Präsidentenwahl unter höchster Sicherheitsstufe Afghanistan steht vor ungewissen Zeiten
05.04.2014, 10:25 Uhr
Ein Sicherheitsmann bewacht in Kabul wartende Wähler.
(Foto: AP)
Unter dem Schutz Hunderttausender Sicherheitskräfte beginnt in Afghanistan die Präsidentenwahl. Die Abstimmung markiert den ersten demokratischen Machtwechsel in der Geschichte des Landes. Doch auf den Nachfolger von Präsident Karsai warten große Herausforderungen.
Mit der Abstimmung der Afghanen über die Nachfolge von Präsident Hamid Karsai endet für das Land am Hindukusch eine Epoche. Nach mehr als zwölf Jahren kann der ebenso charismatische wie umstrittene Staatschef nicht erneut antreten. Um seine Nachfolge bewerben sich insgesamt acht Kandidaten, darunter werden vor allem Karsais langjährigem Rivalen Abdullah Abdullah, dem renommierten Intellektuellen Aschraf Ghani und dem früheren Außenminister Salmai Rassul ernsthafte Chancen eingeräumt.
Noch ist der Wahlausgang völlig offen. Beobachter erwarten, dass keiner der Kandidaten auf Anhieb die nötige absolute Mehrheit erreichen wird, so dass aller Wahrscheinlichkeit nach eine Stichwahl am 28. Mai notwendig wird. Wegen der organisatorischen Schwierigkeiten in einem Land mit noch immer schwachen Verwaltungsstrukturen dürfte die Auszählung bis zu sechs Wochen dauern. Da zudem erwartet wird, dass es Vorwürfe der Fälschung gibt, kann sich die Verkündung des Siegers bis Ende Juni hinauszögern.
Die Vereinten Nationen setzen auf eine "glaubwürdige, inklusive und transparente" Abstimmung. Doch nach der Präsidentenwahl 2009, die von Gewalt und Fälschungsvorwürfen überschattet war, erwartet niemand eine ruhige und geordnete Wahl. Wie bereits 2009 haben die Taliban gedroht, den Ablauf der Wahl mit Gewalt zu stören. Bereits während des Wahlkampfs verübte die radikalislamische Rebellenbewegung mehrere blutige Anschläge. Die Expertengruppe Afghan Analysts Network warnte daher bereits vor einem "sehr chaotischen Wahlprozess". Da erscheint der tödliche Anschlag auf die deutsche Foto-Reporterin Anja Niedringhaus im Osten des Landes wie eine blutige Bestätigung.
Schlechte Verlierer erwartet
Der UN-Vertreter Nicholas Haysom sieht zwar bedeutende Verbesserungen bei den Sicherheitsvorkehrungen seit 2009. Doch er warnt, es werde vermutlich "Verlierer" geben, die ihre Niederlage nicht einfach hinnehmen würden. Das Lager von Abdullah Abdullah, der sich bei der Wahl 2009 nach Vorwürfen der Fälschung aus der Stichwahl gegen Karsai zurückzog, kündigte bereits an, diesmal werde er Manipulationen nicht hinnehmen. Beobachter warnen jedoch, dass Straßenproteste gegen das Ergebnis das Land ins Chaos stürzen könnten.
Der Experte Achmed Rashid verweist darauf, dass es "keine neutrale Person geben wird, um zu entscheiden, wer gefälscht hat und wer nicht". Offiziell gibt sich Karsai zwar unparteiisch, doch seitdem sich sein Bruder Kajum hinter Salmai Rassul gestellt hat, gilt dieser als Favorit Karsais. Welche Rolle der scheidende Präsident nach der Wahl spielen wird, ist unklar. Doch dass sich der Mann, der mehr als zwölf Jahre die afghanische Politik beherrschte, komplett zurückzieht, gilt - trotz gegenteiliger Ankündigung - als unwahrscheinlich.
Der heute 56-Jährige war nach der US-Militärintervention und dem Sturz der Taliban im Herbst 2001 als Präsident eingesetzt und bei den Wahlen 2004 und 2009 in diesem Amt bestätigt worden. Über die Jahre gelang es dem Paschtunen, die Macht führender Kriegsherren zu beschneiden und wichtige Posten mit eigenen Anhängern zu besetzen. Doch auch wenn er damit die Macht des Zentrums gestärkt hat, ist es ihm nicht gelungen, das Land zu befrieden. Auch sonst bleibt seine Bilanz trotz Fortschritten bei Bildung, Infrastruktur und Wirtschaft enttäuschend.
Sein Nachfolger übernimmt das Land zudem in einem schwierigen Moment: Bis Ende des Jahres ziehen die verbleibenden ausländischen Kampftruppen ab. Die USA und andere westliche Staaten wollen zwar anschließend Soldaten im Rahmen einer Ausbildungs- und Unterstützungsmission im Land belassen, doch fehlt dafür bisher die rechtliche Grundlage. Trotz starken Drucks aus den USA hat Karsai die Entscheidung über die Unterzeichnung eines entsprechenden Truppenstatuts seinem Nachfolger überlassen. Nicht nur deshalb blickt Afghanistan in eine ungewisse Zukunft.
Quelle: ntv.de, Von Usman Shafiri, AFP