Mehrheit für neue Verfassung Ägypten bleibt gespalten
16.12.2012, 23:15 Uhr
Eine Ägypterin stimmt über den neuen Verfassungsentwurf ab. Der Text orientiert sich an der Scharia und stärkt den Einfluss von Religionsgelehrten auf Kosten der Justiz.
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Nach den Protesten ist vor den Protesten - Ägypten kommt nicht zur Ruhe. Die Opposition lässt nicht locker und kündigt nach dem ersten Abschnitt des Referendums über die umstrittene neue Verfassung weitere Massenkundgebungen an.
Nach dem ersten Teil des Verfassungsreferendums hat das wichtigste ägyptische Oppositionsbündnis für Dienstag zu neuen landesweiten Protesten und Demonstrationen aufgerufen. In einer am Sonntagabend verbreiteten Erklärung der Nationalen Rettungsfront wurden die Ägypter aufgefordert, ihre Freiheit zu verteidigen und den umstrittenen Verfassungsentwurf abzulehnen, wie die Agentur Mena berichtete. Das wichtigste ägyptische Oppositionsbündnis wird von Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei angeführt.

Die Opposition warf der islamistischen Muslimbruderschaft eine Verfälschung der Abstimmung vor.
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Nach dem Auftakt des Referendums über die neue Verfassung zeichnete sich am Sonntag mit rund 56 Prozent eine knappe Mehrheit für den umstritte nen Entwurf der Islamisten ab. Nach Umfragen beteiligte sich jedoch nur jeder dritte Wahlberechtigte an der Volksabstimmung. Zunächst war in zehn Provinzen, darunter die Hauptstadt Kairo, abgestimmt worden. Die zweite Runde in den übrigen 17 Provinzen Ägyptens folgt am 22. Dezember.
Opposition beklagt Wahlbetrug
Die Opposition beklagte zahlreiche Wahlrechtsverstöße - und forderte eine Wiederholung der Abstimmung vom Vortag. Acht Gruppen beklagten bei einer Pressekonferenz in Kairo, dass Wähler mit religiöser Propaganda behelligt und Beobachter am Betreten der Wahllokale gehindert worden seien.
Die Opposition sieht in dem Verfassungsentwurf den ersten Schritt in Richtung Gottesstaat und eine strengere Auslegung der Scharia. Viele Anhänger von Präsident Mohammed Mursi wünschen sich genau das.
Die Diskussion um die erste Verfassung nach dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak spaltet schon seit Wochen die Menschen im bevölkerungsreichsten arabischen Land. Immer wieder gab es Massenproteste und tödliche Krawalle.
Wird der Verfassungsentwurf angenommen, muss innerhalb von zwei Monaten ein neues Parlament gewählt werden. Das erste nach dem Sturz von Mubarak gewählte Unterhaus wurde im Sommer von einem Gericht aufgelöst. Dort hatten die Islamisten eine deutliche Mehrheit von etwa 70 Prozent - ein solches Ergebnis dürften sie 2013 nicht mehr erreichen.
Niebel warnt vor neuer Diktatur
Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) befürchtet, dass Ägypten unter Mursi und der Muslimbruderschaft in eine Diktatur abgleitet. Niebel sagte der "Berliner Zeitung", es bestehe die Gefahr, dass das diktatorische System des gestürzten Präsidenten Mubarak wieder auflebe, "nur diesmal mit anderen Personen". Angesichts der unsicheren Zustände in Nachbarländern wie Syrien, Libanon und Jordanien bedeute ein instabiles Ägypten ein enormes Sicherheitsrisiko über die Region hinaus, warnte er.
Nach Angaben Niebels hat die Bundesregierung bis auf weiteres die Regierungskontakte zu Ägypten eingeschränkt. Auch der geplante teilweise Schuldenerlass von bis zu 240 Millionen Euro werde verschoben, kündigte der Minister an. Wenn Ägypten sich hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit entwickeln wolle, werde Deutschland das Land dabei unterstützen. "Es liegt in der Hand der ägyptischen Regierung", so der FDP-Politiker.
Quelle: ntv.de, dpa