OB-Wahl in Pirna AfD jubelt, CDU und Freie Wähler beschimpfen sich
18.12.2023, 11:33 Uhr Artikel anhören
Sektgläser auf der Wahlparty der AfD.
(Foto: dpa)
Es ist ein weiterer Erfolg für die AfD: In Pirna gewinnt ihr Kandidat die OB-Wahl. Die Partei fühlt sich dadurch gestärkt für die Landtagswahlen im nächsten Jahr. Besorgt sind besonders Linke und Grüne. Und CDU und Freie Wähler geben einander die Schuld an dem Ergebnis.
Nach dem Sieg ihres Kandidaten bei der Oberbürgermeisterwahl in Pirna geht die AfD selbstbewusst in das Wahljahr 2024. "Wir wollen hier in Sachsen gewinnen, wir wollen deutlich gewinnen, wir wollen an die 40 Prozent rankommen. Das ist eine Steilvorlage für unsere Partei für das nächste Jahr", sagte der sächsische AfD-Chef Jörg Urban. Die AfD habe gezeigt, "dass es geht", dass sie mit einem deutlichen Vorsprung auch gegen die CDU und die Freien Wähler gewinnen könne.
AfD-Bundeschefin Alice Weidel schrieb auf der Plattform X: "Gratulation nach Pirna!" AfD-Kandidat Tim Lochner wurde dort mit großem Abstand zu seinen Konkurrenten zum ersten AfD-Oberbürgermeister gewählt. Danke an die vielen Wähler, die dieses für die AfD historische Ergebnis möglich gemacht haben!"
Mit Lochner hatte am Sonntag erstmals ein Kandidat der AfD eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Der 53 Jahre alte Tischlermeister und Restaurator setzte sich im zweiten Wahlgang gegen Kontrahenten von CDU und Freien Wählern durch. Lochner selbst ist parteilos, trat aber für die AfD an. Laut Stadtverwaltung kam er nach dem vorläufigen Ergebnis auf 38,5 Prozent der Stimmen. Dahinter rangieren Kathrin Dollinger-Knuth von der CDU mit 31,4 Prozent und der parteilose Ralf Thiele mit 30,1 Prozent, der für die Freien Wähler ins Rennen gegangen war. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,8 Prozent. Ebenfalls ins Rennen gegangene Kandidaten von Linken, SPD und Grünen verzichteten zugunsten der CDU-Kandidatin auf eine neue Kandidatur in der zweiten Runde.
Kritik an drittem Kandidaten
Im zweiten Wahlgang unterstützten Linke, SPD und Grüne die CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth. Diese zeigte sich nach der Wahl enttäuscht und kritisierte die Freien Wähler: "Obwohl wir fast alle Kräfte hinter unserem politischen Angebot versammelt haben, hat sich der Wähler anders entschieden. Leider haben sich die Freien Wähler entschlossen, allein weiterzumachen und damit den Weg für einen AfD-Erfolg geebnet", sagte sie. Beides gelte es zu akzeptieren.
Die Freien Wähler wiederum gaben der CDU die Schuld. Durch deren Festhalten an einer eigenen Kandidatin im entscheidenden zweiten Wahlgang habe die CDU "bewusst in Kauf genommen, für die AfD den Steigbügelhalter zu spielen", erklärte der sächsische Landesvorsitzende der Freien Wähler, Thomas Weidinger, in Leipzig. Er warf der CDU "Machterhaltungstrieb" vor. "Es war doch klar, dass ein dritter Kandidat im zweiten Wahlgang der AfD in die Hände spielt", so Weidinger. "Der Machterhaltungstrieb der CDU war aber wohl zu groß, um sich selbst einmal zu Gunsten eines bürgerlichen Kandidaten wie Ralf Thiele zurückzunehmen.
Der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation nahm beide Parteien in die Verantwortung. "Es war an dieser Stelle auch ein Versagen von Freien Wählern und CDU, die sich im zweiten Wahlgang nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten", so Philipp Türmer im Frühstart bei ntv. Wenn ein "gesichert rechtsextremer Kandidat" antrete, müssten alle Demokratinnen zusammenhalten, um diesen zu verhindern. "Wir sind alle gefragt, die Menschen jetzt für die Demokratie zurückzugewinnen", sagt Türmer.
Die Grünen äußerten sich nach der Abstimmung besorgt. "Die Wahl eines Bürgermeisters einer Partei, die der Verfassungsschutz vergangene Woche als rechtsextrem eingestuft hat, bestürzt uns", schrieb der sächsische Landesverband der Grünen auf X. "Wir müssen nun alles daran setzen, unser Miteinander zu festigen und Vertrauen in unsere Demokratie wieder zu stärken." Die Kreisvorsitzende der Linken, Lisa Thea Steiner, warnte vor einer Politik der "sozialen Kälte" in Pirna in den kommenden Jahren. "Wir werden den neuen Oberbürgermeister in den kommenden Monaten und Jahren inhaltlich stellen. Wir werden laut sein, dort, wo er versucht, unsoziale Politik durchzudrücken. Wir werden aufzeigen, wo er Wahlversprechen bricht", erklärte Steiner.
Nicht der erste Erfolg der AfD
Vor Pirna hatten AfD-Kandidaten schon zwei wichtige kommunalpolitische Ämter in Deutschland geholt. Im Juni gewann die AfD erstmals eine Landratswahl - mit Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Im August wurde Hannes Loth bundesweit erster Bürgermeister einer deutschen Gemeinde - in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte die sächsische AfD unlängst als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die Frage, ob er damit ein Problem habe, für die Partei in das Rathaus zu ziehen, verneinte Lochner auch am Sonntagabend.
In Sachsen wird am 1. September 2024 ein neuer Landtag gewählt. Bereits im Juni stehen Kommunalwahlen und Europawahlen an. In Sachsen regiert derzeit eine Koalition aus CDU, Grünen und SPD mit Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU an der Spitze. In einer Anfang Dezember veröffentlichten Umfrage in Sachsen stand die AfD mit 33 Prozent gleichauf mit der CDU.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP