Niedersachsen im Dioxin-Skandal Agrarministerium ohne Führung
13.01.2011, 18:09 UhrDer Dioxin-Skandal erschüttert die Landwirtschaft - und Niedersachsen steht ohne Agrarminister dar. Weil nach einem Rücktritt der neue Ressortchef erst kommende Woche antritt, laviert das Schweine- und Geflügelland Nummer eins ohne klare Führung durch die Krise.

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Mitten im Dioxin-Skandal steht das deutsche Geflügel- und Schweineland Nummer eins ohne Landwirtschaftsminister dar: Niedersachsens bisherige Agrarministerin Astrid Grotelüschen (CDU) trat bereits vor Weihnachten zurück und ihr Nachfolger und Parteifreund Gert Lindemann wird erst in der kommenden Woche vereidigt. Am Umgang mit dem Skandal in Hannover gibt es Kritik aus dem Nachbarland Nordrhein-Westfalen sowie von der Opposition.
Zu spät und wenig energisch habe man auf die Dioxin-Funde reagiert, heißt es in Düsseldorf. Regierungschef David McAllister (CDU) hätte dem überforderten Ministerium einen Krisenstab zur Seite stellen müssen, meint die SPD.
Fehlender Panoramablick und Zuständigkeitswulst

Astrid Grotelüschen trat nach andauernden Vorwürfen um Missstände in auf Geflügelhöfen im Dezember zurück.
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Manchmal zumindest scheint die Übersicht zu fehlen: Während Agrar-Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke am Dienstag noch kategorisch ausschließt, dass Dioxin-Fleisch in den Handel gelangt ist, hat der Kreisveterinär in Verden diese Gewissheit bei einer Pressekonferenz schon längst nicht mehr. Ripke sei noch nicht auf dem neuesten Stand gewesen, heißt es später lapidar aus dem Ministerium.
Dass Eier von längst gesperrten Höfen noch immer in Supermarktregalen der Region Hannover auftauchen, ist für das Ministerium zunächst auch keine Chefsache. "Zuständig sind die Landkreise", heißt es zunächst - und als wieder verbotene Eier auftauchen, werden die Kreisbehörden zu mehr Kontrollen ermahnt.
Führungsloses Agrarministerium

Der früheren Staatssekretär im Bundesagrarministerium und designierte niedersächsische Landwirtschaftsminister: Gert Lindemann (CDU).
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Nach andauernden Vorwürfen wegen Tierschutzmängeln und Billiglöhnen auf Geflügelhöfen war Grotelüschen am 17. Dezember nach nur acht Monaten im Amt zurückgetreten. Grotelüschen, deren Familie eine der größten Mastkükenbrütereien in Deutschland besitzt, war eine zu große Nähe zur Agrarindustrie vorgeworfen worden, Probleme bei der Massentierhaltung habe sie vernachlässigt, kritisierten Tierschützer und die Opposition. Immer wieder hatten neue Berichte über angebliche Missstände auf Höfen im Firmengeflecht um das Grotelüschen-Unternehmen für Negativschlagzeilen gesorgt, mit ihrem ungeschickten Krisenmanagement blieb die Ministerin im Gerede.
Kompetenz und klare Führung verspricht McAllister sich von seiner Neubesetzung, dem früheren Staatssekretär im Bundesagrarministerium, dem 63-jährigen Gert Lindemann, einem Profi im Ressort, dem auch die SPD Respekt zollt. Für eine überhastete Vereidigung gab es kurz vor Weihnachten noch keinen Anlass, nach den Feiertagen und dem Jahreswechsel sollte Lindemann bei der folgenden Landtagssitzung am 19. Januar ins Amt gewählt werden. Hätte es schneller gehen sollen, hätte das Parlament zu einer Sondersitzung zusammengetrommelt werden müssen - ein Schritt, der auch dann nicht gewählt wurde, als der Dioxin-Skandal immer größere Ausmaße annahm.
Er wolle auch den Tierschutz und die Belange der Verbraucher in den Fokus rücken, kündigte Lindemann, der 26 Jahre in Hannover und Berlin im Agrarressort gearbeitet hat, bei seiner Vorstellung an. Als Minister sei er nicht nur den Bauern verpflichtet, die drei bis fünf Prozent der Bevölkerung ausmachten, sondern allen Niedersachsen. Ohne Schonzeit muss es ihm gelingen, die Zügel in die Hand zu nehmen und den Dioxin-Skandal zu bewältigen.
Quelle: ntv.de, Michael Evers, dpa