Schluss mit den verhassten Razzien Afghanen stellen 50 Bedingungen
19.11.2011, 23:00 Uhr
Blutige Stiefelspuren von US-Soldaten wollen die Afghanen nicht mehr sehen.
(Foto: REUTERS)
Die NATO-Truppen sollen alle Nachtoperationen stoppen und ihre Gefangenen an die Afghanen übergeben – das sind nur zwei von Dutzenden Bedingungen, die die Loja-Dschirga-Delegierten für ein Abkommen mit den USA stellen. Der afghanische Präsident Karsai will die Beschlüsse befolgen.
Die Delegierten der Loja Dschirga in Afghanistan haben überraschend harte Bedingungen für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit den USA gestellt. In der Abschlusserklärung der Großen Ratsversammlung wurden über 50 Forderungen aufgelistet. Hausdurchsuchungen und nächtliche Operationen ausländischer Truppen müssten mit Unterzeichnung des Abkommens enden, hieß es. Alle Gefängnisse und Inhaftierten müssten an Afghanen übergeben werden. Präsident Hamid Karsai sagte, die Beschlüsse seien für ihn verbindlich.
in Kabul am Rande der Loja Dschirga auch mit Delegierten zusammen. Gut zwei Wochen vor der Afghanistan-Konferenz in Bonn sprachen sich die rund 2000 Delegierten der Ratsversammlung in Kabul dafür aus, den bislang erfolglosen Friedensprozess mit den Taliban fortzusetzen. Die viertägige Ratsversammlung endete ohne Zwischenfälle. Die Taliban hatten Anschläge angekündigt. Die radikal-islamischen Aufständischen sind strikt gegen ein strategisches Abkommen mit den USA.
Der Vertrag soll den Amerikanern unter anderem die Nutzung von Militärbasen nach dem geplanten Abzug der NATO-Kampftruppen Ende 2014 erlauben. Die Delegierten forderten, die Stationierung auf zehn Jahre bis 2024 zu begrenzen. Alle Militäroperationen müssten von Afghanen geführt werden. Eigenmächtige US-Operationen seien nicht mehr erlaubt. Die Amerikaner dürften von afghanischem Territorium nicht gegen Nachbarländer vorgehen. Einer der Nachbarn ist der Iran.
Die NATO-geführte Internationale Schutztruppe ISAF hält nächtliche Razzien und Hausdurchsuchungen für eines ihrer effektivsten Mittel im Kampf gegen die Taliban. Im Volk sind die so genannten verhasst. Ein Entwurf für das strategische Abkommen mit den USA sollte eigentlich bereits vor der Dschirga fertig gestellt sein. Inzwischen gilt als unwahrscheinlich, dass das Papier vor der Afghanistan-Konferenz in Bonn in zwei Wochen ausgehandelt sein wird. Endgültig zustimmen muss dem Abkommen das Parlament in Kabul.
Auch Aussöhnung mit Taliban auf dem Programm
54 der insgesamt 76 Artikel der Loja-Dschirga-Erklärung befassen sich mit dem geplanten Abkommen mit den USA. Die restlichen teils recht vagen Punkte drehen sich um eine Aussöhnung mit den Taliban. Dort heißt es etwa: "Wir brauchen den Friedensprozess und bestehen auf seiner Fortführung." Darauf müsse die Regierung hinarbeiten.
Die Loja Dschirga forderte die Internationale Gemeinschaft dazu auf, einen afghanisch geführten Friedensprozess zu unterstützen. Die Staatengemeinschaft müsse auf Pakistan und Iran Druck ausüben, damit auch diese sich für Friedensgespräche einsetzten. Die Nachbarländer seien für die derzeitige Lage in Afghanistan verantwortlich.
Zu dem Abkommen mit den USA hieß es, die Amerikaner müssten weiterhin für die Ausbildung und Ausrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte sorgen und die Regierung in allen Bereichen unterstützen. Sie müssten die afghanische Souveränität, die Traditionen des Landes und die Verfassung respektieren. Konkrete finanzielle Forderungen an die Adresse Washingtons forderten die Abgesandten aus allen Teilen des Landes nicht.
Karsai hatte zum Auftakt des Treffens gesagt, dass die Entscheidungen der Loja Dschirga beratenden Charakter hätten. Zum Abschluss der Versammlung sagte er dagegen überraschend, er verstehe die Entscheidungen der Delegierten als verbindlich für seine Regierung. Er stimme der Erklärung vollständig zu.
Karsai hatte Westerwelle am Samstag spontan zu dem Treffen mit Delegierten am Rande der Loja Dschirga eingeladen. Westerwelle sprach von einer besonders freundlichen Geste gegenüber Deutschland.
Quelle: ntv.de, dpa