Katholische Kirche macht den Anfang 5000 Euro für Missbrauchsopfer
02.03.2011, 15:52 UhrMinderjährige, die unter dem Dach der katholischen Kirche Opfer sexuellen Missbrauchs wurden und deren Fall bereits verjährt ist, bekommen eine Entschädigung von 5000 Euro. Um anderen Opfern, bei denen die Fälle noch nicht verjährt sind, einen Rechtsweg zu ersparen, sollen außergerichtliche Einigungen angestrebt werden.
Die katholische Kirche will Opfern sexuellen Missbrauchs in kirchlichen Einrichtungen bis zu 5000 Euro zahlen. Das teilte die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn anlässlich einer Sitzung des Runden Tischs gegen sexuellen Missbrauch mit. Während Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) die Entscheidung begrüßte, wiesen Vertreter der Missbrauchsopfer das Kirchenangebot als unzureichend zurück.
Die Bischofskonferenz kündigte an, dass sich Menschen, die als Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiter der Kirche wurden, ab dem 10. März an die Missbrauchsbeauftragten der Bistümer und Orden wenden können.
Mit ihrem Angebot griff die Kirche einer abschließenden Regelung durch den Runden Tisch vor. Es sei nicht absehbar, wann der Runde Tisch sich einige, erklärte die Bischofskonferenz. Die katholische Kirche sehe sich verpflichtet, "schon jetzt eine möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe anzubieten." Die jetzt angekündigte Hilfe bedeute jedoch keine Absage an möglicherweise vom Runden Tisch noch zu entwickelnde Lösungen. Die Bischofskonferenz kündigte zudem die Einrichtung eines Präventionsfonds an, der mit einem Kapital von 500.000 Euro ausgestattet werden soll.
Leitlinien zur Orientierung
Im Rahmen des Runden Tischs traf sich die Arbeitsgruppe Justiz in Berlin. Leutheusser-Schnarrenberger berichtete anschließend, dass in der Sitzung Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden verabschiedet worden seien. An diesen Maßgaben können sich Institutionen beim Umgang mit Verdachtsfällen orientieren. "Diese Leitlinien sollen sicherstellen, dass der Staats seiner Aufgabe gerecht werden kann, die Opfer sexuellen Missbrauchs zu schützen und die Täter zu bestrafen", sagte die Ministerin.
Zur Frage einer Entschädigung von Missbrauchsopfern konnte bisher keine Einigung erzielt werden. Leutheusser-Schnarrenberger sagte, dass sie das Angebot der Kirche an die Opfer begrüße und Vorschläge zu diesem Thema in den nächsten Wochen erarbeitet würden. Für Therapie und Beratung sowie materielle Hilfe in Existenznot wird möglicherweise ein Hilfsfonds eingerichtet, sagte Christine Bergmann, die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung.
Opfer sprechen von "Unverschämtheit"
Missbrauchsopfer äußerten sich empört über das Entschädigungsangebot der katholischen Kirche. "Es ist schäbig, wie die reichste Kirche der Welt versucht, sich aus der Affäre zu ziehen", sagte der Sprecher der Gruppe Eckiger Tisch, Matthias Katsch, der "Frankfurter Rundschau". Die genannte Summe von bis zu 5000 Euro nannte er eine "Unverschämtheit". Auch die Linke kritisierte die Regelung als "nicht ausreichend".
Hilfe auch für Opfer an andern Einrichtungen
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, will Betroffene nicht nur für sexuelle Übergriffe in kirchlichen oder staatlichen Einrichtungen entschädigen. Auch Opfer familiären Missbrauchs sollen Geld bekommen. Bergmann schlug dem Runden Tisch vor, sämtliche nicht mehr justiziablen Missbrauchsfälle zwischen 1949 und 2010 in eine Entschädigungslösung einzubeziehen.
Die frühere Bundesfamilienministerin empfiehlt demnach, Missbrauch in Internaten, Heimen und Schulen in öffentlicher und privater Trägerschaft, in Vereinen, Krankenhäusern, bei der Bundeswehr oder in Haftanstalten finanziell auszugleichen. Das soll auch auf Opfer in DDR-Kinderheimen sowie Menschen zutreffen, die in Familien oder Pflegefamilien missbraucht wurden.
Quelle: ntv.de, dpa