Protest gegen Militärrat Ägypter sehen Konterrevolution
15.06.2012, 11:54 Uhr
Die ersten Proteste gab es schon direkt nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtes.
(Foto: dpa)
Zuviel ist zuviel: Liberale Ägypter sehen in der Annulierung der Parlamentswahl so kurz vor der Abstimmung über einen neuen Präsidenten nicht weniger als eine Konterrevolution durch den noch regierenden Militärrat. Sie rufen zu Protesten auf und schmieden neue Bündnisse.
Nach der Annullierung der ägyptischen Parlamentswahl durch das Verfassungsgericht hat ein Zusammenschluss linksgerichteter und liberaler Parteien die Armee der "Konterrevolution" bezichtigt. In einer Erklärung hieß es, das "konterrevolutionäre Szenario" ergebe sich aus einer Reihe von Vorfällen. So seien am 2. Juni zunächst mehrere Angeklagte im Prozess gegen den im Februar 2011 gestürzten Machthaber Husni Mubarak freigesprochen worden.

Anhänger liberaler Kandidaten, die nicht in die Stichwahl kamen, sind frustiert über die Entwicklung in ihrem Land.
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Sodann habe das Justizministerium die Militärpolizei und den Militärgeheimdienst wieder zur Festnahme von Zivilisten ermächtigt - ein Recht, das diese mit der Aufhebung des Ausnahmezustands Ende Mai verloren hatten, hieß es in der Erklärung von sechs Parteien und Bewegungen. Schlusspunkt sei die Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Donnerstag, die Zusammensetzung des Parlament für illegal und die Kandidatur des früheren Mubarak-Vertrauten Ahmad Schafik bei der anstehenden Präsidentschaftsstichwahl am Wochenende für rechtens zu erklären.
All diese Maßnahmen zeigten, dass der Oberste Militärrat, der nach Mubaraks Sturz die Macht übernahm, die alte Herrschaft wiederholen wolle. Die Präsidentschaftswahl am Sonntag sei eine "schlechte Komödie" mit deren Hilfe der Militärrat seinen Einfluss auf die Staatsmaschine ausbauen wolle. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören unter anderem die Richtungspartei, die Nationale Front für Gerechtigkeit und Demokratie sowie die Koalition der revolutionären Jugend.
Mursi lehnt Rückzug von Wahl ab
Bei der Präsidentschaftswahl tritt der von vielen Ägyptern als "Wendehals" bezeichnete Schafik, Mubaraks letzter Regierungschef, gegen den Kandidaten der Muslimbrüder, Mohammed Mursi, an. Ein ranghoher Vertreter der Muslimbrüder hatte das Urteil des Verfassungsgerichts zur Parlamentswahl am Mittwoch einen "Staatsstreich" genannt.
Der Muslimbruder Mursi lehnte es indessen ab sich wie von mehreren Oppositionsparteien gefordert aus der Stichwahl zurückzuziehen. Bei einer Pressekonferenz drohte Mursi mit einer neuen "Revolution", falls es Hinweise auf Wahlfälschung geben sollte. Er sagte: "Das Volk wird die Rückkehr der korrupten Vertreter des alten Regimes nicht zulassen."
Schafik hatte das Urteil das Gerichtes als "historisch" begrüßt. "Panikmache kann keine Ergebnisse garantieren", sagte er. Schafik war unter Mubarak erst Luftfahrtminister und zuletzt Regierungschef. Der Oberste Militärrat hatte nach dem Sturz Mubaraks am 11. Februar 2011 die Macht übernommen. Nach den bisherigen Plänen sollte er sie Ende des Monats nach der Wahl eines Präsidenten abgeben.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa