Beresowskis rätselhafter Tod ABC-Experten ermitteln
24.03.2013, 08:34 Uhr
Noch untersuchen Experten den Tod des Oligarchen.
(Foto: AP)
Die Todesumstände sind alles andere als klar. Erlag der russische Oligarch Beresowski einem Herzinfarkt oder beging er Selbstmord? Oder aber steckt noch etwas anderes hinter dem Tod des Erzfeindes von Russlands Präsident Putin? Nun untersuchen Experten für atomare Stoffe sein Anwesen.
Experten der britischen Polizei für die atomare, biologische und chemische Gefahrenabwehr haben das Haus des toten russischen Oligarchen und Kreml-Kritikers Boris Beresowski in der Nähe von London untersucht. Wie die zuständige Thames Valley Police mitteilte, handelte es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht. Der Multimillionär Beresowski galt als er bitterter Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war auch ein enger Vertrauter des 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergifteten russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko.
Die Leiche des 67-Jährigen war laut Medienberichten am Samstag im Badezimmer des Hauses in Ascot in der Grafschaft Berkshire gefunden worden. Die Todesursache ist nach wie vor unklar. Ein Familienmitglied sprach russischen Berichten zufolge von einem möglichen Selbstmord. Andere Vertraute sagten, Beresowski könne einem Herzinfarkt erlegen sein.
Während des nächtlichen Einsatzes habe sich der Tote noch in dem Haus befunden, teilte die Polizei weiter mit. Die Ermittler, darunter auch speziell für sogenannte ABC-Einsätze ausgebildete Experten, hätten eine Reihe von Untersuchungen vorgenommen. Die Absperrungen rund um das Anwesen würden weiter aufrechterhalten.
Scharfe Kritik an Putin
Beresowski war 2000, im Jahr von Putins Machtantritt, ins Exil nach Großbritannien gegangen, wo ihm wenig später politisches Asyl eingeräumt wurde. Seither unterstützte er aus dem Ausland die russische Opposition massiv finanziell, unter ihnen auch ehemalige Spione wie den 2006 in London ermordeten Alexander Litwinenko. Beresowski nannte den russischen Präsidenten einen korrupten Banditen, der die in der Post-Sowjet-Ära erlangten Freiheiten wieder zurückdrehe.
Beresowski wetterte gegen den neuen Geheimdienststaat unter Putin und diktierte kremlkritischen Journalisten schwerste Vorwürfe gegen den Präsidenten - bis hin zum Mord. Seine Anschuldigungen fielen aber immer auch direkt auf den Milliardär zurück. Der Kreml brachte ihn letztlich selbst mit den großen und bis heute ungeklärten politischen Morden in Russland in Verbindung.
Dazu gehören etwa die Todesschüsse auf die kremlkritische Reporterin Anna Politkowskaja von der Zeitung "Nowaja Gaseta" sowie das Attentat auf Litwinenko, der an dem Strahlengift Polonium 210 starb. Kremltreue Kräfte unterstellten Beresowski, er habe beide persönlich ausschalten lassen, um damit dem Präsidenten zu schaden.
Finanziell angeschlagen
Medien hatten zuletzt über schwere finanzielle Probleme geschrieben. Unter anderem soll Beresowski mehrere Werke aus seiner großen Kunstsammlung zum Verkauf angeboten haben. Ein Werk von Andy Warhol, das seinem Besitz zugerechnet wurde, war erst in der vergangenen Woche beim Auktionshaus Christie's für 133.000 britische Pfund unter den Hammer gekommen.
Im vergangenen Jahr hatte Beresowski in London einen spektakulären Prozess gegen seinen Landsmann, den Oligarchen Roman Abramowitsch, verloren. Beresowski hatte umgerechnet mehr als 3,5 Milliarden Euro gefordert, weil Abramowitsch ihn zum übereilten Verkauf von Öl-Aktien unter Preis überredet haben soll. Am Ende ging Beresowski leer aus und musste noch erhebliche Anwaltskosten zahlen.
Nach Informationen des Magazins "The Lawyer" belief sich die Rechnung für Anwalts- und Gerichtskosten insgesamt auf mehr als 100 Millionen Pfund. Beresowskis Anwalt sagte der Agentur Interfax zufolge, sein Mandant sei zuletzt in einem schrecklichen Zustand gewesen, "nichts als Schulden, er war praktisch pleite". Auch soll er unter Depressionen gelitten haben. Zudem musste Beresowski hohe Kosten für seine Scheidung von seiner Frau Galina im Jahr 2011 tragen. In Medienberichten war von mehr als 100 Millionen Dollar die Rede.
Graue Eminenz unter Jelzin
Beresowski hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion in Russland Milliarden verdient, unter anderem mit dem Import westlicher Autos. Zur Amtszeit von Boris Jelzin galt er als graue Eminenz im Kreml, war aber bereits damals unter anderem wegen Geschäften in Tschetschenien im Visier der Justiz. Dem neuen Präsidenten Wladimir Putin verhalf er nach eigenen Worten ins Amt, überwarf sich aber wenig später mit ihm im Streit um die politische Ausrichtung eines Fernsehsenders.
Die russischen Behörden legten ihm nach seiner Übersiedlung zahlreiche Wirtschaftsverbrechen zur Last und forderten von Großbritannien seit Jahren die Auslieferung. Unter anderem wurden mehrere Jachten Beresowskis beschlagnahmt.
Die Regierung in London hatte eine Auslieferung stets abgelehnt. Auch wegen Beresowski - der mehrmals reklamiert hatte, sein Leben werde bedroht - sind die britisch-russischen Beziehungen massiv gestört. Erst vor einer Woche hatten sich die Außen- und Verteidigungsminister beider Länder in London getroffen.
Angeblicher Reue-Brief an Putin
Noch ehe Beresowskis Tod am Samstag offiziell bestätigt wurde, teilte Putins Sprecher Dmitri Peskow mit, dass Beresowski angeblich erst unlängst einen Reue-Brief an den Präsidenten geschrieben habe. Darin soll der in Ungnade gefallene Oligarch Fehler eingeräumt haben. Der Tod auch eines Kritikers sei jetzt nicht der Zeitpunkt, Schadenfreude zu zeigen, meinte Peskow.
Über alle politischen Lager in Moskau hinweg wurde Beresowski als markante, aber umstrittene Persönlichkeit gewürdigt. Russische Ermittler teilten mit, dass sie die strafrechtliche Verfolgung Beresowskis nun einstellen könnten.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/rts