Politik

"Moralische Krise" in Südafrika ANC vor großem Showdown

Jacob Zuma (l.) muss um sein Amt fürchten, sein Vize Kgalema Motlanthe (r.) will gegen ihn antreten.

Jacob Zuma (l.) muss um sein Amt fürchten, sein Vize Kgalema Motlanthe (r.) will gegen ihn antreten.

(Foto: AP)

Südafrikas Präsident Zuma muss um die Macht bangen. Sein Vize Motlanthe fordert ihn als ANC-Parteichef und Spitzenmann für die Wahl 2014 heraus. Zumas Amtszeit ist geprägt von Skandalen und Korruption. Viele Südafrikaner sehnen sich nach der Ära Mandela zurück.

Erzbischof Desmond Tutu stritt sein Leben lang leidenschaftlich für Gerechtigkeit und Versöhnung ein. Seite an Seite mit der Nationalikone Nelson Mandela und dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) kämpfte er gegen das rassistische Apartheidsystem. Der 81 Jahre alte Friedensnobelpreisträger lässt derzeit seiner Bitterkeit über die Zustände in seiner Heimat freien Lauf: Das Netteste, was er über Präsident und ANC-Chef Jacob Zuma kurz vor dem mit Spannung erwarteten ANC-Parteitag sagte, war: "Ich werde für deinen Boss beten" - der Satz war an Zumas Minister Trevor Manuel gerichtet.

Die Aufnahmen von einer prominent besetzten, kleinen Feier im Botanischen Garten in Kapstadt fanden den Weg zum Videoportal Youtube und belegen, wie der alte Kämpe für die Freiheit der Schwarzen die ANC-Dominanz in Südafrika beurteilt. "Ich war noch nie so nahe daran, zu weinen", gestand Tutu mit Blick auf die jüngst bekanntgewordenen, teilweise katastrophalen Ergebnisse über den Bildungsstand südafrikanischer Schüler. Der Regierung scheine es völlig gleichgültig zu sein, klagte Tutu.

"Politiker haben moralischen Kompass verloren"

Er ist nur einer von zahllosen Mahnern. Die Kirchen des Landes schrieben in einem offenen Brief an Zuma, dass "viele Politiker den moralischen Kompass verloren haben" und forderten "eine gesunde Demokratie". Angesichts von Korruption und Misswirtschaft sowie anhaltender Massenarmut sind die Südafrikaner aufgewühlt und unzufrieden, auch Gewerkschaften, Unternehmer und Interessengruppen fordern eine Umkehr. Deshalb lastet auf dem 53. ANC-Parteitag, der am Sonntag in Mangaung beginnt, ein enormer Druck.

Nach wie vor ist der ANC das unumstrittene Machtzentrum des modernen Südafrikas. Denn die Partei führt seit dem Sieg über die Apartheid 1994 das Land, hat fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Dank der treuen schwarzen Wählerschaft scheint die Dominanz der 100-jährigen Organisation auch bei der Wahl 2014 gesichert.

Präsident soll sich bereichert haben

Zuma allerdings muss nun um die Führung des ANC und damit um sein Amt bangen. Der 70-Jährige steht wegen der endlosen Serie von Skandalen in der Kritik. Zahlreiche Spitzenbeamte und Minister mussten nach Korruptionsvorwürfen gehen. Zuma soll Staatsgelder für den Ausbau seines privaten Anwesens abgezweigt haben. Viele Angehörige und Freunde Zumas machen fragwürdige Geschäfte, bei denen der Staat größter Auftraggeber ist.

Der ANC steht nicht geschlossen hinter Zuma, auch wenn er bei den 4500 Delegierten als Favorit gilt. Mehrere Ortsverbände wollen, dass Vizepräsident Kgalema Motlanthe Zuma ablöst. Der 63-Jährige ist bereit, gegen seinen Chef anzutreten, das verkündete er am Donnerstag. Denn der ANC befinde sich in einer tiefen Krise - die auch eine Krise Südafrikas sei. In der jüngsten Korruptionsskala von Transparency International sank die bisherige Musterdemokratie Afrikas erneut im Ranking: Platz 69 bedeutet, dass nun mehrere afrikanische Staaten - etwa Ruanda oder Ghana - besser dastehen.

Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent

Zuma wird aber vor allem zur Last gelegt, die enormen sozialen und wirtschaftlichen Probleme des einzigen Schwellenlandes in Afrika nicht gemildert zu haben. Afrikas größte Volkswirtschaft wird 2012 nur um 2,5 Prozent wachsen (Vorjahr: 3,1 Prozent). Die Arbeitslosigkeit liegt bei offiziell 25 Prozent. Die Hälfte der Bürger lebt statistisch von weniger als zwei Euro pro Tag. Die Währung Rand befindet sich auf dem tiefsten Stand seit 2009. Zuma und der ANC setzen wirtschaftspolitisch auf mehr Staat und Regulierung, manche fordern die Verstaatlichung von Banken und Bergbau. Dieser Kurs hat Südafrika aber bisher nicht gestärkt.

Auch innerhalb des ANC sieht man mit Sorge den alltäglichen Aufruhr im Land: Fast jeden Tag gibt es blutige Proteste, brennen auf Straßen Reifen und Barrikaden, setzt die Polizei Tränengas und Gummipatronen ein. Mal geht es um fehlende Toiletten, um Tausende verlorene Schulbücher oder um die Müllabfuhr, dann wieder um Löhne und Taxitarife. Dazu müssen viele der 50 Millionen Südafrikaner das bedrohliche Ausmaß der Gewalt fürchten - auch in der Politik: Seit 2010 wurden etwa 50 Menschen aus politischen Gründen ermordet.

Zumas Anhänger wissen, dass ein Erfolg in Mangaung unsicher ist: In seinem Heimatdorf Nkandla opferte deshalb seine weitläufige Verwandtschaft jüngst zwölf Kühe für seine Wiederwahl - der Polygamist Zuma hat drei Ehefrauen und 20 Kinder. Der Politikwissenschaftler Prince Mashele meint, es wäre tragisch für Südafrika, wenn Zuma eine zweite Chance bekäme, seine Partei zu ruinieren. "Die Regenbogennation von Nelson Mandela wird auseinanderfallen", warnt er. Viele sehnen sich nach Mandelas Zeiten, dessen Name für eine freie und bessere Zukunft aller Südafrikaner steht.

Quelle: ntv.de, Laszlo Trankovits, dpa

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