auf dem Transparent steht: "Gott helfe, das Schweigen der Arabischen Liga zu beenden".
(Foto: AP)
In Syrien sind nach Regierungsangaben 120 Polizisten getötet worden. Sie seien am Montag in der Stadt Dschisr Al-Schogur im Nordwesten des Landes bei Auseinandersetzungen mit "bewaffneten Banden" ums Leben gekommen, berichtete das staatliche Fernsehen. Innenminister Mohammed Ibrahim al-Schaar erklärte, mit Entschiedenheit und Härte gegen "bewaffnete Angriffe" vorgehen zu wollen.
"Die bewaffneten Gruppen haben ein regelrechtes Massaker begangen", berichtete das Staatsfernsehen. Sie hätten die Leichen verstümmelt und andere in einen Fluss geworfen. Zudem seien Regierungsgebäude in Brand gesteckt worden. Zuvor hatte der Sender berichtet, zahlreiche Polizisten seien aus einem Hinterhalt heraus ermordet worden.
Die Polizisten seien in Dschisr Al-Schogur im Einsatz gewesen, um die von den Banden "verängstigten" Bürger zu schützen, hieß es in dem Bericht. Die Angreifer waren demnach mit Waffen und Granaten ausgerüstet. Einige Bewohner sollen dem Bericht zufolge von ihnen als "menschliche Schutzschilde" missbraucht worden sein. Auch acht Wachleute einer Post seien getötet worden, als das Haus nach Manipulationen an den Gasleitungen in die Luft geflogen sei.
"Meuterei beim Militär"
Menschenrechtsaktivisten sagten der Nachrichtenagentur AFP, es habe offenbar eine Meuterei beim Militär gegeben, daraufhin seien Schüsse gefallen. Ein weiterer Aktivist sagte, es seien möglicherweise Polizisten ermordet worden, die sich zuvor geweigert hätten, auf Demonstranten zu schießen.
Der arabische Nachrichtensender Al-Arabija berichtete unter Berufung auf syrische Oppositionelle, Regierungstruppen würden mit Panzern und Handgranaten gegen die Zivilbevölkerung in Dschisr Al-Schogur vorgehen.
Armee jagt Oppositionelle in Dschisr Al-Schogur
Die syrische Führung macht "bewaffnete Banden" für die Gewalt im Land verantwortlich, seit sich Präsident Baschar al-Assad einer beispiellosen Protestbewegung gegen seine Herrschaft ausgesetzt sieht. Seit Samstag ist die Armee in Dschisr Al-Schogur im Einsatz, um dort gegen Regierungsgegner vorzugehen. Ähnliche Einsätze hatte es auch in anderen syrischen Städten seit Beginn der Protestbewegung Mitte März bereits gegeben.
In Dschisr Al-Schogur und Umgebung wurden am Sonntag bei Protesten 35 Menschen getötet, darunter 27 Zivilisten und acht Sicherheitsbeamte, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag in London mitteilte. In anderen Städten des Landes wurden demnach fünf Demonstranten getötet.
Seit dem Beginn der Proteste gegen Staatschef Assad am 15. März wurden laut Menschenrechtsgruppen mehr als 1100 Menschen getötet und über zehntausend weitere festgenommen. Nach letzten syrischen Behördenangaben kamen seitdem mehr als 150 Polizisten, Soldaten und Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa