Steigt die Mehrwertsteuer? 18 Mrd. Euro fehlen
08.11.2002, 12:48 UhrIn den Kassen von Bund und Ländern tun sich dramatische Finanzlücken auf. Das Bundesfinanzministerium bestätigte am Freitag Zeitungsmeldungen, wonach im laufenden Jahr mit deutlichen Steuermindereinnahmen gerechnet wird.
Zwar wolle sich das Ministerium nicht an den Spekulationen über die möglichen Ergebnisse der Steuerschätzung in der kommenden Woche beteiligen, sagte ein Sprecher von Minister Hans Eichel (SPD): "Richtig ist allerdings, dass auch unser Haus für den Bund mit einem gegenüber der Mai-Schätzung höheren Steuerausfall im einstelligen Bereich rechnet."
18 Mrd. 2002, 16 Mrd. 2003
Das „Handelsblatt“ hatte zuvor unter Berufung auf Mitglieder des Arbeitskreises Steuerschätzung gemeldet, die ohnehin schon zurückhaltende Prognose vom Mai 2002 werde deutlich verfehlt. So beliefen sich die Steuereinnahmen in 2002 nicht wie noch vor sechs Monaten vermutet auf 455 Mrd. Euro, sondern auf nur 437 Mrd. Euro. Das würde eine neue Finanzlücke von satten 18 Mrd. Euro bedeuten.
Auch für das nächste Jahr sehen die Experten laut „Handelsblatt“ schwarz. Hatte man im Mai schon mit Mindereinnahmen gegenüber der Vorjahresprognose von 17,9 Mrd. Euro gerechnet, sind es nun noch 16 Mrd. Euro mehr. In Zahlen heißt dies: Im Mai 2001 rechnete man im Finanzministerium mit Einnahmen für 2003 von 492 Mrd. Euro, im Mai 2002 war diese Summe auf 474 Mrd. Euro geschmolzen, jetzt erwarten die Steuerschätzer für das kommende Jahr nur noch Einnahmen für Bund, Länder und Gemeinden von 458 Mrd. Euro – Die Prognose wurde also in 18 Monaten um schlappe 34 Mrd. Euro nach unten korrigiert. Die Steuerschätzung für 2002/2003 wird am Mittwoch vorgelegt.
Hauptsorge bleibt die Arbeitslosigkeit
Mit dem Sparpaket und der Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform auf 2004 – die dem Bund 7 Mrd. Euro Einnahmen sichert – versucht die Bundesregierung, dem wachsenden Haushaltsdefizit entgegenzuwirken. Doch insbesondere aufgrund der schlechten Konjunktur gelingt dies nicht. Immer mehr Arbeitslose bedeuten erstens weniger Steuereinnahmen, zweitens aber höhere Zuschüsse für die Bundesanstalt für Arbeit in Milliardenhöhe. Behördenvorstand Frank Jürgen Weise räumte bereits ein, dass sich das Defizit der Arbeitsämter bis Oktober auf 5 Mrd. Euro summiert habe, eingeplant waren 2 Mrd. Euro – für das gesamte Jahr.
Im aktuellen Sparpaket fehlen noch 1,5 Mrd. Euro
Doch zunächst muss Eichel ein vergleichsweise kleines Loch stopfen. Durch Änderungen am ursprünglich geschnürten Sparpaket (Die Eigenheimzulage wird nun doch nicht so stark gekürzt wie geplant, Spenden bleiben steuerabzugsfähig, die Heizölsteuer wird nicht erhöht, die Zuschüsse zur Rentenversicherung steigen) fällt der Spareffekt geringer aus: um rund 1,5 Mrd. Euro.
Höhere Mehrwertsteuer?
"Sie können sicher sein, dass wir diese Lücke noch schließen", sagte Eichel in einem Interview der "Passauer Neue Presse" (PNP) vom Freitag. Zur Zeit werde im Rahmen der Beratungen für den Haushalt 2003 mit den Ressorts über die Deckung dieser Lücke gesprochen. Eine Mehrwertsteuererhöhung stünde nicht an, sagte Eichel weiter: "In der gegenwärtigen konjunkturellen Lage halten alle Ökonomen eine Mehrwertsteuererhöhung für Gift."
Doch hinter vorgehaltener Hand denkt offenbar auch die Bundesregierung über einen solchen Schritt nach. „Berliner Zeitung“ unter „Tagesspiegel“ berichten übereinstimmend, sollte die Union das Sparpaket im Bundesrat blockieren und einen Vorschlag auf Mehrwertsteuererhöhung nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 2.Februar ins Spiel bringen, werde sich die Regierung dem nicht verschließen.
Quelle: ntv.de